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Die Saargefei in Neunkirchen | |||||||||||
Von der Werkshalle zum ersten Einkaufs-Center unserer Stadt | |||||||||||
von Lothar Spengler - 1. Teil | |||||||||||
Durch widrige Umstände, die noch erwähnt werden, wurde die Produktion Ende 1935 eingestellt. Als ich mit meiner Beschreibung des Eisenwerks auf den Namen „Saargefei“ stieß, kam ich auf den Gedanken, näheres über den „geheimnisvollen Bau“ wie Gerd Meiser von der SZ schrieb in Erfahrung zu bringen. Den Namen kennen noch viele ältere Mitbürger, aber niemand kann etwas genaueres darüber sagen. Kurz vor dem Abriss der Halle, am 14. November 1979, brachte die SZ eine Anfrage. SZ-Leser enthüllen das „Geheimnis der Saargefei“. Die Überschrift lautete: „Patent entwickelt und gescheitert.“ In Griesheim nutzte man die Erfindung g.m. Neunkirchen. Die Ruine hat uns Rätsel aufgegeben, welches Geheimnis barg die Saargefei? Wir baten am vergangenen Samstag unsere Leser um „Amtshilfe“. Nachdem Recherchen bei öffentlichen Stellen wenig ergiebig waren. Wir sollten öfter unsere Leser befragen (Wir werden uns das merken!) so Meiser. Gustav Bucks von der gleichnamigen Holzgroßhandlung in Neunkirchen, konnte unter anderem Details erläutern. Er war Ende der Zwanziger, Anfang der Dreißiger Jahre Lohnbuchhalter bei diesem „geheimnisvollen Unternehmen“ gewesen. Die Saargefei sei eine Stummtochter gewesen. Sie habe sich „Gesellschaft für elektrotechnische Industrie“ genannt. Dabei mögen die Anfangsbuchstaben dieser vier Worte für die Abkürzung „Pate gestanden“ haben für das Kürzel Saargefei. Etwa 160-200 Beschäftigte habe das Werk gezählt. Direktor Beilstein sei der kaufmännische Leiter und Direktor Blatt der technische Leiter gewesen. Später taucht noch ein gewisser Direktor Deubert auf. Das Unternehmen stellte Elektroschweißgeräte her und fand bei dem Ausbesserungswerk der Reichsbahn den Hauptabnehmer. Herzstück der Gesellschaft war die Entwicklung einer Nahtschweißmaschine. Als das Patent entwickelt und marktreif war, suchte die Stumm AG einen Markt dafür. Zunächst habe die Reichsbahn vereinzelt die neu entwickelten Maschinen abgenommen. Der große Wurf jedoch schien mit einem Millionenauftrag der „Deutsch-Russischen Handelsgesellschaft“ an der Oberschmelz ins Haus zu flattern, erzählte Bucks. Die Stumm AG habe sich daraufhin um Garantien bemüht. Doch weder die Saarregierung, noch die im „Reich“ seien bereit gewesen, diese Garantien zu gewähren. Daraufhin habe Stumm gut und gerne 80 Mitarbeiter entlassen. Im Herbst 1931 habe das Unternehmen nochmals um die wichtigen Garantien nachgesucht, wieder sei ein ablehnender Bescheid gekommen, obwohl die Stumm AG ein Ultimatum gestellt und mit der Schließung des Unternehmens gedroht habe. Als dies jedoch nicht gefruchtet habe, seien die Patente an Messer-Griesheim in Frankfurt verkauft worden. Wenige Jahre später brauchte Deutschland Panzer. Den Griesheimer kam nun die „Neunkircher Erfindung“ zu gute, denn mit der Neunkircher Maschine ließen sich Panzerplatten problemlos zusammen schweißen. Messer-Griesheim machte nun das große Geschäft und in Neunkirchen war eine große Chance vertan worden. Einmal mehr zeigt sich an diesem Beispiel, dass sich die Geschichte in