Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

Arbeitersiedlung – Arbeiterwohnungen
Frühe Arbeiterwohnungen in Neunkirchen
von Heinz Gillenberg – 1. Teil –
 
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Karte des Geländes (Tractus 25 von Neunkirchen) aus dem Jahre 1822

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Das Foto von der Oberschmelz, aufgenommen kurz nach ihrer Außerbetriebnahme im Jahr 1876. Am Bildrand links und rechts die Arbeiterhäuser.
Dies sind Bezeichnungen, die wir im Allgemeinen erst für Entwicklungen im 19. Jahrhundert benutzen, im Saarland etwa mit dem Begriff der Prämienhäuser für die Bergleute der staatlichen Gruben. Tatsächlich gab es aber schon früher Arbeiter, die ihre Wohnung bei ihrer Arbeit fanden, ähnlich wie Knechte mit ihren Familien in der Landwirtschaft. Seitdem die Hütten wegen ihrer Abhängigkeit von der Wasserkraft feste Standorte hatten, mußte zum Beispiel der Schmelzbetrieb auch in der Nacht besetzt sein. So waren sicher auch bei der um 1593 gegründeten Hütte in Neunkirchen einige „Werkswohnungen“ wie wir heute sagen würden.
Nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg 1635 bemühte sich ab 1652 Graf Johann Ludwig, der gerade die Regierung übernommen hatte, um den Wiederaufbau. Das größte Hindernis war der Mangel an Fachkräften in der Region. Im Entwurf eines Einstandsbriefs für Lambert Dippengießer sagte er diesem zu: „dass wir im Willen das Werk wieder aufzurichten und in Gang zu bringen dabey die Meister und Knechte, so darauf künftig bestellet und werken nicht nur allen die bei Berg- und Hüttenwerken gewöhnlichen Privilegien und Freiheiten geben, sondern diese auch nicht fallen unter die Kirchenzucht“. Das war im Mai 1652 eine ungewöhnliche Zusage. Erst 1684 gelingt es, die Hütte wieder in Schwung zu bringen, in der Abrechnung des Faktors Simon Lefebur vom 27. März 1686 sind über 50 Arbeiter aufgeführt, für diese Zeit eine große Belegschaft. Die meisten Namen sind französischen oder wallonischen Ursprungs.
Beginnend in diesen Jahren wanderten in den kommenden Jahrzehnten viele Wallonen in die Saargegend und in den Hochwald ein. Nach Neunkirchen kamen ab 1680 und dann um 1685 mit einem neuen Pächter, dem aus Arlon stammenden Remacle Joseph Hauzeur, viele Facharbeiter wallonischen Ursprungs, meist Katholiken. Um diese Arbeiter auf die Dauer zu halten, stellte ihnen das gräfliche Rentamt kleine Grundstücke zur Verfügung und es entstand rechts des Sinnerthaler Wegs eine erste Arbeitersiedlung, die später Schlawerie genannt wurde.
Auf einer Karte des Geländes (Tractus 25 von Neunkirchen), von der eine Kopie von 1822 erhalten ist, sind noch die sehr kleinen Parzellen zu erkennen. Die aufgeführten Namen sind noch über 100 Jahre nach der Gründung der Siedlung in der Mehrzahl wallonischen Ursprungs: Lieblang–Liblanc, Lehberger–Liberger, Schille–Gillet. Die Becker und Müller waren Familien, die in die frei werdenden Häuser eingezogen waren, als die Vorbesitzer mit den wallonischen Pächtern Hauzeur und Godtbisle in den Hochwald weiter zogen. (Siehe Foto oben links)Woher kam nun der Name Schlawerie? Nach Ansicht mancher alten Neunkircher von Slawen für die man die Nachbarn wegen ihres dunklen Typs, ihrer fremden Eigenarten und ihrem Dialekt hielt. in Wirklichkeit gab es wohl keine slawischen Zuwanderer in unserer Gegend. Aber noch um 1930 nannte man einen braungebrannten Mann mit dunklen Haaren „Walluner“. Irgendwann ist wohl aus der Siedlung der Wallonen die Schlawerie geworden.
Bemerkenswert ist noch, dass Arbeiter so weit von der Hütte angesiedelt wurden. Grund war wohl eine gewollte Trennung der neuen katholischen Neunkircher vom eigentlichen Dorf. Für die Katholiken unterhielt man eine zeitlang bei der Kohlenscheuer in der Schmelz eine Kirche, welche von einem Pater aus Homburg betreut wurde.
Über diese günstigen Wohnmöglichkeiten hinausgab es für die Arbeiter weitere Vergünstigungen. Manche dieser damals festgelegten „Deputate“, wie man sie später nannte, blieben bis in unsere Zeit erhalten. So gab es freien oder verbilligten Hausbrand bis um 1960.

Der „admodiations-contract“ mit Hans Georg Koch vom 6. Februar 1700 enthält z.B die §§:

  • ....8) sollen sie und ihre Arbeitsleute von allen Belastungen befreiet sein, es sey denn, dass sie bauern und beschwerte Güter requiriret oder besaßen als von welchen sie gleich anderen unterthanen ihre schuldigkeit abstatten
  • ....9) ...., sowie jedem Hammerschmidt auch frey stehen eine Kuh mit der gemeinen Herde zu treiben oder absonderlich hüten zu lassen, selbige aber sowohl als der beständer schuldig sein den schaden durch solchenes vieh in denen fürstengärten und wiesen begehen mögten nach erkenntnis zu zahlen
  • ..12) desgleichen auch freyen wein- und bierschank wie bei den Eisenbergwerken gebräuchlich zu versehen vor sie, ihre arbeitsleute und diejenigen welche waren abzuholen kommen. Wie ihnen dazu auch verwilligt wird, wann sie es gut finden, ein brauhaus auf ihre Kosten zu bauen und ohne entgeld zu benutzen, jedoch anders nicht als wie gedacht für ihre menage und werkleute.
– Ende Teil 1 –
Fotos: Archiv NE, Sammlung: Birtel