Die Neunkirchener Fastnacht | ||||
nach dem Krieg und in den Fünfziger Jahren | ||||
von Karlfried Müller – Teil 1 – | ||||
Liebe Freunde der „Neinkeija Faasenacht“ und solche, die es, wie ich hoffe, nach dem Vortrag hoffentlich noch sein werden. Die Fastnacht-Session 2001/2002 ist jetzt schon wieder einige Wochen vorbei. Trotz zahlreicher Ausweitungsversuche der Fastnacht, hinein in den Sommer und die Weihnachtszeit, ist dieser Tag immer noch eine Zäsur im Jahresablauf der Narren. Gott sei Dank! So komme ich denn heute aus gutem Grunde „hinnenoh, wie die ald Faasenacht“. Das ist eine alt überlieferte mundartliche Redewendung, die für Historiker interessante Rückschlüsse auf das Alter der Fastnachtsbräuche in unserer Mundartregion zulässt. Lange Zeit, vertrat man ja die Ansicht, dass die „ald Faasenacht“ sich auf übrigens den „micarème“ beziehe. Das ist bei unseren westlichen Nachbarn, insbesondere in Lothringen und im Elsaß, ein Termin der Fastnacht, sozusagen die „Halbzeit“ der Fastenzeit am Mittwoch und Donnerstag vor dem Sonntag „Laetare“. Heute auch noch am Sonntag Laetare selbst. Alles also mitten in der Fastenzeit. Ich glaubte nun, dieser Standpunkt ergäbe bei den vielfältigen Wechseln in der Geschichte (und damit auch den Bräuchen) unserer Grenzregion eine vernünftige Erklärung. Ein Blick in ein schlaues Buch1 über die Fastnacht in unserer Region, belehrte mich jedoch eines Besseren: Bereits im Jahre 1091 wurde nämlich der Beginn der Fastenzeit vorverlegt. Die Synode von Benevent verschob ihn vom Sonntag „Invocavit“, welcher der Fastnacht unmittelbar folgt, auf den davor liegenden Mittwoch, den heutigen Aschermittwoch. Von da – also von 1091 an – sei deshalb aus diesem auf den Aschermittwoch folgende Sonntag die „ald Faasnacht“ geworden. So viel zur „ald Faasenacht“, sozusagen als Verbeugung vor den Historikern. Lassen Sie mich aber jetzt zum Thema in der jüngeren Vergangenheit der Fastnacht kommen: „Neinkeija Faasnacht“ noohm (hoffendlich ledschde) Kriech bis in die hoffnungsvollen, hochpolitischen und turbulenten „Fuffzicha“. Wer Zeitzeugen des Weltkrieges in der Familie hat, dem werden die Schilderungen von „da schlecht Zeid“, der Kriegszeit und den folgenden Hungerjahren von 1939 bis 1947, sattsam bekannt sein. Trotzdem muss ich sie streifen, denn sie bilden mit ihrer grausamen Realität auch eine der Grundlagen für das Lebensgefühl der folgenden Jahre und damit der „graadselääds“ wieder aufkeimenden Faasenacht. Lassen Sie mich also einfach erzählen, wie ich selbst diesen Wiederbeginn erlebt habe, wie es Zeitgenossen ergangen ist und was Quellen ergeben haben. 1947 habe ich meine erste Büttenrede gehalten. Inmitten der Jugend von St. Marien, im Marienstift, genauer dort im alten Kindergarten, im Kellergeschoss. Im Kindergarten? - Ja, das war damals nämlich der einzige Raum im Marienstift der (schon) wieder Fenster hatte und in den es dank der drei zerstörten ausgebrannten Etagen darüber nicht (gleich) hineinregnete.(2) Wir waren eine Gruppe junger Menschen, alle unter 20. Und wir feierten Fastnacht. Heute erscheint das selbstverständlich. Nicht so 1947. Fastnacht in einer Stadt, in der Hunger herrschte, in der über 70% der Wohnungen unbewohnbar waren, in einer Welt, in der Millionen von Ermordeten, Gefallenen und Vermissten beklagt wurden. Fastnacht in einem Volk auf dem die Vorwürfe der permanenten Kriegshetzerei und des schrecklichen Holocaust lasteten. Fastnacht mitten in unseren betroffenen Familien, in unserer gepeinigten Stadt, in unserem zerrissenen Land. Das war bei Gott nicht normal. Aber die meisten von uns waren dem Inferno gerade noch entkommen. Wir waren jung und glaubten an unser Recht auf Leben und Lachen. Und wir waren Saarländer. Und die können „heile onn lache in ään Säggelche“. Außerdem versprachen uns die mächtigen Befreier das, weshalb sie ja vor zwei Jahren gekommen waren, die Freiheit. Die galt es zu testen. Und da waren wir so frei, wie damals möglich, feierten Fastnacht und veräppelten, was uns bedrückte und was wir uns zu veräppel trauten: Lehrer, Eltern, Geistliche, Fußball.... Mir zum Beispiel „stank“ der Sportreporter von Radio Saarbrücken, Charly Scholz, dieser Mensch mit den bombastischen Bildern in der Sprache. Hatte er doch in der letzten Radioreportage vom Spiel 1. FCS (oder hieß der damals noch FVS?) gegen VfB Neunkirchen „schowedda de Saabregga beigehall“. Sie stutzen beim Namen VfB, weil sie Borussia erwartet haben? Lassen Sie mich erklären: Dem VfB Neunkirchen war damals der Name Borussia abhanden gekommen – worden. Zu preußisch, zu militaristisch, zu revanchistisch und zu Ich-weiß-nicht-was-sonst-noch!“ Eine derartige Umbenennung, ist damals auch dem „Turn- und Sportverein von 1860“ widerfahren. Man hatte ihm das Turnen aus seinem Namen entfernt, als „zu preußisch, zu militaristisch, zu-ich-weiß-nicht-was-sonst noch“. Sprach-Kosmetik an Stelle von Umdenken und innerer und äußerer Freiheit. So hatte ich denn auch noch mit meiner eigenen Meinung ... Probleme. Das fühlte ich. Und der neuen Freiheit konnte man auch noch nicht über den Weg trauen. Das musste ich kurz darauf selbst erfahren. Doch zurück zur ersten Büttenrede: „Wir waren ja noch „besatzt“. Das erzeugt nicht gerade ein Klima in der die Freiheit üppig gedeiht. So wagte ich denn auch keine Satire, noch nicht einmal eine Parodie, sondern nur eine milde Imitation von Charly Scholz. Natürlich muss ich heute nach mehr als 50 Jahren das Wenige, was ich noch behalten habe ausführlicher kommentieren als zitieren:(3) Diese Methode, der parallel zu Zitaten laufenden Schilderung, der Zeitumstände lässt sich bei meinem Thema sowieso nicht vermeiden. Ich will deshalb versuchen, sie so amüsant wie möglich zu gestalten. Mit Charly Scholz schilderte ich also am „Mikrofon“ eines der legendären Fußballspiele unserer (ich nenne sie jetzt ganz einfach wieder) Borussia gegen den 1. FC Saarbrücken. | ||||
– Ende Teil 1 – Quellenhinweise im nächsten Teil | ||||
Karlfried Müller |