Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

Der Schwebel, eine Straße und ein Verein      
Es war eine schöne Zeit im rätselhaften Schwebel      4. und letzter Teil
Bericht von Lothar Spengler
hvsn_17 Schon bei Giebels Maria, der Mutter unserer Brigitte, tranken die Berg- und Hüttenleute gerne ihr Bierchen nach Feierabend. Sonntags traf man sich zum Stammtisch unter der Regie von Hannes Köhl und Karl Ludwig, der dann sein Lieblingslied anstimmte: „Im Leewe werd kei Berschmann reich. Denn was er verdient versauft er gleich.“
Dieser Karl Ludwig erklärte eines Sonntags: „Mir hann zwar in Neinkerje e Bürgermeisch­der Ludwig awwer de Bürgermeischder vom Schwebel bin ich, de Ludwig Karl, unn mei Rathaus es bei Giebels Maria.“
So kam der Schwebel zu seinem ersten Bürgermeister, und die Schwebelfreunde führten nach ihrer Gründung diese Tradition weiter fort bis heute. Die Schwebeler hatten also schon lange vor der Politik die Urwahl der Bürgermeister umgesetzt. Im Haus Nr. 34 wohnte dieser selbsternannte Bürgermeister Karl Ludwig.
Ein weiterer Anlass zu den späteren Wahlen war ein Aprilscherz nach dem zweiten Weltkrieg. In einer Hexennacht wurde eine angebliche Bürgermeisterwahl in Szene gesetzt. Man kürte drei Kandidaten, die man auf Plakate ablichtete und aushing. Es waren dies Karl Ludwig für die Biertrinkerpartei, Frau Kimmling, auch „klein Erna“ genannt für die Hausfrauenpartei und Volksschulrektor Huwer, der ebenfalls im Schwebel wohnte, für die Bürgerpartei. Man datierte die Wahl für den 31. April.
Der Schwebel stand Kopf, doch plötzlich erschien ein Polizeiaufgebot in der Strasse und beschlagnahmte alle Plakate. Der Rektor hatte Strafanzeige gegen den AHC Stammtisch erstattet. Alle Drahtzieher mussten zum Polizeiverhör. Zur ihrer Entlastung aber legten sie einen Bericht der SZ vor, worin über Sachbeschädigungen und groben Unfug in dieser Nacht berichtet wurde, aber den Streich im Schwebel fand man dort nicht unsympathisch.
Die Wahl des ersten Bürgermeisters fand am 18. März 1973 statt. Gewählt wurde Karl Oster mit 81% der Stimmen. Von 1976 – 1979 war Willi Hedrich Bürgermeister. Es folgten Willi Biehl von 1980 – 1981, Lothar Spengler von 1982 – 1985, Harald Kron von 1986 – 1987, Irmgard Biehl von 1988 – 1989, Matrud Steimer 1990, Elisabeth Steingasser 1991.
Und ab 1992 Peter Kolling, der sich anschickt Bürgermeister Ludwig zu überbieten, der 43 Jahre im Amt war.
Nach einer etwas ruhigeren Zeit in der Schwebelstraße wurde durch die Gründung des Vereins der Name „Schwebel“ wieder bekannter. Das Gründungsdatum des Vereins geht auf die erste Zusammenkunft des so ­genannten Schwebelrates zurück. Es war der 18. März 1973 an dem zehn Anwesende den später so erfolgreichen Verein gründeten.
Auf Grund der vielen Freizeitangebote übers Jahr, wurde der Verein sehr schnell weit über die Grenzen der Stadt bekannt und die Mitgliederzahl stieg in kurzer Zeit auf über 200. Unser Mitglied Britz aus Bexbach schreibt u. a.: „Wie eine große Familie, in der der 70-jährige wie der Jugend­liche dazu gehört, so stellt sich der Verein in seiner Vielfältigkeit dar“.
Um die Mitglieder über die Aktivitäten der einzelnen Sparten zu informieren, brachte Adolf Müller monatlich eine Vereinszeitung „Der Schwebel„ heraus. Die Angebote erstreckten sich über das Wandern, Fußball, Schach-, Doppelkopf- und Skatturniere, ­Altennachmittage, Kinderfeste, Ostereier­suchen, Oktoberfeste und Faschingsveranstaltungen. Die Höhepunkte waren die Bürgermeisterwahlen, die eigenen Wanderungen und die Teilnahmen an den Stadtfesten mit dem Verkauf von etwa 200 Gefüllten die Brigitte sonntags mit unseren fleißigen Frauen bei Wolfgang Merscher gefertigt hatten.
Den Jahresabschluss bildete die schöne besinnliche Weihnachtsfeier mit einem gemeinsamen Essen unserer Köche Werner Ludes und Fritz Keller mit ihren Helferinnen. Den Erlös der anschließenden Tombola spendete der Verein stets an soziale Einrichtungen wie die Krebshilfe, Kindergärten, Mucoviscidosehilfe, die Wärmestube Robinsondorf, Zoo usw.
