Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

Familie Anschütz in Neunkirchen
Die Familiendynastie und ihre Nachfahren
  1. Teil
   Bericht von Rolf Born
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Ratsprotokoll der Stadt, Geldhauses vom 17.02.1665
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Arbeitsanweisung für Blasebälge
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Heizengasse 4, altes Pfarrhaus
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Notiz (Brief) des Georg Philip vom 4.1.1773
 












 
 „Wenn ich nochmals auf die Welt käme, würde ich wieder Schreiner werden!“ So sagte Ludwig Anschütz, der vorletzte Schreinermeister einer ganzen Dynastie von Schreinern und Balgmachern in Neunkirchen.

Doch beginnen wir weit in der Vergangenheit. Am 17. Februar 1665 wird im Ratsprotokoll der Stadt Gelnhausen Andreas Anschütz erstmals als Schreiner erwähnt. Sein Sohn war Andreas Michael Anschütz, der 1660 in Gelnhausen geboren wurde und ebenso wie sein Vater  das Schreinerhandwerk erlernte. Die Kinder des Andreas Anschütz  Johann Jakob, Maria Barbara und Johann Andreas, wanderten von Gelnhausen nach Neunkirchen.
Wahrscheinlich war wohl Johann Jakob, geb. im November 1685 in Gelnhausen, verstorben am 6. Mai 1742 in Neunkirchen der erste, der in dem Dorf Neunkirchen vor 1713 ankam. Seine beiden Geschwister folgten im später, doch können sie unter seiner Obhut auch gemeinsam angekommen sein. Er war Mitte 20, Andreas und Barbara noch Teenager.
Die Geschwister folgten wahrscheinlich dem Ruf des Grafen Friedrich Ludwig von Nassau (1680 – 1728), der für sein aufstrebendes ­Eisenwerk Balgmacher suchte. Diese Handwerker bauten Blasebälge, die zur Erzeugung von guten Eisen sehr wichtig waren: Durch die Zufuhr von Sauerstoff wird der im Roheisen enthaltene Kohlenstoff verbrannt  und aus Roheisen wird Stahl.  In dem bäuerlich geprägten Umland und in den kleinen Eisenwerken im Hochwald  arbeiteten nur wenige solche Fachleute, so dass ein echter Mangel an Facharbeitern herrschte. Das betraf auch andere Berufszweige in der Eisenindustrie, zumal die Entvölkerung durch den 30-jährigen Krieg und seine Folgekriege in der Saargegend noch nicht  wieder ausgeglichen war. Die Dörfer waren noch nicht alle wieder aufgebaut, Straßen und Wege in schlechtem Zustand, die Bevölkerung arm. Was bewog die Geschwister zu einem solch entscheidenden Schritt in ein armes Land, in eine ungewisse Zukunft?
Im Gelnhausener Hockenzunftbuch wird 1679 berichtet: „….daß hiesiger Ortt durch den letzten und dreißigjährigen Krieg der Statt äußerster Ruin und Verderbnis gesetzt worden, auch die Bürgerschaft dergestalt abgenommen, daß kaum der zehnte Theil übrig geblieben,….“. Eigentlich ähnliche Verhältnisse wie in der gesamten Saargegend. Doch lesen wir weiter:“…daß mancher arme Bürger zur Rettung seines Hauswesens nicht käuflich zu 1 Maß Korn hatt gelangen können, sondern durch ….. Branntweinbrenner uffgekauft und vertheuert worden,…“. Wir würden heute sagen, dass die Kosten der ­Lebenshaltung für viele nicht mehr bezahlbar waren. Das lässt den Schluss zu, dass auch besser gestellte Bürger sehr zu kämpfen hatten. Daher wuchsen die Kinder des Andreas Anschütz wahrscheinlich in bescheidenen Verhältnissen auf, mit begrenzten Möglichkeiten in Beruf und Familie, die sie zum ­Verlassen ihrer Angehörigen und der Heimat veranlasste.
