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Graf Hellmuth von Moltke Quelle: Bismarck, Gedanken und Erinnerungen, zweites Buch, Bertelsmann-Verlag |
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Aufmarschplan der preuß. und der franz. Armeen |
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General von Francois an der Spitze seiner Truppen beim Sturm auf die Spicherer Höhen |
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Das Brandenburgische Infanterie-Regiment Nr. 52 greift am Tage von Spichern bei Stieringen-Wendel ein |
Geschichtlicher Rückblick
Nach
der endgültigen Niederlage Napoleons 1815 in Waterloo/Belle Alliance,
seiner Abdankung und Deportation nach St. Helena hatte es in Frankreich
mehrere Monarchen gegeben, die dem Land aber keinen inneren Frieden
geben konnten. Es rumorte im ganzen Land, dem Volk ging es miserabel.
Schließlich wagte ein Neffe des großen Napoleon einen Umsturz und kam
als Napoleon III 1852 an die Macht.
Da auch ihm innenpolitische
Erfolge fehlten, suchte er sein Glück in der Außen- und
Kolonialpolitik. Nach der Teilnahme an den Auseinandersetzungen auf
Seiten der Italiener gegen Österreich1853, der Teilnahme am Krimkrieg
1854–56 auf Seiten Englands und der Türkei gegen Russland und der
Sicherung der Herrschaft in Algerien beobachtete man misstrauisch den
Ausgang des deutsch-deutschen Krieges 1866, den man als eigene
Niederlage empfand. Eine Gelegenheit, sich in die deutschen
Angelegenheiten einzumischen, ergab sich wieder 1870, als ein
Hohenzollernprinz für den spanischen Thron kandidierte. Frankreich
protestierte gegen die von Bismarck geförderte Kandidatur. Wegen der
übersteigerten französischen Erregung verzichtete der Prinz. Napoleon
III forderte aber nun vom Preußischen König Wilhelm I., der in Bad Ems
zur Kur weilte, ultimativ, dass er und seine Nachfolger einer solchen
Kandidatur niemals wieder zustimmen werden. Nachdem Wilhelm I diese
Abläufe Bismarck telegrafisch übermittelt hatte, gab dieser die
Mitteilung in verkürzter Form (Emser Depesche) bekannt und löste damit
in Deutschland eine nationale Empörung aus, die sich lautstark gegen
Frankreich richtete.
Kriegsausbruch 1870
Daraufhin erklärte Frankreich Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg.
Napoleon III, der sich eine Unterstützung durch die süddeutschen
Staaten erhofft hatte, sah sich getäuscht. Sie stellten sich sofort auf
die Seite des norddeutschen Bundes unter Führung Preußens. Der nun
folgende Krieg wurde von Bismarck erfolgreich begrenzt gehalten. Weder
England noch Österreich griffen ein.
Schlacht bei Spichern (6. August 1870)
Nachstehend
nun der Ablauf der Ereignisse, wie ihn uns der Generalstabschef
Feldmarschall Hellmuth von Moltke schildert. Durch die III. Armee gegen
Süden gesichert, war die II. Armee in westlicher Richtung vorgerückt,
während die noch fehlenden Korps auf den Eisenbahnen nachgeführt wurden
Sie hatte die langen Engpässe der Waldzone von Kaiserslautern
ungehindert durchschreitend am 5. mit ihrem vordersten Korps die Linie
Neunkirchen – Zweibrücken erreicht. Die Kavallerie streifte auf
französischem Gebiet und meldete Rückzugsbewegungen des Feindes. Alles
deutete darauf hin, dass die Franzosen den Angriff der Deutschen in
einer starken Stellung verteidigungsweise erwarten wollten. Eine solche
bot sich ihnen zunächst hinter der Mosel dar, wo Metz und Diedenhofen
beide Flügel ab-sicherten.
Fand man den Feind in dieser Stellung,
dann sollte die I. Armee ihn in der Front festhalten, die II. Metz
südlich umgehen, und so der Gegner zum Rückzug oder zur Schlacht
gezwungen werden. Für den Fall eines Missgeschicks fand die II.
