Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

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Deutsch-französischer Krieg 1870-71
und die Auswirkungen auf Neunkirchen
von Gerd Arnold

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Graf Hellmuth von Moltke Quelle: Bismarck, Gedanken und Erinnerungen, zweites Buch, Bertelsmann-Verlag

Aufmarschplan der preuß. und der franz. Armeen

General von Francois an der Spitze seiner Truppen beim Sturm auf die Spicherer Höhen

Das Brandenburgische Infanterie-Regiment Nr. 52 greift am Tage von Spichern bei Stieringen-Wendel ein
Geschichtlicher Rückblick
Nach der endgültigen Niederlage Napoleons 1815 in Waterloo/Belle Alliance, seiner Abdankung und Deportation nach St. Helena hatte es in Frankreich mehrere Monarchen gegeben, die dem Land aber keinen inneren Frieden geben konnten. Es rumorte im ganzen Land, dem Volk ging es miserabel. Schließlich wagte ein Neffe des großen Napoleon einen Umsturz und kam als Napoleon III 1852 an die Macht.
Da auch ihm innenpolitische Erfolge fehlten, suchte er sein Glück in der Außen- und Kolonialpolitik. Nach der Teilnahme an den Auseinandersetzungen auf Seiten der Italiener gegen Österreich1853, der Teilnahme am Krimkrieg 1854–56 auf Seiten Englands und der Türkei gegen Russland und der Sicherung der Herrschaft in Algerien beobachtete man misstrauisch den Ausgang des deutsch-deutschen Krieges 1866, den man als eigene Niederlage empfand. Eine Gelegenheit, sich in die deutschen Angelegenheiten einzumischen, ergab sich wieder 1870, als ein Hohenzollernprinz für den spanischen Thron kandidierte. Frankreich protestierte gegen die von Bismarck geförderte Kandidatur. Wegen der übersteigerten französischen Erregung verzichtete der Prinz. Napoleon III forderte aber nun vom Preußischen König Wilhelm I., der in Bad Ems zur Kur weilte, ultimativ, dass er und seine Nachfolger einer solchen Kandidatur niemals wieder zustimmen werden. Nachdem Wilhelm I diese Abläufe Bismarck telegrafisch übermittelt hatte, gab dieser die Mitteilung in verkürzter Form (Emser Depesche) bekannt und löste damit in Deutschland eine nationale Empörung aus, die sich lautstark gegen Frankreich richtete.

Kriegsausbruch 1870
Daraufhin erklärte Frankreich Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg.
Napoleon III, der sich eine Unterstützung durch die süddeutschen Staaten erhofft hatte, sah sich getäuscht. Sie stellten sich sofort auf die Seite des norddeutschen Bundes unter Führung Preußens. Der nun folgende Krieg wurde von Bismarck erfolgreich begrenzt gehalten. Weder England noch Österreich griffen ein.

