Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

Die Polizei Neunkirchen in den ersten Nachkriegsjahren
Ein Bericht von Armin Schlicker – Teil 1 –
 
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Die Verwaltungsspitze der Stadt Neunkirchen mit dem ehemaligen Bürgermeister Knobloch (4. von rechts) und den Vertretern der Militärregierung vor dem Polizeipräsidium (Sitz der Stadtverwaltung) am 14. Juli vermutliche 1945 (französischer Nationalfeiertag).
Quelle: Stadtarchiv Neunkirchen

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Der erste Polizeichef in Neunkirchen nach Kriegsende Theodoe Trost in der Uniform eines Polizeimajors (1943).
Quelle: Heimatverein Winterbach

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Luftaufnahme vom 22. März 1945: Die Innenstadt von Neunkirchen mit einer Rauchwolke über dem brennenden Neunkircher Kaufhaus (untern rechts).
Quelle: MdI, Abt. B
Entwicklungen bei der Polizei, sowohl im organisatorischen wie auch im personellen Bereich, hängen oft mit der gesamtpolitischen Entwicklung zusammen. Die Polizei ist in der Vergangenheit, nicht nur in Deutschland, neben dem Militär oft zur Durchsetzung machtpolitischer Ziele mißbraucht worden.Veränderungen bei der Polizei müssen deshalb immer im Licht der jeweiligen politischen Epoche gesehen werden. Eine Schilderung der Geschichte der Polizei nach 1945 kann daher nicht ohne einen kurzen Rückblick auf das Geschehen vor 1945 auskommen.

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht in Deutschland gekommen waren, schalteten sie auch die Polizei gleich und politisierten sie. Noch gravierender war eine allmähliche Verschmelzung der Polizei mit der SS auf der Führungsebene. Der Reichsführer SS wurde auch Chef der deutschen Polizei, die damals zentralistisch organisiert war. SS-Führer besetzten die Schlüsselstellungen bei der Polizei. Viele Polizisten, die den Aufnahmebedingungen der SS entsprachen, wurden in die SS aufgenommen. Nach dem Wiederanschluss des Saargebietes 1935 an das Deutsche Reich vollzog sich diese Entwicklung auch bei uns. Nazi-Gegner, die nach 1933 aus dem Reich ins Saargebiet geflohen waren und hier im öffentlichen Dienst Beschäftigung gefunden hatten, und auch Einheimische, die sich im Abstimmungskampf nicht eindeutig auf die deutsche Seite gestellt hatten, wurden drangsaliert oder gleich aus dem Dienst entfernt. Ihnen blieb oft nichts anderes übrig, als ins Ausland, meist nach Frankreich, zu emigrieren.
Bei dieser Ausgangslage war es verständlich, dass die Alliierten unmittelbar nach der Besetzung Deutschlands die bestehende Polizeiorganisation, soweit man von einer solchen überhaupt noch sprechen konnte, auflösten und begannen, die polizeiliche Gewalt neu und mit unbelasteten Personen aufzubauen. Dieser Neuaufbau verlief in den einzelnen Besatzungszonen unterschiedlich. Jede Besatzungsmacht versuchte dabei in ihrer Zone das eigene Polizeisystem einzuführen.
Die Amerikaner hatten das vormalige Saargebiet Mitte bis Ende März 1945 erobert. In Neunkirchen waren sie in der Nacht vom 20. zum 21. März 1945 eingerückt. Die meisten Polizeibeamten waren auf Weisung ihrer Vorgesetzten in das verbliebene Reichsgebiet ausgewichen. Der Leiter des polizeilichen Abschnittskommandos Neunkirchen, Polizeimajor Wandel, verließ kurz vor dem Einzug der Amerikaner mit dem größten Teil seiner Beamten die Stadt(1). Der amerikanische Oberst Kelly, der mit seinen Besatzungssoldaten der kämpfenden Truppe gefolgt war, übernahm die Regierungsgewalt im Raum Saarbrücken. Er sollte eine funktionierende Zivilverwaltung aufbauen; erst im Sommer 1945 entschied sich, dass Frankreich als vierte Besatzungsmacht in Deutschland auftreten wird. Zu der französischen Besatzungszone gehörte dann auch das Gebiet des heutigen Saarlandes. Zunächst aber begannen die Amerikaner die Verwaltung mit aus ihrer Sicht vertrauenswürdigen Personen aufzubauen. Alle bekannten Nationalsozialisten wurden von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.
Im Polizeibereich drängte die Zeit. Die Besatzungsmächte hatten alle Lager mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aufgelöst. Nicht nur die aus diesen Lagern entlassenen Franzosen, sondern auch starke Gruppen aus Osteuropa stammender Freigelassener wollten nach Frankreich und nahmen dabei den Weg über den saarländischen Raum. Da die Franzosen nach dem gerade überstandenen Krieg selbst mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, verweigerten sie den Nichtfranzosen den Zutritt zu ihrem Staatsgebiet. Die Ausländern zogen in Gruppen teilweise marodierend durch das Land. Es kam zueinigen Gewaltakten gegenüber ihren früheren Peinigern. Außerdem bedienten sie sich dort, wo noch etwas zu holen war. Die amerikanische Militärpolizei schritt gegen ihre ehemaligen „Verbündeten“ nicht oder nur unzureichend ein.
Der 21. März 1945 hatte für Neunkirchen mit dem Einmarsch der Amerikaner das Ende des Krieges gebracht. Schon einen Tag später, am 22. März 45, brannte das Neunkircher Kaufhaus. Es war von freigelassenen und plündernd umherziehenden russischen Kriegsgefangenen angezündet worden. Das Kaufhaus brannte völlig aus. Zwei der Plünderer fanden in den Flammen selbst den Tod. Am gleichen Tag fertigte die amerikanische Luftwaffe Luftaufnahmen von Neunkirchen. Auf einem der Fotos sind dicke Rauchwolken über dem Neunkircher Kaufhaus zu sehen. Auf Grund dieses schwerwiegenden Ereignisses, aber auch wegen anderer schwerer Straftaten galt es zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Hinblick auf eine funktionierende Polizei sofort zu handeln.
Die Besatzungsmächte organisierten die Polizei in ihren Zonen so, wie sie es aus ihrer Heimat kannten. Für die amerikanische Besatzungszone, zu der das Saarland zunächst gehörte, bedeutete dies, dass nach einem Befehl des Chefs der Militärregierung in der US-Zone, General Bradley, in Städten und Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern kommunale Polizeien gebildet wurden.
 