Aufnahme bei der über die Vogesen vorrückenden III. Armee. Durch die
von der oberen Heeresleitung nicht gewollte Ausbreitung der I. Armee in
südwestlicher Richtung gegen die Saar berührte ihr linker Flügel die
der II. zugewiesene Marschlinie, es mussten Abteilungen beider sich am
6. in Saarbrücken kreuzen. An Streitkräften konnte es daher dort nicht
fehlen, aber da eine Schlacht an diesem Tage weder beabsichtigt noch
wahrscheinlich, so war auch ein gleichzeitiges Eintreffen nicht
geregelt, und bei ganz verschiedenen Marschrouten konnten die
Abteilungen auch nur zu verschiedenen Zeiten nach und nach anlagen.
Zuerst erreichte am 6. August gegen Mittag vom VII. Korps die 14. Division Saarbrücken.
(Der französ.) General Frossard hatte sich dort zu gefährdet geglaubt
und Abends vorher, noch bevor eine Genehmigung zum Rückzug eingegangen,
mit dem II. Korps Stellung rückwärts bei Spichern genommen, wo dasselbe
sich verschanzte. Dahinter befanden sich im Abstand von 2 bis 4 Meilen
das III., IV. und V Korps, 5 Meilen rückwärts das Gardekorps. Der
Kaiser konnte sonach, etwa in der Gegend von Cocheren fünf Korps zur
Schlacht versammeln oder doch, wenn General Frossard im Vertrauen auf
eine feste Stellung Stand hielt, ihn mit mindestens vier Divisionen
unterstützen..........
Wäre die Stärke des Gegners erkannt
gewesen, so würde ohne Zweifel die 14. Division ihren vollständigen
Aufmarsch abgewartet haben, bevor sie den Angriff begann. Tatsächlich
war aber bei Eröffnung des Gefechts um 12. Uhr (auf deutscher Seite)
nur die Brigade v. Froncois zur Stelle, welche bei der Beschaffenheit
der feindlichen Front den Angriff zu erleichtern versuchte, dass sie
sich zunächst gegen beide Flanken des Gegners wendete.
Wirklich
gelang es auch anfangs Fortschritte zu machen. Zur Linken drängten die
Neununddreißiger die feindlichen Schützenschwärme aus dem Gifert-Wald
zurück, traten aber dann in heftige Feuer der jenseits einer tiefen
Schlucht aufmarschierten französischen Bataillone. Auf dem rechten
Flügel bemächtigte sich das 3. Bataillon gemeinsam mit den
Vierundsiebzigern des Waldstücks von Stiering. Bald aber gelangte die
Überlegenheit des Feindes in heftigen Rückschlägen zur Geltung... Als
dann gegen 3 Uhr die preußische Artillerie den Gegner zwang, seine
Geschütze auf der Höhe weiter zurückzunehmen, begannen die Füsiliere,
General v. Francois an ihrer Spitze, den Felshang zu erklimmen.
Die
sichtbar überraschten französischen Chasseurs wurden mit Kolben und
Bajonett aus den vorderen Schützengräben vertrieben. Zunächst folgte
die 9. Kompanie des 39. Regiments und mit dieser weiter vorstürmend
fiel der tapfere General von fünf Kugeln durchbohrt. Die kleine Schaar
der Füsiliere behauptete sich aber standhaft auf dem engen
Felsvorsprung.
Nichtsdestoweniger war eine Krisis
eingetreten......... Auf deutscher Seite fehlte es völlig an irgend
einer geschlossenen Abteilung, um dem zu widerstehen, und so gingen
alle bisher errungenen Vorteile wieder verloren........
Indess
war doch die französische Angriffsbewegung inzwischen durch sieben
Batterien auf der Folster-Höhe zum Stehen gebracht, und unter General
v. Zastrows persönlicher Führung gelang es dann auch der Infanterie,
aufs Neue Fortschritte zu machen. Eine Verwendung der 29 Schwadronen,
welche sich allmälig, aus den verschiedensten Richtungen kommend,
hinter der Gefechtslinie zusammengefunden hatten, war durch die Natur
des Geländes ausgeschlossen.
Vergeblich versuchten die Husaren
sich auf dem Rothen Berg zu entwickeln, dagegen gelang es Major v.
Lyncker trotz unsäglicher Schwierigkeiten, aber unter jubelndem Zuruf
der hart bedrängten Infanterie, acht Geschütze dort hinaufzubringen.
