Aus der Kohlhofer Schulchronik |
Bestimmungen über die Schulchronik von 1937 von Günter Schwinn |
Zu den vorgeschriebenen Listen, die jeder Schulleiter zu führen hat,
gehört auch die Schulchronik. Ihre sorgfältige Führung ist deshalb
notwendig, weil sie für die spätere heimatgeschichtliche Forschung die
erforderlichen Unterlagen liefern soll. Sie muss aber auch jedem
ortsfremden neuen Lehrer die Möglichkeit bieten, sich über die
Geschichte seines neuen Schulortes und seiner Schule eingehend
unterrichten zu können. Die Darstellung des Chronisten muss einfach,
schlicht und wahr sein. Übertreibungen, Einseitigkeiten und scharfe
kritische Bemerkungen persönlicher Art sind zu vermeiden. Die
Verwendung von Lichtbildern, Skizzen, Plänen und statistischem Material
ist erwünscht. Es empfiehlt sich nicht, die Eintragungen in die
Schulchronik erst vierteljährlich oder gar am Jahresschluss
vorzunehmen, weil sonst erfahrungsgemäß die wertvollsten Tatsachen,
Stimmungsberichte usw. blutleer erscheinen. Die Eintragungen sind
vielmehr im unmittelbaren Anschluss an ein örtliches oder
gesamtvölkisches Ereignis vorzunehmen (tagebuchartig). Die Darstellung
der Schulchronik hat sich auf folgende Hauptgebiete zu erstrecken: – Schulort und Schulgemeinde – die äußeren Schulverhältnisse – die innere Einrichtung der Schule Schulort und Schulgemeinde: Hierher gehören alle Angaben über die Vorgeschichte und über die Geschichte des Schulortes, über die Bedeutung des Ortsnamens, Flurnamen, Einwohnernamen, Sitten und Gebräuche, Volkslieder, Volkstänze, Spiele, Reime und Rätsel, sprachliche Eigentümlichkeiten, konfessionelle Verhältnisse, Angaben über die Besiedlung, über die rassische Zusammensetzung der Bevölkerung, über die Erbhöfe. Äußere Schulverhältnisse: Unter dieser Überschrift sind Nachrichten über die Entstehung und Entwicklung der Schule, über das Schulgebäude (Grundriss und Lichtbild) über das Schulgrundstück, über das Diensteinkommen der Lehrkräfte, die Personalien der Lehrpersonen (Lebensläufe), über Schulgemeinden und Jugendwarte, über Schulbeiräte und Schulhaushalt zu bringen. Die innere Einrichtung der Schule: Hier sind folgende Angaben zu machen: Schulgliederung, Schülerstatistik, Schulbesuch, Schulverhältnisse, Krankheiten der Lehrer und Schüler, gewerbliche Beschäftigung der Kinder, Lehr- und Lernmittel, Lehrpläne, Schulfeiern und -feste, Schulbesichtigungen, Zugehörigkeit der Schüler zum Jungvolk. Ich erwarte, dass die Herren Schulleiter ihre Schulchroniken in Zukunft nach den vorstehenden Gesichtspunkten führen. Die Herren Kreisschulräte wollen sich bei ihren Besichtigungen von der ordnungsgemäßen Führung der Schulchronik überzeugen. Auszüge aus der Schulchronik Kohlhof Familiengeschichte aus Kohlhof (von Krajewski) Bis zur Besetzung unserer Heimat durch die französischen Revolutionsheere 1792 war Kohlhof ein Temporal-Bestandshof der Fürsten von Saarbrücken, verbunden mit einer besonderen Schäferei. Alle 8 bis 9 Jahre wechseln die Pächter und damit die hier anzutreffenden Familiennamen. Es lag im wesen des Pachthofes, keine Familie bodenständig werden zu lassen und somit eine Dorfgründung zu verhindern. Das änderte sich nach 1797. Als durch den Frieden von Campo Formio Österreich seine Zustimmung zur Abtretung des linken Rheinufers gegeben hatte, behandelte Frankreich unsere Heimat als französisches Eigentum. U. a. wurde das fürstliche Gut Kohlhof zur Staatsdomäne erklärt usw. 1812 erwarb der Landwirt Andreas Limbach aus dem benachbarten Niederbexbach den größten Teil der Staatsdomäne, 322 Morgen für 10.000 Frs. 1822 teilte dieser seinen Besitz unter seine fünf hier verheirateten Kinder und legte den Grund zu dem Großteil des heutigen Dorfes, wie aus der Sippengeschichte zu ersehen ist usw. 1912 konnte die Familie Limbach hier in Kohlhof ihre Jahrhundertfeier begehen. Betrachtet man an Hand der Sippengeschichte die Entwicklung in diesen 100 Jahren, so erkannt man folgendes: Während die Stammgeneration Gutsbesitzer war, sind die Glieder der 1. Generation noch „dicke“ Bauern mit durchschnittlich 50–70 Morgen Land. Die 2. Generation ist mittlerer bis kleiner Bauer. Die 3 Generation vermag sich schon von ihrem geteilten Besitz nicht mehr zu ernähren und muss in der Industrie Neunkirchens ein zusätzliches Einkommen suchen. Die nach auswärts verzogenen oder verheirateten Familienmitglieder wenden sich ganz bürgerlichen oder Industrieberufen zu. Die 4. und 5. Generation, die heutige Jugend, muss noch in weit