Variationen wiederholt. Die Stumm AG hatte damals schon den Wert der mittelständigen Industrie erkannt, und das in einer Zeit, da die Arbeitslosigkeit wie ein Schreckgespenst umging. Doch im Gegensatz zu heute, ließen sich die Regierungen nicht von der Drohung beeindrucken, Arbeitskräfte auf die Straße zu setzen und ein Unternehmen still zu legen. Wie Gustav Bucks weiter erzählte sei die Saargefei vor 1928 gegründet worden. Nach seinen Schätzungen müsste dies Anfang der zwanziger Jahre gewesen sein, soweit der Artikel der SZ vom 14.11.1979. Die Nachfrage über die Saargefei hatte ein solch großes Echo gefunden, dass das Telefon in der Redaktion der SZ nicht mehr still stand. Erinnerungen an Berufs und Kriegszeiten und andere Veranstaltungen im großen Saal dieses Industriegebäudes wurden wieder wach. So erinnert sich eine verdiente Turnerin des TUS 1860, Hedwig Wesch an eine große Turngala in den dreißiger Jahren in dem Gebäude der Saargefei. Der Eisenbahner Herbert Bieg aus Ottweiler-Fürth erzählt, dass sein Großvater, Schmiedemeister Friedrich Bieg seine Feilen dort aufbereiten ließ. Friedrich Ehrhardt aus Schiffweiler, ehedem Postamtsrat und Amtsvorsteher der Bezirkswerkstatt in Blieskastel berichtet, dass nach der Rückgliederung die deutsche Arbeitsfront im großen Saal Veranstaltungen durchgeführt hat. Er schreibt weiter, dass zur Zeit des Westwall-Baues damals die Reichspost den Bau angemietet hatte und zu einer Zentralwerkstatt umfunktioniert hatte. Die Reparaturfahrzeuge hätten von der heutigen Zulassungsstelle bis zum Eingang des Stummschen Parks gestanden. Selbst im Park hätten Fahrzeuge gestanden. Bei gutem Wetter sei sogar im Freien repariert worden. Ehrhardt ist noch heute voller Bewunderung für die Fahrer, die die „riesengroßen“ Dreiachser von der Saarbrücker Straße aus in die Saargefei gesteuert hätten, damals sei an dem Tor gerade noch eine Handbreit Platz gewesen zwischen Mauer und Bus. Wegen der Luftangriffe hatte die Post in Blieskastel Gelände gekauft und die Busse ausgelagert. Ende 1944 wurde die Halle mit großen Teilen der Werkstatt- Einrichtungen samt Postbusse zerstört. Daraufhin wurde die Werkstatt nach Speyer verlegt. Ab 1945 war dann die Retra (Regierungstransporte) Mieter der Halle, ein Unternehmen, dass der französischen Besatzung unterstand, schreibt Erhardt abschließend. Über Erinnerungen aus der Nachkriegszeit schreiben Reinfried Welker aus Illingen und Artur Dorscheid aus Neunkirchen. Welker wohnte in der Saargefei bei seinen Großeltern Jakob und Auguste Bügler. Reinfried Welker aus Neunkirchen hat eine besondere Bindung zur Saargefei. Er wohnte da bei seinen Großeltern dem Ehepaar Bügler. Der Großvater war Werkmeister. Ebenfalls wohnten in diesem Haus Obermeister Werb und Jung, erzählte Welker. Für ihn ist der Begriff Saargefei mit einem tragischen Ereignis verbunden. Welkers elfjähriger Bruder Rüdiger und das zehjährige Nachbarkind Bubi Vollmar wurden von einem LKW totgefahren als sie zum Spielen in die Villa des Direktors Puppe wollten. „Mein Bruder starb im Hüttenkrankenhaus, der Junge der Nachbarn war auf der Stelle tot“ erzählte Welker. Eine Versuchung für die Kinder während der Zeiten des Hungers waren die Obstbäume im Stummschen Park. Dort stahlen sie dann