Vielleicht sollte zunächst einmal der Begriff „Gas“ an sich geklärt werden. Denn heute wird dieses Wort wie eine Selbstverständlichkeit genutzt, hat aber durchaus auch eine ursprüngliche Bedeutung. Geprägt wurde der Begriff im 17. Jahrhundert von dem belgischen Arzt und Naturforscher Baptista van Helmont. Zuerst nahm man an, bei dem Begriff handele es sich um das niederländische Wort „Geest“ (Geist), was nahe läge. Aber durch eine spätere Veröffentlichung Helmonts stellte sich heraus, dass es sich bei dem Begriff um eine Dialektform des griechischen Begriffes Chaos handelt. Doch auch bevor es durch die Europäer benannt wurde, gab es schon Nutzungen für das Erdgas. So wurde es um 6000 vor Christus im Iran verehrt. Die austretenden Gase wurden zu Feuersäulen die ewig zu brennen schienen und als ein Zeichen Gottes gedeutet wurden. 900 vor Christus benutzten dann auch die Chinesen Erdgas. Sie benutzten es zur Trocknung von Salz. 2000 Jahre später hatten sie dafür auch die ersten, primitiven Pipelines - allerdings aus Bambus. Die Vorgeschichte einer technischen Gasversorgung beginnt bereits mit der Entdeckung der Kohlegase in der Frühzeit der modernen Chemie. Der flämische Wissenschaftler Johan Baptista van Helmont (1577–1644) entdeckte einen „wilden Geist“, der von erhitztem Holz und Kohle ausströmte, und bezeichnete es in seinem Buch „Ursprünge der Medizin“ (1609) als „Gas“. Ähnliche Experimente wurden unabhängig in anderen Regionen durchgeführt. Die erste funktionelle Gasbeleuchtung erfand der Engländer William Murdoch (1754–1839), dem nachgesagt wird, zuerst Kohle im Teekessel der Mutter erwärmt zu haben, um Leuchtgas zu produzieren. Er erforschte die Prozesse zur Herstellung, Reinigung und Speicherung weiter – zuerst beleuchtete er sein Haus in Redruth (1792), dann den Eingang des Polizeipräsidiums in Manchester (1797). Das erste kommerzielle Gaswerk entstand 1812 in der „Great Peter Street“ durch die „London and Westminster Gas Light and Coke Company“ (Leuchtgas- und Kokswerke London-Westminster), deren Kohlegase durch Holzrohre zur Westminster Bridge geleitet wurden und seit dem Neujahrstag 1813 Gaslampen entzündeten. In Deutschland beginnt die Geschichte einer kommerziellen Gasversorgung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damit ist sie einige Jahrzehnte älter als die Stromversorgung, die erst Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte. Treibende Kraft für beide Energiearten war aber das selbe Bedürfnis. Zunächst betraf es die Industrieproduktion, deren Werke in der Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst beleuchtet wurden. Dort ermöglichte das Gaslicht eine deutliche Verlängerung der Arbeitszeiten in den Werken, bis hin zu durchgehenden Nachtschichten. Daneben ermöglichte die Straßenbeleuchtung einen erweiterten städtischen Verkehr und gewährte mehr Sicherheit. Aber auch das Lesen von Büchern verbreitete sich als Abendbeschäftigung. Natürlich ließ sich schon seit langem die Dunkelheit etwas vertreiben, indem man Kienspäne oder Kerzen anzündete. Es gab auch Lampen, die mit Rüböl oder Spiritus betrieben wurden. Diese Lichtquellen waren aber ziemlich unergiebig und lieferten nur wenig Helligkeit. Sie mussten nachgefüllt und beaufsichtigt werden. Außerdem waren sie so teuer, dass der größte Teil der Bevölkerung sich dieses Licht kaum leisten konnte. Das Licht von Gasflammen war deutlich heller, ließ sich wesentlich einfacher handhaben und eignete sich genauso zur Beleuchtung der Arbeitsstätten, als auch zur Beleuchtung von Straßen, Plätzen und öffentlichen Gebäuden. Doch nicht jedermann freute sich über helleres Licht. In der „Kölnische Zeitung“ wird 1819 sogar vor der gefährlichen Gasbeleuchtung gewarnt.