Auf meinen Ratschlag hin begann der Verein ab 1975 an I.V.V.-Wanderungen teilzunehmen und sich um die Mitgliedschaft im Verband zu bewerben. Nach dem Eintrag ins Vereinsregister und der Aufnahme in den Verband, führten wir im Herbst 1976 unsere erste Wanderung durch. In den beiden Tagen wanderten über 6000 begeisterte Wanderer, das war bis heute einmalig im Saarland, ab der Hirschberghalle durch unsere schönen Wälder. Die Auszeichnung, ein Eispickel, wurde 3000-mal verliehen.
Durch dieses Ereignis wurde der Name Schwebel weit über unsere Landesgrenze hinaus, selbst bis nach Amerika bekannt, wo bestimmt in manch einer guten Stube unsere Medaillen hängen, denn die Amerikaner waren damals sehr stark vertreten und geradezu Versessen auf diese Auszeichnungen. Noch heute nehmen unsere Wanderer an Volkswanderungen teil und richten eine eigene Wanderung aus. Auch die Altennachmittage wurden immer sehr gut angenommen, denn viele ehemalige Schwebeler hatte es in andere Straßen und Gegenden verschlagen und man war froh sich jährlich einmal wieder zu sehen. Aber für die Schwebeler und die Gäste aus der näheren Umgebung war natürlich das Klublokal die beste Informationsquelle. Dort ging es immer lustig zu.
Dazu eine wahre Geschichte. Am Kirmesmontag 1975 zur späten Abendstunde brachte es Werner Ludes fertig ein weißes, schön geschmücktes Pferd ins Klublokal zu bringen. Dieses Pferd trat damals im Lokal Burgkeller auf und entkleidete während einer Show eine Dame. Als Wirtin Brigitte dem Pferd kein Bier servierte, hob es den Schwanz und dachte sich: „Dann scheiß ich auf die Wirtschaft“. Werner Ludes schnappte sich geistesgegenwärtig den Hut von unserem Vater Sahner und hielt ihn unter. Der Hut konnte das Gärtnergold kaum fassen. Der volle Hut mit den Pferdeäpfeln wurde im Rinnstein entsorgt und dann wieder an die Garderobe gehängt. Vater Sahner, der von all dem nichts mitbekommen hatte, setzte später seinen Hut auf und ging nach Hause.
In den folgenden Tagen wurde immer wieder die Frage diskutiert, wem hätte wohl dieses Gärtnergold gehört? Aber wie ich unseren Vater Sahner kannte, hätte er ohne zu Zögern beim nächsten Erntedankfest den Hut mit dem Produkt dem Verein zur Versteigerung überlassen. Bedingt durch die Vielzahl unserer Veranstaltungen und die steigende Zahl der Mitglieder, stieß das Vereinslokal an seine Grenzen. Wir überzeugten Brigitte einen Saal anzubauen. Im Jahre 1981, fünf Jahre nach der Vereinsgründung, wurde unter der Bauleitung von Klaus Lieblang dieses Projekt begonnen. In Eigenleistung nach Feierabend zogen wir den Rohbau hoch. Jeder brachte das ein was er konnte und am Abend wurden dann noch einige Bierchen miteinander getrunken. Dieser Gemeinsinn ist heute nur noch selten anzutreffen. Zusammen mit dieser Aktion wurde auch das Lokal durch die Schlossbrauerei vollständig neu gestaltet. Ein weiterer Höhepunkt war dann die Verfilmung des Vereins- und Familien­lebens in der Straße durch den Saarl. Rundfunk. Durch die Empfehlung von Gerd Meiser (SZ) trat Regisseur Hans Emmerling mit mir in Verbindung, wir besprachen die Termine und den Ablauf der künftigen Dreharbeiten. Der Film zeigt den Ablauf eines Vereinsjahres und zeitgleich den Abriss unseres Eisenwerks. Die Dreharbeiten nahmen etwa zwei Jahre in Anspruch und man kann ohne Übertreibung sagen, auch das Kamerateam war bei uns im Schwebel wie zu hause (Wunschkost bei Brigitte). Der Film lief dann nach dem Schnitt am 28.5.1988 im SWR 3 unter dem Titel „Im Schwebel daheim“ im Fernsehen. Er lief auch in anderen Regionalprogrammen. Unsere Wirtin Brigitte ging dann Anfang 2000 in den Ruhestand und das Lokal wurde verpachtet. Nach der Aufgabe des zweiten Pächters fand sich kein Nachfolger mehr. Das Lokal wurde geschlossen und daher fehlte dem Verein jegliche Grundlage so weiter zu agieren wie bisher. Heute befindet sich das Vereinslokal im Gasthaus „Bürgerstube“ in der Kolpingstraße.
Im Oktober 2005 verstarb dann unser Ehrenmitglied und Vereinswirtin Brigitte. Sie war die Seele des Vereins. Auch viele unserer treuen Mitglieder weilen nicht mehr unter uns. Alles zu beschreiben, was in diesen so erfolgreichen Jahren ablief würde den Rahmen sprengen. Es war einfach eine schöne Zeit im rätselhaften Schwebel.                                                                                                                                                                                   
 
Haus Nr. 34 damals. Hier wohnte dieser
selbsternannte Bürgermeister Karl Ludwig
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Bildunterschrift
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Übergabe einer Spende über 1800 DM
von Spengler an OB Neuber.
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Saarbrücker Zeitung v. 28.05.1988  
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Transparent des Vereinslokals  
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Ende des 4. und letzten Teils
Ein Bericht von Lothar Spengler