Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

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Entwicklung der Verbrennungsmotoren
bis zum Großgasmotor im Eisenwerk Neunkirchen
von Dieter Schmidt – 2. Teil
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Bild: 7 Ottos erster Viertaktmotor (1876)
a Steuerwelle; b Stirnkurbel; c Antriebstange des Zündschiebers; d Gaseintritt; e Feder des Rückschlagventils in der Gaszuleitung; f,g Gaszuleitung zum Zündschieber; h Auspuffventil; i Ventilhebel; k Zugfeder; l Auspuffleitung, m Kühlwasseraustritt; n Stutzen für Schmiergefäß. Der Motor leistete 3 PS bei 180 U/min. Das Datum der ersten Inbetriebsetzung ist nicht genau bekannt; es ist wahrscheinlich auf Ende Februar bis Anfang März 1876 zu verlegen. Zeichnungen sind nicht mehr vorhanden. Der Motor steht heute im Werkmuseum der Klöckner-Humboldt-Deutz AG.

Bild 8: Der von Maybach umgebaute Viertaktmotor von 1876: Der Tauchkolben wurde durch Kolben mit Kolbenstange, Kreuzkopf und Gleitbahn ersetzt und der Motor erhielt ein gefälligeres Aussehen. Die wichtigen Teile - Steuerung des Gemischeinlasses und der Gasflammenzündung - blieben unverändert.

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Bild 9: William Barnetts Flammenzündung (1838)
a) Hahngehäuse mit Befestigungsflansch b;
c) umlaufender Hahn; d,e) Steueröffnung im Hahngehäuse; f) Steueröffnung im Hahn; g) ständig brennende Außenflamme; h) intermittierend brennende Zündflamme. Die primitive Vorrichtung ist das Vorbild für das Zündverfahren, das vor der Erfindung der Glührohrzündung und der magnetelektrischen Abreißzündung Otto und andere Erfinder jahrelang benutzt haben.

Bild: 10 Karl Benz verbesserte Summerzündung mit Zündpunktverstellung (1893)
h) Zündkerze; i) Batterie; k) Kondensator; l) Wagnerscher Hammer; m) Steuerscheibe auf der Nockenwelle; n) Kontaktstück auf m; o) Abnehmkontakt; p) schwenkbarer Halter; q) Stange zum Fahrersítz) r) früheres; ß) späteres Zünden. Der Unterbrecher liegt jetzt im Primärkreis, und die Kontaktzeiten sind gegenüber der früheren Ausführung (Bild 59) erheblich kürzer, so dass die Batterie sich weniger rasch erschöpft.