Äpfel und Birnen. Wir hatten unseren Spaß, erzählt er weiter auch von schönen Zeiten am Rande der Stadt, damals aber noch inmitten qualmender Industrieanlagen des unter Volldampf arbeitenden Neunkircher Eisenwerks. Artur Dorscheid war von 1953-1960 Leiter der Postkraftfahrzeugstelle Neunkirchen in der Saargefei. Von hier aus wurde der Busverkehr ins Ostertal und zwischen Neunkirchen - Limbach und Neunkirchen - Blieskastel verwaltet. Er erzählte weiter, dass 1960 ein Betonbrocken von der Decke fiel und einen Bus beschädigte. Daraufhin erfolgte dann etwas später die Überprüfung des Bauwerks und die fristlose Kündigung der Post Anfang 1962. Wir sind damit am Ende der SZ-Serie von 1979. Der Bauantrag des Gebäudes mit Lageplan im Maßstab 1:1250 wurde am 18.10.1923 gestellt. Unter Allgemeines werden folgende Details aufgeführt: Die ganze Anlage besteht aus drei Teilen, dem eigentlichen Fabrikbau, dem Pförtnerhaus und einem Anbau an das Fabrikgebäude. Der Fabrikbau wird mit Rücksicht auf die gesamte Länge durch eine Querdehnungsfuge in zwei Teile zerlegt, von welchem der eine 40 Meter und der andere 20 Meter lang ist. Der 20 Meter lange Teil wird unterkellert. Das Pförtnerhaus wird vom Fabrikgebäude getrennt aufgeführt. Der Anbau steht in konstruktiven Zusammenhang mit dem Fabrikgebäude. Das Fabrikgebäude wird als dreischiffige Halle ausgebildet. Soweit keine Unterkellerung erfolgt, hat das Gebäude zwei Geschosse. Im Querschnitt werden 2 konstruktiv getrennte Schiffe hoch geführt, welche oben durch ein 6 Meter breites Oberlicht geschlossen werden. In der Halle befindet ein Kran mit einer Nutzlast von 5 Tonnen. Der Antrag und der Lageplan wurden von Brettchen und Beilstein unterschrieben. (Datiert vom 18. 10.1923) Die Zeit von 1935-1945 Ab dem Jahr 1935 hatte man die Produktion dann völlig eingestellt, denn ab diesem Zeitpunkt diente die Halle nur noch größeren Veranstaltungen. Es würde den Rahmen sprengen das alles hier aufzulisten. Mein Vater war im Besitz eines Dankschreibens der Werksleitung des Eisenwerks, für seine Mitarbeit zum 100. Geburtstag von Carl Ferdinand von Stumm, welches von der Belegschaft 1936 in dieser Halle gefeiert wurde. Hiermit war die Halle damals schon keine Produktionsstätte mehr und wurde anders genutzt. Einige Termine aus den dreißiger Jahren will ich doch erwähnen. Die Saar- und Blieszeitung berichtet am 9.1.1935 in einem ganzseitigen Artikel über eine Wahlkampfveranstaltung zur Saarabstimmung in der Halle. Der Titel lautet: „11000 beim letzten Appell in Neunkirchen.“ Die Saargefei, 7000 Zuhörer fassend, reichte nicht aus, auch das evangelische Gemeindehaus und das Gesellenhaus waren überfüllt. Am 21.4.1936 auf Seite 3 schreibt die Saar- und Blieszeitung. Aus Anlass des 47. Geburtstags von Adolf Hitler wurden in der Saargefei am Oberschmelzerweg während der Feier, auch jugendliche ins Jungvolk und in die Hitlerjugend übernommen und vereidigt. Es nahmen 1600 Mädels und Jungens Aufstellung und wurden von Bannführer Eckert begrüßt. Im März des gleichen Jahres 1936, fand in der Halle die Feier zum 100. Geburtstag des Carl Ferdinand von Stumm statt, der am 30.3.1836 geboren wurde. Konzert des Reichssymphonieorchesters (SZ vom 26.09.1936) Man war überrascht von der plötzlichen