In dem Artikel heißt es: Jede Straßenbeleuchtung ist verwerflich: 1.) aus theologischen Gründen: weil sie als Eingriff in die Ordnung Gottes erscheint. Noch tiefer ist die Macht zur Finsternis eingesetzt, die nur zu gewissen Zeiten vom Mondlicht unterbrochen wird. Dagegen dürfen wir uns nicht auflehnen, den Weltplan nicht hofmeistern, die Nacht nicht in Tag verkehren wollen
2.) aus juristischen Gründen: weil die Kosten dieser Beleuchtung durch eine indirekte Steuer aufgebracht werden sollen. Warum soll dieser und jener für eine Einrichtung zahlen, die ihm gleichgültig ist, da sie ihm keinen Nutzen bringt, oder ihn gar in manchen Verrichtungen stört?
3.) aus medizinischen Gründen: die Öl- und Gasausdünstung wirkt nachteilig auf die Gesundheit schwachleibiger oder zartherziger Personen, und legt auch dadurch zu vielen Krankheiten den Stoff, indem sie den Leuten das nächtliche Verweilen auf den Straßen leichter und bequemer macht, und ihnen Schnupfen, Husten und Erkältung auf den Hals zieht.
4.) aus philosophisch-moralischen Gründen: die Sittlichkeit wird durch Gassenbeleuchtung verschlimmert. Die künstliche Helle verscheucht in den Gemütern das Grauen vor der Finsternis, das die Schwachen von mancher Sünde abhält. Diese Helle macht den Trinker sicher, dass er in Zechstuben bis in die Nacht hinein schwelgt, und sie verkuppelt verliebte Paare.
5.) aus polizeilichen Gründen: sie macht die Pferde scheu und die Diebe kühn
6.) aus staatswirtschaftlichen Gründen: für den Leuchtstoff Öl oder Steinkohlen, geht jährlich eine bedeutende Summe ins Ausland, wodurch der Nationalreichtum geschwächt wird.
7.) aus volkstümlichen Gründen: öffentliche Feste haben den Zweck, das Nationalgefühl zu erwecken. Illuminationen sind hierzu vorzüglich geschickt. Dieser Eindruck wird aber geschwächt, wenn derselbe durch allnächtliche Quasi-Illuminationen abgestumpft wird. Daher gafft sich der Landmann toller in dem Lichtglanz als der lichtgesättigte Großstädter.
Nachdem vor allen Dingen in Großbritannien Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in nahezu jeder Stadt Gaswerke entstanden, die über Druckgasleitungen die Städte versorgten, wurde das erste Gaswerk in Deutschland erst 1825 in Hannover errichtet – bis 1870 gab es bereits über 550 Gaswerke in Deutschland, die Stadtgas aus Kohle, Holz, Torf und anderen Stoffen gewannen. Diese Gasanstalten erzeugten ein mit leuchtender Flamme brennendes Gasgemisch, das gemäß seinem Verwendungszweck als Leuchtgas bezeichnet wurde. Im Normalfall wurde dieses Leuchtgas, das vor allem aus Wasserstoff, Methan und Kohlenoxid bestand, durch Erhitzen von Steinkohle unter Luftabschluss gewonnen. Durch die Entgasung verwandelte sich die Steinkohle in Koks, der sowohl für industrielle Zwecke, als auch zu Heizzwecken weiter verwendet werden konnte. In manchen Gegenden dienten auch Braunkohle, Holz, Torf und andere organische Verbindungen als Rohmaterial für die Gasproduktion. Das so erzeugte Gasgemisch wurde dann, nachdem es von Teer, Ammoniak, Schwefelwasserstoff und anderen unerwünschten Beimengungen gereinigt worden war, in einen großen Behälter geleitet. Im unteren Teil bestand diese Behälter aus einer Art Tasse, die mit Wasser gefüllte war, im oberen Teil aus einer blechernen Glocke, die das erzeugte Gas aufnahm und je nach Füllstand mehr oder weniger tief in das Wasser eintauchte. Wenn mehr Gas verbraucht, als erzeugt wurde, senkte sich der obere Teil des Behälters tiefer in das Wasser. Wenn die Erzeugung den Verbrauch überstieg, hob er sich und nahm das überschüssige Gas auf. Die stählerne Glocke, die auf Rollen an einem Gerüst entlang lief, lastete