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In Saarbrücken hat man das Problem der Doppelbezeichnungen anders
gelöst. Dort blieben alle bisherigen Straßennamen erhalten, mit dem
Ergebnis, dass fast alle gängigen Straßennamen mehrfach im Stadtgebiet
vorkommen. Es gibt z.B. in Saarbrücken 6 Hauptstraßen (Jäg., Bischm.,
Ensh., Eschringen, Gersw., Klarenth.,) 8 Blumenstraßen (Nauwieser,
Altenk., Bischm., Fech., Büb., Dudw., Eschr., Gersw.) und 4
Brunnenstraßen (Burb., Gersw., Güd., Herrens.) usw. Da man dem o. a.
Grundsatz nicht folgte, gibt es seither in Saarbrücken ständig Probleme
mit Ortsfindungen und mit Zustellungen. Seit 1986 sind nun in
Saarbrücken Bestrebungen im Gange, ca. 320 Straßen umzubenennen, um
Doppelnamen und die damit verbundenen Verwechselungsmöglichkeiten zu
vermeiden. Dies ist bisher jedoch an den allein für die Verwaltung
anfallenden Kosten von über 100.000 € gescheitert. Darüber hinaus gibt
es erhebliche Widerstände bei den von den Umbenennungen betroffenen
Anwohnern.
Sehr viele der in Neunkirchen benutzten Straßennamen
richten sich nach Örtlichkeiten, also nach Nachbarorten, nach
Flurbezeichnungen oder nach Landschaftspunkten in der näheren Umgebung.
Etwa ein Viertel der Straßen hat oder hatte Namen nach Persönlichkeiten
aus Politik, Militär, Kunst oder nach solchen Menschen, die wegen ihrer
Verdienste um Neunkirchen oder die Menschheit geehrt wurden. Einige
Namensgeber von überregionaler Bedeutung waren auch selbst schon in
Neunkirchen wie Johann Wolfgang von Goethe, Kaiser Wilhelm II. oder
Marschall Blücher.
2002 beklagte die Frauenbeauftragte der Stadt
Neunkirchen, es gäbe zu wenige Frauennamen auf Straßenschildern und
holte deshalb die Wanderausstellung „Wegweisend, mehr Frauennamen aufs
Straßenschild“ ins Rathausfoyer (25). Nach einer Überprüfung tragen oder
trugen von den 253 bisher in ca. 150 Jahren nach Personen benannten
oder benannt gewesenen Straßen tatsächlich nur 18 einen Frauennamen. Das
hängt sicher auch damit zusammen, dass es nur wenige berühmte
Künstlerinnen, Erfinderinnen, Politikerinnen oder gar Kriegsheldinnen
gibt. Es ist aber ohne Zweifel richtig, dass hier Nachholbedarf besteht.
Es gibt auch durchaus Frauen, die es verdient hätten, dass eine
Straße nach ihnen benannt wird, weil sie sich um Neunkirchen oder
überregional um das Gemeinwohl verdient gemacht haben.
So könnte man sich gut vorstellen, dass eine Straße einmal benannt wird nach
-
der Gräfin Sierstorpff, der Tochter des früheren Hüttenherrn
Carl-Ferdinand von Stumm-Halberg, die sich, auch unter Einsatz ihres
Vermögens, im sozialen Bereich Verdienste um ihre Heimatstadt erworben
hat (Bau der Rote-Kreuz-Siedlung im Steinwald oder Bau des Berta-Heimes,
der Vorgängerin der Kinderklinik Kohlhof) oder nach
- der Schriftstellerin Liesbeth Dill, die Neunkirchen in ihrem Roman „Virago“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat.
Bemerkenswert
für eine Stadt, die sich heute noch Hüttenstadt nennt und so
überregional auch immer noch bekannt ist, ist die Tatsache, dass die
für die Entwicklung der Stadt so wichtige Eisenwerksgeschichte bei der
Benennung von Straßen eindeutig zu kurz gekommen ist. An die
Bergbautradition erinnern eine Knappen-, eine Steiger-, eine Gruben-,
eine König- (nach der Königsgrube), eine Königsbahn-, eine
Nahebahnschacht- und eine Moselschachtstraße, ein Stollenweg sowie die
Straßen Am Blücherflöz, Am Gneisenauflöz und am Wrangelflöz aber es gibt
keine Eisengießer-, keine Walzwerker-, keine Eisenwerks-, keine Hütten-
und keine Hochofenstraße o. ä.. Es gibt lediglich Bezeichnungen nach
den früheren Eigentümern des Eisenwerkes (Stummstraße, Stummplatz,
Carl-Ferdinand-Straße), und die Hüttenbergstraße ist eher eine
geografische Bezeichnung. Bei allem Respekt für den jetzigen Namensgeber
hätte man daran bei der Findung eines Namens für die heutige
Gustav-Regler-Straße oder eines Namens für die heutige Westspange einmal
denken sollen.
Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass eine
Werkszufahrt von der Lindenallee zum nördlich des Bahndamms gelegenen
Hüttengelände den Straßennamen Zum Eisenwerk erhalten soll.
