Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

Die Polizei Neunkirchen in den ersten Nachkriegsjahren
von Armin Schlicker – Teil 2 –
 
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Der erste Polizeichef in Neunkirchen nach Kriegsende Theodor Trost in der Uniform eines Polizeimajors (1943).
Quelle: Heimatverein Winterbach

Ehemaliges Bergmannslazarett in der Wellesweilerstraße, das ab 1888 als Bürgermeister- und Polizeiamt genutzt wurde.
Quelle: Archiv Raber
Schon am 22. März 1945 waren einige in Neunkirchen noch anwesende Polizeibeamte zu einer städtischen Polizei zusammengestellt worden. Von dem mit der Wahrung der Geschäfte des Bürgermeisters beauftragten Vinzenz Scheibenreif war der Polizeibeamte Matthias Klos zum vorläufigen Leiter der städtischen Polizei berufen worden.
Kurz danach setzten die Amerikaner in Neunkirchen am 2. April 1945 den 1935 von den Nazis aus seinem Amt entfernten früheren Bürgermeister Dr. Georg Blank wieder ein. Er ernannte den am Ort anwesenden und am Kriegsende in Neunkirchen bei der Kriminalpolizei eingesetzten Kriminalkommissar Theodor Trost mit Wirkung vom 2. April 1945, also schon ca. 5 Wochen vor Kriegsende, zum Chef der neuen kommunalen Polizei und verlieh ihm den Dienstgrad Polizeirat. Sowohl Bürgermeister Dr. Blank, wie auch Polizeirat Trost erfreuten sich jedoch nur kurze Zeit ihrer neuen Würde. Dr. Blank mußte bereits am 10. Mai 1945 aus Gesundheitsgründen wieder zurücktreten. Polizeirat Trost wurde am 8. Juni 1945 von den Amerikanern festgenommen und interniert, da er während des Krieges zeitweise bei der Geheimen Feldpolizei (etwa Kripo der Militärpolizei) war. Die Geheime Feldpolizei stand bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg als Organisation unter Anklage. Höhere Dienstgrade der Organisation wurden deshalb nach Einleitung des Verfahrens interniert. Erst nach Freispruch für die Organisation in Nürnberg erfolgte die Freilassung der internierten Kommandeure. Für Trost bedeutete dies, dass er erst nach 8 Monaten, am 1. Februar 1946, aus der Haft entlassen und rehabilitiert wurde. Die Stelle des Polizeichefs in Neunkirchen war jedoch zwischenzeitlich anderweitig besetzt worden. (Trost wurde später wieder in den Dienst der saarländischen Kriminalpolizei eingestellt und war ab 1. 4. 1948 jahrelang bis zu seiner Pensionierung 1953 hochgeschätzter Leiter der Landeskriminalpolizei).

In der kurzen Zeit bis zu seiner Internierung hatte Trost mit in Neunkirchen noch anwesenden Polizeibeamten und mit solchen, die 1935 aus dem Dienst entfernt worden waren, begonnen, eine Gemeindepolizei aufzubauen. Dies hat er offensichtlich in einer so kompetenten und sachlichen Weise getan, dass sich nach seiner Internierung amerikanische Offiziere schriftlich, wenn auch vergeblich, für seine Freilassung und Wiedereinsetzung in sein Amt einsetzten. Zur Erledigung der polizeilichen Aufgaben wurden bei der örtlichen Polizeibehörde drei Abteilungen gebildet:
– Vollzugspolizei
– Kriminalpolizei
– Verwaltungspolizei (2)

Am 10. Juli 1945 übernahm die französische Militärregierung mit einer Parade vor dem Rathaus in Saarbrücken die Verwaltung des Saarlandes. Die amerikanischen Truppen wurden durch französische Militäreinheiten abgelöst. Die von den Amerikanern eingeführte kommunale Polizei in Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern behielten die Franzosen zunächst bei. Mit den französischen Truppen kam auch französische Gendarmerie ins Saarland, deren Auftreten schnell zur Wiederherstellung der Ordnung beitrug. Dienstausübung und Rechtsanwendung der französischen Gendarmen waren hart und konsequent. Ein Beispiel: Nach einem Bericht in der Saarbrücker Zeitung vom 11. November 1946 wurde eine Verkehrsteilnehmerin vom mittleren Militärgericht zu 4 Monaten Gefängnis und 1000 Mark Geldstrafe verurteilt, weil sie sich bei der Überprüfung ihres Fahrzeuges französischen Gendarmen gegenüber ungebührlich benommen hatte.(3)