Ankündigung des gestern Nachmittag stattgefundenen Konzert des NS-Reichssymphonieorchesters und von dem Besuch dieser unvorhergesehenen Veranstaltung. Nachdem Kreisleiter Karl Schäfer das im Jahre 1933 zum ersten Mal vorgestellte Orchester und die Besucher begrüßt hatte, begann das Orchester unter der Stabführung von P.G. Franz Adam mit seinem Programm. Als erstes Stück brachte man die Ouvertüre aus „Oberon“ von Weber. Es folgte dann „Les Preludes“ von Liszt. Zum Abschluss spielte das Orchester die Tannhäuserouvertüre. Das Konzert, mit den dramatischen und faustischen Spannungen, wurde zu einem tiefen Erlebnis deutscher Musik. Als Zugabe brachte man den Radetzky-Marsch in welchem der Schlagzeuger recht kapriziös am Ende eine Tsching Bumm Gebärde machte. Soweit das wesentliche über einige Veranstaltungen, die in der Halle stattfanden. Die Halle mit ihrem Fassungsvermögen von 7000 Menschen war also in dieser Zeit sehr gefragt, besonders durch die Partei. Das wird auch bis zum Anfang des Krieges so gewesen sein. Man spricht von Schauturnen, Konzerten und Kundgebungen. Auch die Rückgliederungsfeier der Saar feierte die Arbeitsfront in der Saargefei. Etwa ab 1946-49 hatte die Retra, das Kürzel steht für Regierungs-Transporte die Halle angemietet. Die Retra war ein Transportunternehmen, welches der französischen Saarregierung unterstellt war. Sie stellte mit ihren LKW’s die Versorgung der Saarbevölkerung halbwegs sicher, in dem sie Kohlen in die Pfalz fuhr und Kartoffel zurück brachte. Ab 1946 fertigten wir in meiner Lehrfirma, der Zimmerei Metzger, Zollbaracken für die Saargrenzen an. Alle Transporte zu den einzelnen Standorten machte die Retra. Ab 26.9.1949 war die Oberpostdirektion Saarbrücken Mieter der Saargefei. Dieses Mietverhältnis dauerte bis zum 18.1.1962. Aufgrund der baulichen Mängel, die eine Untersuchung ergeben hatte, hielt es die Post aus Fürsorgepflicht für notwendig, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Post über 12 Jahre ihre Kraftfahrzeugwerkstatt und das Fernmeldebauamt für den hiesigen Bereich untergebracht. Noch am 23.1.1962 schreibt der Personalrat an den Oberbürgermeister der Stadt gegen die Schließung und die Folgen einer Verlegung des Personals, etwas zu unternehmen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte die Oberpostdirektion das Mietverhältnis bereits gekündigt. Denn schon am 5.1.1961 wurde eine Überprüfung des Bauwerks vorgenommen und dabei wurden erhebliche Mängel der Standsicherheit festgestellt. Das Ergebnis wurde vom Ing. Büro Schmitt/Völklingen der Post sofort mitgeteilt. Nach umfangreichen Sicherungsmaßnahmen durch die Baufirma Hoffmann Neunkirchen, teilte die Stumm AG am 9.4.1962 der Stadt Neunkirchen mit, die Abnahme des Bauwerks vorzunehmen. Ab 1.5.1962 sollte das Gebäude wieder vermietet werden, wahrscheinlich an die Center- AG, die mit den Innenarbeiten beginnen wollte. Der Gebrauchsabnahmeschein, datiert vom 13.12.1962 besagt, dass der Ingebrauchnahme der Verkaufsräume nach der Beseitigung einiger Mängel nichts mehr im Wege steht. Daraus kann man annehmen, dass die Eröffnung des ersten Einkaufscenter unserer Stadt Ende 1962 Anfang 1963 statt gefunden hat. | |||||||||||
Fortsetzung folgt | |||||||||||
von Lothar Spengler |