Straßennamen
haben etwas mit Geschichte zu tun. Sie gehören wie Denkmäler oder Feste
zum Fundus von Symbolträgern, die eine offizielle Erinnerungskultur
repräsentieren sollen (26). Straßennamen sollten deshalb nicht ohne
zwingende Gründe bei jeder Gelegenheit geändert werden. Ein mit einer
Straße verwachsener Name ist eine geschichtliche Urkunde, die es
grundsätzlich zu bewahren gilt (27). Jede alte und als solche
geschichtlich bedeutungsvolle Bezeichnung von Straßen, Plätzen und
Brücken ist auf alle Fälle zu schützen und zu erhalten und zwar um so
mehr, je eigenartiger und sinnvoller sie ist. So ist z. B. kein
plausibler Grund dafür erkennbar, dass der über Jahrhunderte gewachsene
Name Schlawerie in Sinnerthaler Weg umgewandelt wurde. Das ist
allerdings 1935 geschehen, als niemand solche Entscheidungen zu
hinterfragen wagte.
Nur ganz besondere Umstände sollten dazu führen,
einen Straßennamen zu ändern. Bestimmt sollte dies nicht geschehen, um
noch lebende Persönlichkeiten des Zeitgeschehens zu ehren. Eine Änderung
kann jedoch erforderlich sein, wenn der Straßenname für die Bewohner
wenig schmeichelhaft oder gar beleidigend ist (siehe Blödgasse jetzt
Fischkasten). Das 500-seitige Straßenlexikon Neunkirchen kann zum Preis
von 19,80 € bei der Buchhandlung König in der Bahnhofstraße oder beim
Historischen Verein Stadt Neunkirchen in der Irrgartenstraße 18 in
Neunkirchen erworben werden.
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Prospekt zur Umstellung
im Rathausfoyer 2002 |
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Quellenangaben:
(1)
Deutscher Städtetag: Das Recht der öffentlich-rechtlichen Namen und
Bezeichnungen – insbesondere der Gemeinden. Straßen und Schulen, Heft
Nr. 51, S. 43
(2) Lais Sylvia und Mende Hans-Jürgen: Lexikon Berliner Straßennamen, Berlin 2004
(3)
Runderlass des Preuß.. MdI vom 9. 5. 1933 bzgl. Straßenbenennungen:
Ministerialblatt für die Preuß. Innere Verwaltung, Teil I, S. 561.
Dieser Runderlass wurde durch einen weiteren Erlass vom 17. 6. 1933 mit
Grundsätzen für die Straßenbenennung noch ergänzt: Ministerialblatt für
die Preuß. Innere Verwaltung, Teil I, S. 745 – 747. Mit Verordnung vom
1. 4. 1939 bestimmte der Reichsminister des Innern schließlich, dass die
Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken Aufgabe der Gemeinden sei.
Eine Benennung bedürfe jedoch der Zustimmung des Beauftragten der NSDAP:
Reichsgesetzblatt 1939, S. 703
(4) Saar- und Blieszeitung vom 19. 03. 1936
(5) Deutscher Städtetag: Recht der öffentlich-rechtlichen Namen und Bezeichnungen (wie Anmerkung 1) S. 26
(6)
Geometrischer Grundriss Tractus I des Neunkircher Bannes gefertigt 1797
durch J. Heinrich Nordheim auf Grundlage der Generalrenovatur von 1770,
Landesarchiv Saarbrücken, Bestand Katasterkarten
(7)
Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling 1803 –
1820, Reproduktion durch Landesvermessungsamt des Saarlandes, 1975. Die
Originale befinden sich in der Staatsbibliothek – Stiftung Preußischer
Kulturbesitz- Berlin.
(8) Tractus I A von Neunkirchen, renoviert 1822 durch C. Hochapfel, LA Saarbrücken, Bestand Katasterkarten
(9) Stadtarchiv Neunkirchen, Bestand Karten und Pläne, Nr. 205
(10) Stadtarchiv NK, Best. Altakten A I, Nr. 438
(11)
Stadtarchiv Neunkirchen, Bestand Karten und Pläne, Nr. 82 (Karte von
Debusmann mit handschriftl. Datierung von 1883, in der Kartei beim StA
aber „um 1890“ vermerkt)
(12) Saar- und Blieszeitung vom 25.04. 1903
(13) Landesarchiv Saarbrücken, Bestand Dep. Amt Illingen, Nr. 1057 und 1058, VO vom 28.02.1882 und vom 22.09.1882
(14)
Hoppstädter Kurt: Die alten Bannbücher und die Entwicklung des
Dorfbildes, in: Wiebelskirchen – Ein Heimatbuch, Wiebelskirchen, 1955,
S. 130
(15) Bürgerbuch der Bürgermeisterei Wiebelskirchen von 1911, S. 221
(16) Amtsblatt der Regierungskommission des Saargebietes vom 03. 01. 1922
(17) Saarbrücker Zeitung vom 31. 01. 1935
(18)
Arend Werner: Dudweiler Straßennamen im Wandel der Zeiten, in:
Historische Beiträge aus der Arbeit der Dudweiler Geschichtswerkstatt,
Band 3, 1994
(19) Flender Armin: Öffentliche Erinnerungskultur im Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg, Baden-Baden 1998, S. 80
(20) Mathias K.: Die im Jahre 1954 eingeführten Straßennamen, in: Wiebelskirchen – Ein Heimatbuch, Wiebelskirchen , 1955, S. 143
(21) Landesarchiv Saarbrücken: Bestand MdI, Nr. 897
(22) Schneider Heinrich: Das Wunder an der Saar, Stuttgart 1974, S. 144
(23) Flender Armin: Öffentliche Erinnerungskultur (wie Anmerkung 19) S. 86
(24) Deutscher Städtetag: Recht der öffentlich-rechtlichen Namen und Bezeichnungen (wie Anmerkung 1) S. 164
(25) Saarbrücker Zeitung vom 28. 11. 2002
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