Nachdem Trost aus dem Amt entfernt worden war, wurde zunächst bis Ende 1945 wieder dem schon erwähnten Matthias Klos die Leitung der kommunalen Polizeidienststelle übertragen. Ein halbes Jahr später, am 9. Januar 1946, wurde der bezüglich einer Nazivergangenheit völlig unverdächtige, aus der Emigration in Frankreich zurückgekehrte Wilhelm Antes auf Anordnung der französischen Militärregierung mit der Führung der kommunalen Polizei beauftragt und sofort zum Polizeikommissar ernannt. Antes hatte keinerlei Polizeierfahrung; vor seiner Emigration 1935 nach Frankreich war er technischer Katasterbeamter. Die Tatsache seiner zehnjährigen Emigration nach Frankreich war offenbar Qualifikation genug. Er stellte sich gerne auf französisch als „Commissaire Antès“ vor und gab Anweisungen in französischer Sprache, obwohl er die nur unvollkommen beherrschte.

Da während des Naziregimes viele Polizeibeamte mehr oder weniger gezwungen Mitglied der NSDAP und der SS geworden und deshalb nach dem Krieg nicht mehr in ihrem Beruf verwendbar waren, wurden vielfach Emigranten und nach und nach auch zurückkehrende junge Soldaten, die oft keinen Beruf hatten, zur Polizei eingestellt. Da sie in der Regel keine Polizeierfahrung und auch keine Rechtskenntnisse hatten, genoss diese kommunale Polizei damals keinen guten Ruf. Parallel zu den kommunalen Polizeien in größeren Gemeinden war für die ländlichen Bereiche auf Initiative der Landräte mit dem Aufbau einer Gendarmerie nach dem Muster des früheren Landjägerkorps begonnen worden. In der Stadt Neunkirchen hatte die Gendarmerie jedoch keine Zuständigkeiten.

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1946 wurde die kommunale Vollzugspolizei durch eine Rechtsverordnung(4) aufgelöst und eine staatliche Polizei gebildet. Die bei der kommunalen Vollzugspolizei beschäftigten Beamten und Angestellten wurden in die staatliche Polizei übernommen, sofern sie die Bedingungen für die Anstellung im Polizeivollzugsdienst erfüllten. Nach einer Durchführungsbestimmung zu dieser Rechtsverordnung wurden dem Mitglied der Verwaltungskommission für Inneres (ähnlich einem heutigen Landesinnenminister) neben einer Verwaltungsdienststelle für den Bereich Vollzugspolizei
– die Dienststelle P: Sicherheitspolizei und Landeskriminalpolizei
– die Dienststelle G: Gendarmerie und Saarbataillon
– die Dienststelle S: Polizei- und Gendarmerieschule
unterstellt. Die Sicherheitspolizei war in eine Polizeidirektion (zuständig für die Stadt Saarbrücken) und 8 Polizeiinspektionen je für einen Kreis untergliedert. Interessant dabei ist, dass auch eine Polizeiinspektion für den Kreis Saarburg gebildet wurde(5). Sitz der für den Kreis Ottweiler zuständigen Polizeiinspektion 7 wurde Neunkirchen. Dieser Polizeiinspektion waren Polizeidienststellen in Neunkirchen, Ottweiler, Spiesen und Wiebelskirchen nachgeordnet. In den übrigen Gemeinden des Kreisgebietes war die Gendarmerie zuständig.
Leiter der Polizeiinspektion Neunkirchen wurde der aus dem Brandenburgischen stammende frühere Polizeibeamte Friedrich Krumbach. Er war ab 1927 in Brandenburg und in Berlin im Revierdienst und als Ausbilder an einer Polizeischule zuletzt als Polizeihauptwachtmeister tätig. Als aktiver Gegner der Nazionalsozialisten war er nach deren Machtergreifung 1933 zunächst ins Saargebiet geflüchtet,“um mich vor der Gestapo zu retten“, wie er bei seiner Einstellung angab. 1935 war er nach Frankreich und dann nach Marokko emigriert. Während der Emigration ernährte er er seine Familie als Maurer und Vorarbeiter am Bau in Bordeaux und nach der Besetzung Frankreichs in Casablanca. Am 28. Januar 1947 wurde Krumbach zum Polizeirat ernannt und war mit einer kurzen Unterbrechung Leiter der Schutzpolizei im Kreis Neunkirchen bis zum Februar 1956.
 
– Fortsetzung folgt –