Schlacht bei Spichern (6. August 1870)
Nachstehend nun der Ablauf der Ereignisse, wie ihn uns der Generalstabschef Feldmarschall Hellmuth von Moltke schildert. Durch die III. Armee gegen Süden gesichert, war die II. Armee in westlicher Richtung vorgerückt, während die noch fehlenden Korps auf den Eisenbahnen nachgeführt wurden Sie hatte die langen Engpässe der Waldzone von Kaiserslautern ungehindert durchschreitend am 5. mit ihrem vordersten Korps die Linie Neunkirchen – Zweibrücken erreicht. Die Kavallerie streifte auf französischem Gebiet und meldete Rückzugsbewegungen des Feindes. Alles deutete darauf hin, dass die Franzosen den Angriff der Deutschen in einer starken Stellung verteidigungsweise erwarten wollten. Eine solche bot sich ihnen zunächst hinter der Mosel dar, wo Metz und Diedenhofen beide Flügel ab-sicherten.
Fand man den Feind in dieser Stellung, dann sollte die I. Armee ihn in der Front festhalten, die II. Metz südlich umgehen, und so der Gegner zum Rückzug oder zur Schlacht gezwungen werden. Für den Fall eines Missgeschicks fand die II. Aufnahme bei der über die Vogesen vorrückenden III. Armee. Durch die von der oberen Heeresleitung nicht gewollte Ausbreitung der I. Armee in südwestlicher Richtung gegen die Saar berührte ihr linker Flügel die der II. zugewiesene Marschlinie, es mussten Abteilungen beider sich am 6. in Saarbrücken kreuzen. An Streitkräften konnte es daher dort nicht fehlen, aber da eine Schlacht an diesem Tage weder beabsichtigt noch wahrscheinlich, so war auch ein gleichzeitiges Eintreffen nicht geregelt, und bei ganz verschiedenen Marschrouten konnten die Abteilungen auch nur zu verschiedenen Zeiten nach und nach anlagen.
Zuerst erreichte am 6. August gegen Mittag vom VII. Korps die 14. Division Saarbrücken.
(Der französ.) General Frossard hatte sich dort zu gefährdet geglaubt und Abends vorher, noch bevor eine Genehmigung zum Rückzug eingegangen, mit dem II. Korps Stellung rückwärts bei Spichern genommen, wo dasselbe sich verschanzte. Dahinter befanden sich im Abstand von 2 bis 4 Meilen das III., IV. und V Korps, 5 Meilen rückwärts das Gardekorps. Der Kaiser konnte sonach, etwa in der Gegend von Cocheren fünf Korps zur Schlacht versammeln oder doch, wenn General Frossard im Vertrauen auf eine feste Stellung Stand hielt, ihn mit mindestens vier Divisionen unterstützen..........
Wäre die Stärke des Gegners erkannt gewesen, so würde ohne Zweifel die 14. Division ihren vollständigen Aufmarsch abgewartet haben, bevor sie den Angriff begann. Tatsächlich war aber bei Eröffnung des Gefechts um 12. Uhr (auf deutscher Seite) nur die Brigade v. Froncois zur Stelle, welche bei der Beschaffenheit der feindlichen Front den Angriff zu erleichtern versuchte, dass sie sich zunächst gegen beide Flanken des Gegners wendete.
Wirklich gelang es auch anfangs Fortschritte zu machen. Zur Linken drängten die Neununddreißiger die feindlichen Schützenschwärme aus dem Gifert-Wald zurück, traten aber dann in heftige Feuer der jenseits einer tiefen Schlucht aufmarschierten französischen Bataillone. Auf dem rechten Flügel bemächtigte sich das 3. Bataillon gemeinsam mit den Vierundsiebzigern des Waldstücks von Stiering. Bald aber gelangte die Überlegenheit des Feindes in heftigen Rückschlägen zur Geltung... Als dann gegen 3 Uhr die preußische Artillerie den Gegner zwang, seine Geschütze auf der Höhe weiter zurückzunehmen, begannen die Füsiliere, General v. Francois an ihrer Spitze, den Felshang zu erklimmen.
Die sichtbar überraschten französischen Chasseurs wurden mit Kolben und Bajonett aus den vorderen Schützengräben vertrieben. Zunächst folgte die 9. Kompanie des 39. Regiments und mit dieser weiter vorstürmend fiel der tapfere General von fünf Kugeln durchbohrt. Die kleine Schaar der Füsiliere behauptete sich aber standhaft auf dem engen Felsvorsprung.
Nichtsdestoweniger war eine Krisis eingetreten......... Auf deutscher Seite fehlte es völlig an irgend einer geschlossenen Abteilung, um dem zu widerstehen, und so gingen alle bisher errungenen Vorteile wieder verloren........
Indess war doch die französische Angriffsbewegung inzwischen durch sieben Batterien auf der Folster-Höhe zum Stehen gebracht, und unter General v. Zastrows persönlicher Führung gelang es dann auch der Infanterie, aufs Neue Fortschritte zu machen. Eine Verwendung der 29 Schwadronen, welche sich allmälig, aus den verschiedensten Richtungen kommend, hinter der Gefechtslinie zusammengefunden hatten, war durch die Natur des Geländes ausgeschlossen.
Vergeblich versuchten die Husaren sich auf dem Rothen Berg zu entwickeln, dagegen gelang es Major v. Lyncker trotz unsäglicher Schwierigkeiten, aber unter jubelndem Zuruf der hart bedrängten Infanterie, acht Geschütze dort hinaufzubringen. Nach und nach, wie sie eintrafen, nahmen sie den Kampf mit drei feindlichen Batterien auf..........Wirksame Hülfe nahte aber jetzt von rechts her. General v. Goeben hatte alle noch nicht ins Gefecht verwickelten Bataillone der 16. Division in der entscheidenden Richtung auf Stiering vorgeschickt.
Indem ein Teil derselben gegen den Ort Front machte, erstieg der andere von der Chaussee aus die Schluchten des Spicherer Waldes, vertrieb im Handgemenge die Franzosen von dem zum Rothen Berg führenden Sattel und drängte sie mehr und mehr auf den Forbacher Berg zurück. Noch um 7 Uhr war auf dem rechten französischen Flügel die Division Laveaucoupet, unterstützt durch einen Teil der Division Bataille zum Angriff vorgegangen und nochmals in den viel bestrittenen Gifert-Wald eingedrungen, aber die Gefahr, welche jetzt dem linken Flügel vom Spicherer Walde her drohte, ließ dieses Vorgehen erlahmen. Bei Eintritt der Dunkelheit wichen die Franzosen auf der ganzen Hochfläche. Die Preußen büßten 4871, die Franzosen 4078 Mann ein; bezeichnend aber ist die erhebliche Zahl unverwundeter Gefangener, welche schon hier dem Gegener abgenommen wurden. Den vollen Gegensatz zu der kameradschaftlichen Hülfe, welche die preußischen Führer sich leisteten, und das Herandrängen der Truppen zum Gefecht bilden die seltsamen hin- und Herzüge der noch hinter General Frossard stehenden Divisionen, von denen zwar drei zu seiner Unterstützung in Bewegung gesetzt wurden, aber nur zwei eintrafen, nachdem der Kampf beendet war. Man hat nachträglich behauptet, die Schlacht von Spichern sei am unrechten Ort geschlagen und habe höhere Pläne durchkreuzt. Allerdings war sie nicht vorgesehen. Im Allgemeinen aber wird es wenig Fälle geben, wo der taktische Sieg nicht in den strategischen Plan passt. Der Waffenerfolg wird immer dankbar akzeptiert und ausgenutzt werden.
Durch die Schlacht von Spichern war das II französische Korps verhindert, ungeschädigt abzuziehen, es war Fühlung mit der feindlichen Hauptmacht gewonnen und der oberen Heeresleitung die Grundlage für weitere Entschließung gegeben.
Die Konsequenzen, die für den Kommandierenden der I. Armee, General v. Steinmetz, entstanden, werden von Generalfeldmarschall von Moltke nicht erwähnt. Es ist aber bekannt, dass von Steinmetz seines Amtes enthoben und quasi in die Verbannung geschickt wurde. Kaiser Napoleon III. schrieb etwas lapidar an seine Frau Eugenie nach Paris, „Frossard ist an der Saar genötigt worden, sich zurückzuziehen. Der Rückzug vollzog sich in guter Ordnung. Es kann alles wieder ins rechte Geleise kommen“.
Mit einem Satz wird die Schlacht bei Woerth vom gleichen Tag erwähnt, „Mac Mahon hat eine Schlacht verloren“.