so immer auf dem Gas und drückte es mit ihrem Gewicht in die Verbrauchsleitungen. Das Prinzip der Tauchglocke war schon seit vielen Jahrzehnten aus den chemischen Laboren bekannt, wo es zu Messung und Speicherung kleiner Gasmengen verwendet wurde. Der französische Chemiker Lavoisier, der dieses Prinzip 1789 als erster beschrieb, prägte hierfür den Namen „Gazomètre“. Vermutlich wurden aus diesem Grund die späteren Gasbehälter als Gasometer bezeichnet. Bei größeren Gasbehältern bestand die Tauchglocke oft aus mehreren Wandungen, die sich teleskopartig in- und auseinander schoben. Mitunter vermauerte man die stählerne Konstruktionen, um ihnen ein gefälligeres Aussehen zu geben und sie besser vor den Witterungsbedingungen zu schützen. Später gab es neben den nassen auch trockene Behälter in denen im Inneren eine mit Teer abgedichtete Scheibe sich je nach Gasmenge hob und senkte. Wie bei den ummauerten Behältern konnte man hier von außen die Füllhöhe nicht erkennen. Während bei den Tauchglocken der Druck je nach Füllstand schwankte, blieb er bei den Scheibenbehältern annähernd gleich. Solche Gasometer, die gleichzeitig der Speicherung, als auch der Druckerzeugung dienten, gehörten mehr als hundert Jahre zum gewohnten Bild in unseren Städten mit eigener Gasversorgung. Einen neuen Schub erhielt die Gasversorgung durch den Gasglühstrumpf, den 1885 der Chemiker Carl Auer von Welsbach erfand und der den Markt eroberte. Das verbleibende mineralische Gerüst des Glühstrumpfes erzeugte unter Hitzeeinwirkung ein helles gleißendes Licht. Damit konnte die Lichtausbeute vervielfacht werden. Bisher hatte man viel Mühe darauf verwendet, ein Gasgemisch zu erzeugen, das mit möglichst heller Flamme verbrannte, das sog. Leuchtgas. Das war nun nicht mehr nötig. Es kam nur noch auf die Hitze an. Der Glühstrumpf revolutionierte die Gasbeleuchtung. Teilweise sah es sogar so aus, als könne die Gasbeleuchtung sich gegenüber dem Licht durch den elektrischen Strom behaupten. In der Küche störte die helle Flamme ohnehin, weil sie relativ wenig Hitze erzeugte und zum Rußen neigte. Man begann deshalb das Gas zu „entleuchten“ indem man ihm vor der Verbrennung Luft beimischte. Das Prinzip war seit 1855 bekannt, als der Chemiker Wilhelm Bunsen den nach ihm benannten Laboratoriumsbrenner erfand. Das bis in die 70er Jahre des 20 Jahrhunderts verwendete Stadtgas hat einen Heizwert von etwa 20 MJ/m³, dies entspricht in etwa der Hälfte von Erdgas (37 MJ/m³). Die Kommunen taten sich noch sehr schwer mit dem Aufbau kommunaler Versorgungseinrichtungen. Während die Gemeinden sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich mit den Fragen nach öffentlicher Sicherheit und Ordnung wie Feuerschutz, Nachtwachen und Straßenbeleuchtung befassten, spielten nun zusätzliche Aspekte wie Städtebau, Infrastrukturpolitik und die allgemeine Daseinsvorsorge eine gewichtige Rolle. Auch die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen erfuhr im Laufe dieser Entwicklung eine starke Aufwertung. Der Prozess der kommunalen Funktionserweiterung und der Aufbau von Versorgungseinrichtungen gestalteten sich jedoch als sehr langwierig. Fehlentscheidungen und Verzögerungen waren an der Tagesordnung. Sie zögerten die notwendigen Entscheidungen teilweise über Jahre hinaus, warteten die technische Entwicklung ab oder reagierten erst auf die fortdauernden Initiativen privater Unternehmer. Der Gasversorgung kam in diesem Umfeld eine Schlüsselrolle zu, denn mit der Einführung der Gasbeleuchtung betraten die meisten Städte und Gemeinden kommunalpolitisches Neuland.
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