Neunkirchen hatte 1707 gem. Haushaltsverzeichnis 215 Einwohner. Hier wird Anschütz noch nicht genannt. Also muss er zwischen 1708 und 1712 eingewandert sein, da Jakob schon 1713 in die „erste“ Gesellschaft einheiraten konnte. Er heiratete Maria Elisabeth Meyer (1691-1733) und führte sie in ein bestimmt noch bescheidenes Heim. Sie war die Tochter des ehemaligen „Bürgermeisters“ von Neunkirchen, Johann Michael Meyer, der 1665 hier geboren wurde.
Im Frongelderlass von 1730 werden die zu leistenden Steuern je Haushaltsvorstand aufgelistet, die nach dem Vermögen festgelegt wurden. Mit seinen 3 Gulden und 20 Albus zählt Jakob schon zu dem oberen Drittel der Steuerzahler. Sein jüngerer Bruder Andreas muss erst 2 Gulden und 1 Albus zahlen. Dieser heiratete 1723 Luisa Christina Meyer, die Tochter eines Kaufmannes. Achtzehn Jahre später, 1741, werden in einer Tabelle der Meierei Neunkirchen seine Vermögensverhältnisse als schlecht bezeichnet.
Über die Arbeiten von Jakob ist wenig bekannt. Er wird für das aufstrebende Eisenwerk Blasbälge gebaut und repariert haben und wie alle nachfolgenden Schreiner Anschütz für Gewerbe und Privatleute Einrichtungsgegenstände gebaut haben. Doch hat er sicher seine Kenntnisse des Windmachens auch auf seinen Sohn Christian übertragen, der sie wieder seinem Sohne Georg vermittelte. Dieser wiederum war bis er nach USA auswanderte, Unterfaktor und „Windmacher“ auf den Eisenwerken von de Dietrich im Unterelsaß. Wahrscheinlich hat Jakob auch seinem Bruder Andreas bei folgendem großen Auftrag geholfen.
Dieser war nicht nur Balgmacher, sondern auch Orgelbauer. So wurde von ihm 1732 eine Orgel in der Kirche am Oberen Markt, später Pauluskirche, über der Kanzel errichtet. Diese Kirche wurde 1727 geweiht und der damalige Superintendent Woytt gab Andreas den Auftrag u.a. zum Bau der Register mit 180 hölzernen, 250 zinnernen und 245 bleiernen Pfeifen und kostete 250 Gulden.
1761 bauten beide Brüder mit ihren Söhnen in der Heizengasse neben dem Pfarrhaus das Haus Nr. 4 das im ersten Weltkrieg durch eine Fliegerbombe zerstört wurde.
Doch was war aus ihrer Schwester geworden, die ja mit ihnen in eine neue Heimat zog? Barbara heiratete 1718 Hans Nikolaus Schwingel, einen Schmied. Ihre vier Kinder wurden in Neunkirchen geboren und wanderten 1740 mit den Eltern nach Nordamerika aus. Die zwei ältesten Kinder, 19 und 21 Jahre alt, starben kurz vor der Überfahrt, vielleicht auch während oder kurz danach. Die Nachkommen der beiden jüngeren Söhne von Barbara leben heute noch in USA.
Die beiden Brüder hatten insgesamt 24 Kinder, 11 Jungs und 13 Mädchen. 14 von ihnen waren verheiratet und deren Spuren können wir verfolgen. Wir beschränken uns hier auf Georg Philipp Anschütz geboren 1740 und dessen Nachkommen, da diese Linie bis zu dem letzten Schreinermeister Anschütz in Neunkirchen führt.
Erwähnt sei nochmals Jakobs Sohn Christian Bernhard (1725 – 1806), der mit seinem Bruder Georg Philipp 1758 die Holzarbeiten in der neuen Stengelkirche in Wellesweiler ausführte. Soweit wir aus den alten Dokumenten ersehen können, erlernten in jeder Generation immer mehrere männliche Anschütz das Schreinerhandwerk sowie das Herstellen von Blasbälgen. Sie arbeiteten häufig zusammen und unterstützten sich. In einer Notiz vom 4.1.1773 schreibt Georg Philipp: „Hir ist meine Reise beschrieben die ich zu meinem Bruter Johann Georg gedan habe. Er kam zu mir im Jahre 1771 im März daß ich solde mitt ihm gehen…..er hätte so notwendig ein Jahr Hämmer und Schmelzbelg zu machen. Ich hab es ihm versprochen, ich wollte kommen. Da sein ich zuerst auf Tribstadt und Winnweiler und Eisenberg und habe die Belg reparirt…“