Verlustein der Schlacht bei Spichern:
Die deutsche Seite:
Tote: 49 Offiziere und 794 Mannschaftsdienstgrade; Verwundete: 174 Offiziere und 3482 Mannschaftsdienstgrade. 372 Mann wurden vermisst, dabei handelte es sich vermutlich um Gefangene.

Die französische Seite:
Tote: 37 Offiziere und 283 Mannschaftsdienstgrade; Verwundete: 168 Offiziere und 1494 Mannschaftsdienstgrade. 44 Offiziere und 2052 Mann wurden vermisst (davon ca. 600 tot oder verwundet).

Die Angaben bzgl. der französischen Seite stammen von General Frossard. Dessen Angaben über 70 000 deutsche Opfer sind jedoch weit übertrieben.
Deutscherseits standen am 6. August 1870 bei Spichern 30 194 Mann Infanterie und 108 Geschütze im Gefecht. Das Korps Frossard zählte 24 419 Mann Infanterie und 90 Geschütze, wobei das Übergewicht auf der deutschen Seite erst in den Abendstunden des Tages erreicht worden war. Der Oberkommandierende der I. Armee war erst abends um 7 Uhr erschienen, hatte also nicht mehr in das Geschehen eingreifen können.

Ende 1. Teil
von Gerd Arnold