    Quellenhinweise
1   Stadtarchiv Neunkirchen, Verwaltungsbericht der Stadt Neunkirchen für die Zeit vom 21. März 194 – 31. März 1947
2   Stadtarchiv Neunkirchen, wie Fußnote 1
3   Ludwig Haben, 35 Jahre „Staatliche Vollzugspolizei im Saarland“, Festschrift Landesdeligiertentag 1982 Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund
4   Verordnung der Verwaltungskommission des Saarlandes vom 15.11.1946, Amtsblatt der Verwaltungs kommission Nr. 56 vom 11.12.1946
5   Der Kreis Saarburg war neben dem Kreis Wadern und Gemeinden der Kreise Trier-Land und Birkenfeld durch Anordnung Nr. 8 des Commandant en Chef Francais en Allemagne vom 18.7.1946 – veröffentlicht im Amtsblatt des Regierungspräsidiums Saar Nr. 32 vom 9.8.1946 – dem Saarland angegliedert worden. Schon am 6.6.1947 wurden jedoch die Gemeinden des Kreises Trier und der größte Teil der Gemeinden des Kreises Saarburg wieder ausgegliedert.
6   Verfügung Landesgendarmeriedirektion des Saarlandes, Az. 1/10.03, vom 27.01.1947
7   Ludwig Haben, wie Fußnote 3
8   Stadtarchiv Neunkirchen, Kurt Wildberger „Unsere Polizei in Neunkirchen“ in Saarbrücker Zeitung, Lokalanzeiger Neunkirchen – Ottweiler vom 6.11.1956
Ende Teil 1