stärkerem Maße das Schicksal der 3. Generation teilen, so dass Kohlhof einst eine Stadtsiedlung sein wird. Preußischer/Bayerischer Kohlhof Durch den Wiener Kongress kam es am 1. Juli 1816 zu einer politischen Neuordnung Europas. Der Kreis Ottweiler und damit auch Neunkirchen kam mit dem Gut Kohlhof an Preußen, während Limbach mit dem dazugehörigen Wohnplatz Kohlhof, mit der neu errichteten Rheinpfalz, an Bayern fiel. Seitdem gibt es den preußischen und den bayerischen Kohlhof. Verschiedene Grenzsteine erinnern heute noch an diese Zeit. Mitte August 1917 Die ersten Kartoffeln sind im Ort ausgemacht. Johann Limbach, der ein eineinhalb Morgen großes Ackerstück voll „früher Rosen“ hat, wird geradezu gestürmt. Trotzdem die Maßnahmen der Behörden sehr scharf sind, kommen die Hamsterer besonders aus dem benachbarten Neunkirchen in großen Scharen und bieten den Bauern wahre Phantasiepreise für die im Schleichhandel erreichbaren Kartoffeln. Besonders stark war in den letzten Tagen auch der Zug der Hamsterer nach Bayrisch-Kohlhof und Limbach. In der Zeit von 17-18 Uhr begegneten mir auf der Landstraße nicht weniger als 257 Wägelchen, die auf die Suche fuhren. Dass der Bauer die behördlichen Maßnahmen bei diesen gezahlten Beträgen zu umgehen sucht, ist daher menschlich gedacht, verständlich. Die Bayrische Behörde hat den schwunghaften Kartoffelhandel doch noch unterbunden. Zwei berittene Hilfs-Gendarmen bewachen die Grenze und mit Schelten auf die „vornehmen Herren“ machen die Hamsterer kehrt um unverrichteter Sache wieder heimzufahren. Ende August–Anfang September 1917 Galt in der ersten Hälfte des August das Suchen vorzüglich den Kartoffeln, so suchen die Hamsterer jetzt fast ausnahmsweise Getreide aufzukaufen, trotzdem die Rationen doch bedeutend erhöht sind. Es ist ein charakteristisches Bild für die große Zeit, wenn man die Landstraßen, die zu den Bauernorten führen, mit den Kolonnen, die nach Lebensmitteln suchen, betrachtet. Davon abgesehen ob es notwendig ist oder nicht, scheint es geradezu eine Krankheit, die wie eine Epidemi um sich greift, denn trotzdem fast nichts mehr erreicht wird (wenigstens in Kohlhof), kommen Züge von Hamsterern noch fast täglich. Die diesjährigen Dreschresultate sind nicht günstig ausgefallen. Der Körnerertrag war durch das schnelle Wachstum und die schlechte Bestockung gering. Dazu kommt noch das Regenwetter der letzten 14 Tage während der Zeit fast alles Getreide noch auf den Feldern stand, so dass viele Garben fast ganz ausgewachsen auf den Kästen stehen und wie mit Moos überzogen aussehen. Die besten Ergebnisse hatten der Bergmann Wilh. Bach mit 11,34 Ztr. auf den Morgen und der Ackerer Fritz Klein mit 10,68 Ztr. auf den Morgen. Der durchschnittliche Ertrag des Ortes ist 5 1/2 Ztr., also 1 1/2 unter der Vorschätzung durch die Behörde. Ende Juli 1918 Seit einigen Tagen ist unser Ort wieder sehr gesucht. Alle Straßen, sogar die kleinen Feldwege wimmeln geradezu von Menschen. Unwillkürlich wurde ich an jene Tage vor dem Krieg erinnert, an denen Festlichkeiten in den Bauernschaften begangen wurden, wie Kirmes usw. dieses Mal aber galt das Hinauswandern den Kartoffeln. In großen Scharen sitzen die Fremden vor den Häusern und gehen nicht eher bis sie Kartoffeln haben. Trotz der hohen Preise werden die Bauern dadurch verdrießlich. Nicht ruhig essen können sie, bis spät in die Nacht wird gehamstert. Geld spielt keine Rolle. Alles was der Städter entbehren kann, wie Zucker, Seife, ja selbst Schuhe bringt er mit, um den Bauer zugänglich zu machen. Der Tauschhandel blüht. Es mutet einen erbärmlich an, wenn man zusieht, wie in dieser großen Zeit jeder die Not des anderen – ja sogar der Soldaten im Feld – ausnützt, um seinen Vorteil herauszuschlagen. Ist das das Volk der Dichter und Denker noch; fragt man sich unwillkürlich? Wer ist Schuld an dieser Gehässigkeit zwischen Stadt und Land, wie man sie jetzt hier Tag für Tag erleben kann? Sind nicht alle Schuld daran, die die Landwirtschaft so hoch in den Himmel heben? Ist nicht die Industrie – gleich welche – grade so wichtig? Und doch hört und liest man allerorts nur: Unsere Landwirtschaft usw. Ich dächte, das alles seien heute im 5 Kriegsjahr alles gleiche Teile eines Organismusses – eines Staatsganzen – von denen keiner mehr – wie es im Wesen des Organismus‘ liegt – bestehen könnte. Und doch diese Einseitigkeit. Dass das unseren Bauern in den Kopf steigen musste, ist klar wie die Sonne am Himmel. |
– Ende Teil 1 – |
Günter Schwinn |