Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

Die Pauluskirche 1869 – 1945 – 1953

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Die Pauluskirche, die oberste der drei Kirchen, die das Stadtbild aus Richtung Bahnhof gesehen viele Jahrzehnte prägten, wurde noch nicht 100 Jahre alt.
Die am 16.12.1869 geweihte Kirche wurde bei einem Luftangriff am 30.11.1944 schwer beschädigt. Wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner erlitt unsere Stadt am 15. März 1945 den schwersten Angriff aus der Luft. Viele Spreng- und Brandbomben verursachten die bisher schlimmsten Schäden. An diesem dunkelsten Tag in der Geschichte unserer Stadt wurde die Kirche wiederum getroffen, das Kirchenschiff stürtzte ein, der Turm mit dem rechten Flügel blieb stehen. Bald nach Kriegsende wurden die noch stehenden Mauerreste abgetragen, lediglich der Turm blieb bis Anfang 1953 stehen. Die hölzerne Turmspitze ohne Schiefereindeckung widerstand mehrere Jahre den Witterungseinflüssen. Den ursprünglichen Plan zum Wiederaufbau des Gotteshauses hat man nicht verwirklicht, weil er den verkehrstechnischen Planungen an dieser Stelle entgegenstand.
Im Februar 1953 erhielt die Bauunternehmung Franz Emmrich Söhne aus der Bürgermeister-Ludwig-Straße den Auftrag zum Abbruch des Turmes. Sie begann mit dem Aufbau eines Gerüstes und zwar eines Stahlrohr-Gerüstes, welches für die damalige Zeit ein Novum war. Tag für Tag wuchs das Gerüst, das aus einiger Entfernung sehr filigran wirkte, in die Höhe. Am 17.04.1953 hatte das Gerüst die Höhe der Turmspitze erreicht und das Kreuz, welches 84 Jahre weithin sichtbar war, wurde abmontiert und zu Boden gebracht. In müheseliger Arbeit wurde das Turm-Gebälk zerlegt und danach der Turm Stein für Stein abgetragen. Das Material und die z.T. schön behauenen Sandsteine wurden in der Sandgrube Emmrich auf der Spieser Höhe unterhalb des Judenfriedhofes gelagert.




Das Foto wurde aus einem Haus auf der Süd-West-Seite der Alleestraße aufgenommen. Der Blick geht über die Dächer der Alleestraße und des Jägerhofes. Das große Haus links der Kirche war das Haus Kunz, Oberer Markt 17 mit der Gastwirtschaft „Zur Luisenlinde“ und einem Ladenlokal, früher Lebensmittelgeschäft Model, später Tabakwareneinzelhandel Deckarm-Köster.
Das Anwesen am rechten Bildrand ist das Haus Blittersdorf, Schloßgartenweg 5, diese Straßenbezeichnung ist mit dem Bau des Rathauses untergegangen.




Blick aus der Marktstraße auf den vollkommen eingerüsteten Kirchturm. Der Giebel am rechten Bildrand gehört zum Haus Marktstr. 11, Eigentümer war der Fuhrunternehmer Richard Schleppi. Von der Reklame am Giebel ist der ausgestreckte Zeigefinger erkennbar, der auf das gegenüber liegende Maler- und Tapetengeschäft des Malermeisters Ludwig Dreher, Marktstr. 12, hinweist. Das ausgefahrene Sonnenschutz-Rollo befand sich am Haus Marktstr. 7, in dem die Firma Geschwister Wagner, Ing. Luise Schulte ein Einzelhandelsgeschäft für „Putz-, Kurz-, Weiß-, Woll- und Modewaren sowie Aussteuerartikel“ betrieb.
Von den Anwesen auf der linken Straßenseite stehen heute nur noch die Häuser Koch, Nr. 4 und Hock, Nr. 8. In dem kleinen Haus, das sich zwischen die beiden 2 bzw. 3-stöck. Nachbarhäuser duckt, betrieb Heinrich Grewenig viele Jahre einen Lebensmittel-Einzelhandel. Das betagte Haus wurde abgerissen, der Nachfolge-Neubau beherbergte lange Jahre ein Wein- u. Speiselokal, das schon eine Weile geschlossen ist.
In dem Haus Nr. 2 mit der Schloßbräu-Reklame betrieb die Wirte-Familie Koch viele Jahre die bekannte Gastwirtschaft „Zur Hopfenblüte“. Im rückwärtigen Teil des Anwesens soll sich der Ursprung der Schloßbrauerei befunden haben. Auch dieses Haus mit dem Nebengebäude und Saal mußte der Verkehrsplanung weichen.
Interessant die Beschaffenheit der Fahrbahn- und Bürgersteigflächen, die vor 46 Jahren noch gepflastert waren.




Dieses Foto Anfang der 40er Jahre, zeigt ein Motiv von Alt-Neunkirchen, das lange Jahre als „Maler-Winkel“ bezeichnetwurde.Aus dem Steinbrunnenweg geht der Blick über cher der Wohnhäuser und Nebengebäude zur Paulus-Kirche. Der Steinbrunnenweg war befestigt mit einer Schotterdecke, in der Mitte befand sich die gepflasterte Rinne. Neben den beiden Frauen ist der Steinbrunnen erkennbar, der sich damals ca. 30-40 cm über die Straßenfläche erhob und kein Verkehrshindernis darstellte.
Neben dem Haus mit den 7 Fenstern im Obergeschoß konnte man über die sog. „27 Treppchen“ in die Heizengasse gelangen. Diese Treppe, die schon die Bediensteten des damaligen Schloßherren benutzten, wurde vor einigen Jahren durch eine neue Anlage mit vielen Treppenstufen ersetzt.




Hier geht der Blick aus der Heizengasse vorbei am Kirchturm in die Schloßstraße. Auf der rechten Seite der Straße steht das Anwesen Eissel, auf der linken Straßenseite ist die Mauer erkennbar, die sich damals vom Anwesen Koch, Ecke Markt- und Schloßstraße bis zum Haus Fehrenz, Schloßstraße 3 erstreckte. Hinter der Mauer stand das bekannte, durch Kriegseinwirkungen verloren gegangene Jägermeisterhaus.




Diese von J. Birtel gemachte Aufnahme war nur von dem für den Abbruch notwendigen und aufgestellten Stahlrohr-Gerüst aus möglich und ist heute von besonderem Wert. Sie zeigt einen der aus Sandstein hergestellten 8 Wasserspeier, die am Fuße der umlaufenden Brüstung an der obersten Plattform des Kirchturmes befestigt waren. Sie dienten zur Ableitung des Regenwassers von dieser Plattform.



Schlußwort:
Aus der Geschichte der beiden großen evang. Kirchen in der Stadt.
Nach einem ursprüngl. Beschluß sollte die obere Kirche, eingeweiht am 16.12.1869, „Friedenskirche“ und die untere Kirche, eingeweiht am 14.09.1869, „Hoffnungskirche heißen. Der Volksmund jedoch sagte schlicht und einfach „Obere Kirche“ und „Untere Kirche“. Da beschloß das Presbyterium am 17.04.1931 den beiden Kirchen würdige Namen zu geben. So wurde die untere Kirche „Christuskirche“ und die obere Kirche „Pauluskirche“ benannt, Namen, die allgemein angenommen wurden.

Quelle: Festschrift zur Einweihung der Pauluskirche am 6.11.55
Text und Bilder von Werner Raber