Erinnerungen an Karl Ferdinand Stumm |
zu seinem 100. Todestag |
Am
8. März dieses Jahres jährte sich zum 100. Male der Todestag des
Geheimen Kommerzienrates und Freiherrn Karl Ferdinand von
Stumm-Halberg, der von 1858 bis zu seinem Tode alleiniger Leiter der
Neunkircher Hütte, dem Neunkircher Eisenwerk, war, das er zu großer
Blüte gebracht hat. Zugleich war er aufgrund seines hohen
Steueraufkommens gemäß dem bis 1920 geltenden Dreiklassenwahlrecht auch
ein sogenanntes „geborenes“ Mitglied im Neunkircher Gemeinderat.
Außerdem war er gewählter Reichstagsabgeordneter und als solcher war er
auch im Jahre 1898 in der Bürgermeisterei Neunkirchen mit 5547 von 7151
abgegebenen Stimmen wiedergewählt worden (1). Hier aber soll nur sein
Wirken und seine Bedeutung für Neunkirchen gewürdigt werden. Unter
seiner Regie war das Neunkircher Eisenwerk zu einem Großunternehmen mit
Weltruf und er selbst zum mächtigsten Mann im Saarrevier geworden, war
er doch zugleich auch noch Teilhaber an der Halberger Hütte und auch
Aufsichtsratsvorsitzender der Dillinger Hütte (2). Wie alles in der
Welt hatte er aber bei aller Würdigung seines Schaffens auch seine zwei
Seiten. Ganz gewiss stand für ihn, und wie konnte es auch anders sein,
immer sein unternehmerisches Interesse im Vordergrund. Deshalb war er
als Unternehmer und Arbeitgeber auch ein sehr gestrenger Patriarch und
Gebieter, dem niemand in sein Geschäft hineinreden durfte. Nur so ist
es auch zu verstehen, dass er das Aufkommen jeder Arbeiterorganisation
rücksichtslos bekämpfte und unterdrückte (3). Er lebte in einem
Obrigkeitsstaat, den er auch bejahte, und das praktizierte er auch in
seinem Unternehmen. Er war hier die Obrigkeit, die allein alles regelte
und zu regeln hatte. Da war für ihn kein Platz für
Arbeiterorganisationen oder Gewerkschaften. Dennoch war er nicht einfach der rücksichtslose Ausbeuter seiner Beschäftigten, sondern ein fürsorglicher, ein sich seiner Verpflichtungen durchaus bewusster Dienstherr. Die Löhne, die er zahlte, waren die höchsten auf den saarländischen Hütten. Er baute für seine Arbeiter und Angestellten Mietshäuser, die er billig vermietete, und er baute Schlafhäuser für die Arbeiter, die von außerhalb kamen und insbesondere wegen der damals üblichen 12-Stundenschichten nicht täglich nach Hause gehen konnten. Wichtiger noch war ihm aber der Eigenheimbau seiner Arbeiter, den er sehr förderte, doch aus reiner Fürsorge heraus, immer erst dann mit einem Bauvorschuss von 4.000 Mark, wenn der Baulustige zuvor selbst 900 Mark angespart hatte. Zum Ansparen gab es dazu auf der Hütte auch eine besondere Kasse. Zur medizinischen Versorgung seiner Beschäftigten errichtete er 1873/74 auch das Viktoria-Kankenhaus, das man im Volksmund einfach nur „Hüttenkrankenhaus“ oder „Hüttenlazarett“ nannte (4). So aber, wie das Eisenwerk wuchs und wuchs, so ist daneben auch die Gemeinde Neunkirchen gewachsen, deren Nöte, die das rasante Wachstum mit sich brachte, er als Mitglied des Gemeinderates auch sehr gut kannte, und der er immer wieder mit größeren Zuwendungen die Weiterentwicklung erleichterte. Im Beschlussbuch der Gemeinde Neunkirchen ist da z. B. am 01. Juni 1896 vermerkt, dass die Gebr. Stumm sich bereiterklärt haben, zum Neubau der höheren Schule und zur Brückenerweiterung 20.000 Mark zu überweisen. Nur einen Monat später, am 08. Juli 1896, bekundete man Dank für eine Zuwendung von 20.000 Mark zu Gunsten der Gemeindekasse, für weitere 10.000 Mark für das Progymnasium und für 4.000 Mark zur Instandsetzung der Wasserleitung vom Fischkastenbrunnen zum Unterort. Auch in den folgenden Jahren erfolgten jeweils solche Zuwendungen. Stumm hat aber nicht nur immer wieder die Gemeindekasse aufgefüllt, sondern war darüberhinaus auch sonst immer wieder ein großzügiger Helfer und Spender. So wurde z. B. der Bau der Christuskirche völlig von der Familie Stumm finanziert, und zum Bau der Marienkirche