Bild 11: Benz „Contra“-Motor (1896)
g) Dampfsammler der Kühlmäntel; p) schwenkbarer Kontakthalter; t) Winkelhebel zum Steuern der Auspuffventile; v) angeflanschte Ventilgehäuse; y) Anschlüsse der Saugleitungen vom Vergaser.
Mit seinen „Contra“-Motoren (bis 20 PS) erreichte Karl Benz – wohl als erster – eine Drehzahl von 1100 U/min und eine mittlere Kolbengeschwindigkeit von 4,8 m/sec, Werte, die damals als sehr hoch galten.
Denn zur selben Zeit hatte N. A. Otto in seinen Versuchsräumen, die vom täglichen Geschehen der Fabrik streng abgeschirmt waren, wieder über der Version „seines“ Motors zu „brüten“ begonnen. Der Viertaktmotor, den er gegen Ende des Jahres 1862 nach seiner Zerstörung aufgegeben hatte, war immer sein Traum geblieben. Die Vision vom „direkt wirkenden“ Motor war, trotz aller eigenen Zweifel und Ängste, fest damit verbunden und hatte ihm keine Ruhe gelassen. Im Jahre 1876 konnte er dann endlich seinen Motor (Bild 7) fertig stellen. Dieser Viertaktmotor hat trotz aller späteren Widrigkeiten und Streitereien, als die Urversion aller heutigen Verbrennungsmotoren seine weltweite Anerkennung erfahren. Ottos Name wird wohl damit stets untrennbar verbunden bleiben. Der Versuchsmotor war mit Tauchkolben und Gabel-Pleuel versehen. Wegen möglicher Bedenken gegen diese fortschrittliche Bauweise musste Wilhelm Maybach den Motor wieder auf den bewährten außen liegenden Kreuzkopf mit „Stangenkolben“ umrüsten. Gleichzeitig passte er das Aussehen von „Ottos Neuem Motor“ (offizielle Namensgebung) dem modischen Geschmack der Zeit an, wodurch er aufs Beste für den Verkauf vorbereitet war (Bild 8).
In der Folgezeit gelang es die Motoren an die ständig wachsenden Anforderungen wie z.B.: mehr Leistung, Drehzahlgenauigkeit und höhere Bedienungssicherheit anzupassen und auch gleichzeitig die letzten Mängel zu beseitigen. Teilweise sind dabei noch Daimler und Maybach beteiligt, dessen Rolle durch das Auftreten Daimlers oft unterschätzt wird.
Doch Otto und Daimler sind zu diesem Zeitpunkt schon lange hoffnungslos zerstritten. Eugen Langen wird sogar in die Streitereien mit hineingezogen und es beginnt eine, wenn auch nur kurze Entfremdungsphase zwischen Otto und Langen. Aber im weiteren Verlauf trennt sich 1882 die Deutzer Firma von Daimler. Der Vorstand versuchte erst gar nicht den genialen Maybach in Deutz zu halten. Alle dachten, er würde Daimler auf keinen Fall alleine ziehen lassen und so folgte er Daimler dann auch wenige Wochen später. Viele Jahre nach Daimlers Tod gab Maybach zu, dass er damals gehofft hatte zum Bleiben in Deutz aufgefordert zu werden. Ihre Arbeit in dem Deutzer Werk fand damit einen Abschluss. Daimler und Maybach bleiben jedoch an der Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors und an der späteren, weltweiten Motorisierung durch das Automobil maßgeblich beteiligt.
Trotz der Eifersüchteleien und Streitereien zwischen Daimler und Otto, gab es auch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden. Doch im folgenden Falle hatten sie gemeinsam eher dem Fortschritt im Wege gestanden, so dass ein anderer (Karl Benz) seinen Nutzen daraus ziehen konnte. So hätten beide am liebsten für alle Zeit an der Flammenzündung festgehalten, die lange für die stationären Motoren in Deutz verwendet wurde.
Daimler, den Langen einige Male als einen „Dickkopf“ bezeichnet hatte, ließ sich nur nach langem Hin und Her und erst sehr spät von Maybach überreden, die elektrische Zündung anzuwenden. Otto hat sich bis etwa 1884 stets mit der Flammenzündung zufrieden gegeben, dann aber mit der Hilfe von Werner Siemens, der ihm die benötigten Teile liefern konnte, selbstständig die Niederspannungs-Abreißzündung entwickelt. Den Strom bezog er aus einem Siemens’schen Magnetgenerator, der von ihm entwickelte Abreißzünder diente 20 Jahre später als Vorbild für die Zünder der Neunkircher Großgasmotoren. Auch die als „bemerkenswert“ bezeichnete Zündanlage der Maschine „Zwei“ war nach Ottos Muster entstanden. Bild 9 zeigt die Flammensteuerung des William Barnett von 1838. Diese wurde schon in ihrer Entstehungszeit von den damaligen Fachleuten wegen ihrer Unzuverlässigkeit kritisiert. Jedoch hat sie in abgewandelter Form 21 Jahre lang den Verbrennungsvorgang von Ottos Gasmotoren eingeleitet.
Bild 10 zeigt die Schaltung und den Aufbau der von Karl Benz (1844-1929) entwickelten Zündanlage. Die Zeichnungen entstanden bei der zweiten Verbesserung der so genannten Summerzündung. Benz hatte sie anfangs von Lenoirs Motor übernommen, der damit noch bis 1876 unverändert weitergebaut wurde, doch hatte „Ottos Neuer Motor“ das Ende dieses zweifellos wichtigen Vorgängers bedeutet. Nach der ersten Überarbeitung durch Karl Benz hatte die Summerzündung immer noch den alten Nachteil besessen, dass sie Batterien in großer Zahl verbrauchte. Als Benz sich einige Zeit später mit der weiteren Verbesserung befasste, gelangen ihm weg weisende Fortschritte. Über einen Kontakt auf der steuernden Welle schaltete er den Strom im Primärkreis der Zündspule nur für den kurzen Moment des Zündvorganges ein. Dadurch verbesserte er die Standzeit der Batterie etwa um den Faktor 120. Aber Benz beschränkte sich nicht nur auf diesen eigentlich längst fälligen Umstieg, er versah auch die neue Anlage mit einer Verstellmöglichkeit, die es ihm erlaubte, den Zündzeitpunkt der jeweiligen Drehzahl des Motors anzupassen. Dass diese Art der Zündverstellung teilweise noch Anfang der 1950 Jahre in Gebrauch war, ist sicher vielen Älteren noch bekannt. Karl Benz wurde mit Otto, Daimler, Maybach und später Diesel (Zündungs- und Einspritzpumpenbau: Robert Bosch) eine der tragenden Säulen des Verbrennungsmotorenbaues in Deutschland. Er hatte mit 2 Jahren bereits seinen Vater verloren, der das Opfer einer Lungenentzündung geworden war, gegen die es damals kein wirksames Gegenmittel gab. Jedoch ermöglichte ihm seine Mutter, unter eigenen Entbehrungen, den Besuch guter Schulen. So gelang es Karl Benz später, seinen Kindheitstraum Fahrzeuge zu bauen, auch zu verwirklichen. Er hatte ebenso wie Otto den Lenoirmotor als Studienobjekt genutzt und sofort sein Augenmerk auf die Verbesserung der dort verwendeten Zündanlage gerichtet. Dadurch hatte er das Glück gehabt, einen technischen Vorsprung herausarbeiten zu können, so dass er durch die patentrechtliche Situation vom Geschäft der bereits Etablierten nicht ganz beiseite gedrückt wurde. Er kombinierte das ungeschützte Zweitaktverfahren mit seiner gut funktionierenden Zündanlage und baute dadurch kleinere und billigere Motoren als seine Konkurrenten. Als er im Jahre 1886 seinen ersten Motorwagen mit einem Viertakter antrieb, war Ottos Viertaktpatent bereits durch das Urteil des Reichsgerichts außer Kraft gesetzt worden. In Bild 11 finden wir ein weiteres Beispiel für den Innovationsdrang der Karl Benz noch im Alter von 52 Jahren innewohnte. Er selbst nannte seinen als leistungsstark bekannt gewordenen Motor mit den beiden gegenüber liegenden Zylindern, „Contra-Motor“. Die daraus abgeleitete Bauform bezeichnen wir heute als Boxer-Motor.
Erfolgte auf der einen Seite ein steigender Andrang auf stationäre Verbrennungsmotoren, so wandte sich bereits eine kleine Gruppe mobilen Kraftquellen zu, in Deutschland jedoch anfangs nur sehr zögerlich. Nur wenige in der technischen Welt, allen voran Gottlieb Daimler, waren in der Lage vorauszusehen, dass alles was bisher mit Wind-, Wasser-, tierischer oder menschlicher Kraft angetrieben wurde, nun auf einen der neuen Otto-Motoren wartete.
– Ende 2. Teil –
Dieter Schmidt