Nach und nach, wie sie eintrafen, nahmen sie den Kampf mit drei
feindlichen Batterien auf..........Wirksame Hülfe nahte aber jetzt von
rechts her. General v. Goeben hatte alle noch nicht ins Gefecht
verwickelten Bataillone der 16. Division in der entscheidenden Richtung
auf Stiering vorgeschickt.
Indem ein Teil derselben gegen den Ort
Front machte, erstieg der andere von der Chaussee aus die Schluchten
des Spicherer Waldes, vertrieb im Handgemenge die Franzosen von dem zum
Rothen Berg führenden Sattel und drängte sie mehr und mehr auf den
Forbacher Berg zurück. Noch um 7 Uhr war auf dem rechten französischen
Flügel die Division Laveaucoupet, unterstützt durch einen Teil der
Division Bataille zum Angriff vorgegangen und nochmals in den viel
bestrittenen Gifert-Wald eingedrungen, aber die Gefahr, welche jetzt
dem linken Flügel vom Spicherer Walde her drohte, ließ dieses Vorgehen
erlahmen. Bei Eintritt der Dunkelheit wichen die Franzosen auf der
ganzen Hochfläche. Die Preußen büßten 4871, die Franzosen 4078 Mann
ein; bezeichnend aber ist die erhebliche Zahl unverwundeter Gefangener,
welche schon hier dem Gegener abgenommen wurden. Den vollen Gegensatz
zu der kameradschaftlichen Hülfe, welche die preußischen Führer sich
leisteten, und das Herandrängen der Truppen zum Gefecht bilden die
seltsamen hin- und Herzüge der noch hinter General Frossard stehenden
Divisionen, von denen zwar drei zu seiner Unterstützung in Bewegung
gesetzt wurden, aber nur zwei eintrafen, nachdem der Kampf beendet war.
Man hat nachträglich behauptet, die Schlacht von Spichern sei am
unrechten Ort geschlagen und habe höhere Pläne durchkreuzt. Allerdings
war sie nicht vorgesehen. Im Allgemeinen aber wird es wenig Fälle
geben, wo der taktische Sieg nicht in den strategischen Plan passt. Der
Waffenerfolg wird immer dankbar akzeptiert und ausgenutzt werden.
Durch die Schlacht von Spichern war das II französische Korps
verhindert, ungeschädigt abzuziehen, es war Fühlung mit der feindlichen
Hauptmacht gewonnen und der oberen Heeresleitung die Grundlage für
weitere Entschließung gegeben.
Die Konsequenzen, die für den
Kommandierenden der I. Armee, General v. Steinmetz, entstanden, werden
von Generalfeldmarschall von Moltke nicht erwähnt. Es ist aber bekannt,
dass von Steinmetz seines Amtes enthoben und quasi in die Verbannung
geschickt wurde. Kaiser Napoleon III. schrieb etwas lapidar an seine
Frau Eugenie nach Paris, „Frossard ist an der Saar genötigt worden,
sich zurückzuziehen. Der Rückzug vollzog sich in guter Ordnung. Es kann
alles wieder ins rechte Geleise kommen“.
Mit einem Satz wird die Schlacht bei Woerth vom gleichen Tag erwähnt, „Mac Mahon hat eine Schlacht verloren“.
Verlustein der Schlacht bei Spichern:
Die deutsche Seite:
Tote: 49 Offiziere und 794 Mannschaftsdienstgrade; Verwundete: 174
Offiziere und 3482 Mannschaftsdienstgrade. 372 Mann wurden vermisst,
dabei handelte es sich vermutlich um Gefangene.
Die französische Seite:
Tote:
37 Offiziere und 283 Mannschaftsdienstgrade; Verwundete: 168 Offiziere
und 1494 Mannschaftsdienstgrade. 44 Offiziere und 2052 Mann wurden
vermisst (davon ca. 600 tot oder verwundet).
Die
Angaben bzgl. der französischen Seite stammen von General Frossard.
Dessen Angaben über 70 000 deutsche Opfer sind jedoch weit übertrieben.
Deutscherseits standen am 6. August 1870 bei Spichern 30 194 Mann
Infanterie und 108 Geschütze im Gefecht. Das Korps Frossard zählte 24
419 Mann Infanterie und 90 Geschütze, wobei das Übergewicht auf der
deutschen Seite erst in den Abendstunden des Tages erreicht worden war.
Der Oberkommandierende der I. Armee war erst abends um 7 Uhr
erschienen, hatte also nicht mehr in das Geschehen eingreifen können.