hatte er 30.000 Mark beigesteuert (5). Dazu paßt auch die Meldung der Saar- und Blies-Zeitung vom 22. März 1901, wonach der Freiherr zu der in einigen Jahren anstehenden Hundertjahrfeier Stumm’scher Besitz in Neunkirchen bereits eine Stiftung beabsichtigt hatte, die alle Wohltätigkeitsanstalten der Firma für die Zukunft sichern sollte. Die Erben nun hätten bereits den ersten Schritt getan und dafür 500.000 Mark bereitgestellt. Die Stiftung solle „Karl-Ferdinand-Stiftung“ heißen. Aus dieser Stiftung ist dann einige Jahre später das heute unter Denkmalschutz stehende Karl-Ferdinand-Haus hervorgegangen. Die Gemeinde Neunkirchen hatte daher mit dem Tod des Freiherrn einen herben Verlust zu beklagen, wie das auch in dem Nachruf des Bürgermeisters Ludwig zum Ausdruck kam. Diesen Nachruf hatte er am 11. März 1901 gesprochen vor der einberufenen gemeinsamen Versammlung der Gemeinde- und Bürgermeistereiverordneten in der Aula des gerade ein Jahr zuvor eingeweihten Knabengymnasiums, dessen Bau der Verstorbene selbst gefördert hatte. In dem „Verwaltungsbericht der Bürgermeisterei Neunkirchen für 1895 bis 1903“ ist uns der Wortlaut dieses Nachrufes erhalten geblieben (1). Dort heißt es: Am 8. März 1901 verstarb der langjährige Erste Kreisdeputierte, unser hervorragender Mitbürger, der Geheime Kommerzienrat Karl Ferdinand von Stumm-Halberg, Mitglied des Reichstages, des Staatsrates und des Herrenhauses. Der ganze Bezirk, ja das deutsche Vaterland, besonders aber Neunkirchen, erlitt durch das Hinscheiden dieses seltenen Mannes einen überaus schweren Verlust, was durch die wahrhaft erhebenden großen Trauerkundgebungen in jenen Tagen so recht zum Ausdruck kam, sich aber auch seitdem immer und immer wieder fühlbar macht. Selbst politische Gegner des Heimgegangenen bekundeten an seiner Bahre ihre große Hochachtung vor seiner Person und viele derselben haben auch zwischenzeitlich seinem Wirken hohe Anerkennung gezollt. Von den zahlreichen dem Verstorbenen gewidmeten Nachrufen möge derjenige der Bürgermeisterei- und Gemeindevertretung Neunkirchen hier im Wortlaut folgen: Am 8. des Monats ist unser verehrter Mitbürger, Herr Geheime Kommerzienrat Freiherr von Stumm-Halberg, Mitglied des Deutschen Reichstages, des Preußischen Staatsrates und des Herrenhauses, aus dem irdischen Leben abberufen worden. Der Verewigte war im wahren Sinne des Wortes ein Wohltäter unserer Gemeinde, mit deren bedeutsamen Entwicklung sein Name aufs engste verknüpft ist. Die fast übergroße Beanspruchung seiner Kräfte durch seine umfassende segensreiche Tätigkeit auf den großen Gebieten der Politik und des wirtschaftlichen Lebens, auf die das weite Vaterland mit Bewunderung blickte, hat ihn nicht abgehalten, auch den Verhältnissen unserer engeren Heimat volle Aufmerksamkeit zu schenken und das Gemeinwohl aufs wirksamste zu fördern. In seiner 40jährigen Tätigkeit als Mitglied der kommunalen Vertretungskörper zeigte er für alles, was das öffentliche Wohl und Wehe berührte, das wärmste Interesse, gab er zu vielen wichtigen Maßnahmen die Anregung; sein weiter Blick, seine reiche Erfahrung und seine offene Hand halfen oft über große Schwierigkeiten hinweg; er warf das Gewicht seiner Stimme stets zum besten der Gesamtheit in die Waagschale, oft die Lösung großer Aufgaben erst durch seine persönliche finanzielle Unterstützung ermöglichend. Die umfangreichen Werke seiner Familie hat er über 40 Jahre mit wohlwollenster Rücksicht auf die Bürgerschaft geleitet, ihre große Blüte gereicht der ganzen Gemeinde zum Segen; auf ihnen fanden Tausende unserer Mitbürger auch in Zeiten geschäftlichen Niederganges das gesicherte Brot, sie alle besaßen in ihm einen wahrhaft väterlichen Freund, der unter völliger Hingabe seiner Person unausgesetzt für das geistige und leibliche Wohl aller Mitglieder seiner großen Arbeiterfamilie einschließlich der Invaliden, der Witwen und Waisen besorgt war. Jeder seiner Arbeiter war sich bewusst, dass er bei dem verehrten Werkschef sicher Hilfe in der Not und Schutz seiner Rechte fand. Seinen umsichtigen und wahrhaft arbeiterfreundlichen Maßnahmen und seiner mannhaften Bekämpfung der Feinde des Arbeiterstandes danken wir in erster Linie die mustergültige Haltung der großen Arbeiterschar und die Erhaltung des sozialen Friedens auch weit über die Grenzen unserer Gemeinde hinaus. Neunkirchens Bürgerschaft, welche stets innigen Anteil an Leid und Freud der Familie von Stumm genommen, steht tiefbewegt am Sarg des Verblichenen; sie wird auf das gesegnete Wirken ihres hervorragenden Mitbürgers und dessen Hingabe an die Heimat stets mit tiefgefühltem Danke, auf seine von der lautersten Vaterlandsliebe getragene segensreiche und ruhmvolle politische Tätigkeit alle Zeit mit berechtigtem Stolz zurückblicken. Sein Geist wird fortleben in seinen Werken und sein Andenken noch von kommenden Geschlechtern gesegnet sein. Neunkirchen, den 11. März 1901 – Der Bürgermeister – Die Beigeordneten – Die Bürgermeisterei- und Gemeinde-Vertretung Noch kurz vor seinem Tod wurde am 11. Februar 1901 im Beschlussbuch der Gemeinde vermerkt, dass von dem Herrn Geheimrat Freiherr von Stumm-Halberg „zur Erleichterung der Gemeindekasse“ 10.000 Mark einbezahlt wurden, sowie die Summe von 20.000 Mark zum Zwecke des Ausbaues des Progymnasiums zu einem Realgymnasium, verbunden mit der Zusage, auch während der folgenden 10 Jahre zu Gunsten des Gymnasiums jährlich 20.000 Mark zu spenden. Gemäß einer Eintragung im Beschlussbuch der Gemeinde Niederneunkirchen war der noch nicht geadelte Kommerzienrat Stumm schon am 16. Oktober 1880 nach Halberg in der Gemeinde Brebach übergesiedelt, wo er den größten Teil des Jahres auch verbringen würde, dass er aber eine eingerichtete Haushaltung in Niederneunkirchen weiterführen wolle. Steuerlich habe er vorgeschlagen 1/3 in Brebach und 2/3 in Neunkirchen zu zahlen, und dem habe der Gemeinderat auch zugestimmt. So kam es dann auch, dass der Verstorbene seine letzte Ruhe nicht auf dem Neunkircher Privatfriedhof der Stumms gefunden hat, sondern auf einem kleinen Friedhof beim Schloss Halberg, den er selber für sich und seine engeren Familienangehörigen dort hatte anlegen lassen. Schon bald nach seinem Tod fasste die Belegschaft des Eisenwerkes (Arbeiter und Angestellte) den Beschluss, dem Freiherrn ein Denkmal zusetzen, ein Beschluss, der auch sehr schnell verwirklicht wurde, denn schon am Sonntag, dem 30. November 1902 konnte dieses Denkmal, das Stumm-Denkmal, feierlich enthüllt werden. Ab dem gleichen Tag, so hatte es der Gemeinderat am 24. November 1902 beschlossen, trug die untere Hüttenbergstraße den Namen „Stummstraße“ (6). Das Denkmal selbst wurde in den letzten Jahren wegen notwendiger straßenbaulicher Umgestaltungen mehrmals versetzt und steht heute, wie ich meine, nicht sonderlich gut platziert am Eingang zur Stummstraße. Eine bessere Lösung wäre es wohl, wenn man es an die Stelle des doch etwas misslungenen Brunnens in die Mitte des Stummplatzes stellen würde. Dort allein sollte sein Platz sein. Es gehört in den Mittelpunkt dieses Platzes, der sich doch Stumm-Platz nennt und nicht an seinen Rand. Schließlich zehrt Neunkirchen auch heute noch von dem Erbe des Karl Ferdinand Stumm, mit dem verbliebenen Hüttenareal, dem Ensemble um den ehemaligen Wasserturm des Eisenwerks herum, das inzwischen zu einem Aushängschild für unsere Stadt geworden ist. Quellen: 1 Archiv der Stadt Neunkirchen: Verwaltungsbericht der Bürgermeisterei Neunkirchen von 1895 bis 1903 2 Krajewski, Heimatkundliche Plaudereien Band 4, Seite 35 3 wie vor, Seite 37 4 wie vor, Seite 35 5 Krajewski, Heimatkundliche Plaudereien Band 5, Seite 13 6 Krajewski, Heimatkundliche Plaudereien Band 2, Seite 33 Archiv der Stadt Neunkirchen: Beschlußbücher der Gemeinde Neunkirchen Archiv der Stadt Neunkirchen: Saar- und Blieszeitung |
Werner Fried |