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Die alte Pauluskirche vor 1866 |
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Rechnung aus dem Jahr 1888 |
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Der 1888 reparierte Blasebalg |
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Werbeflugblatt Schreinerei Anschütz |
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Georg Philipp war verheiratet mit Carolina Kirsch und hatte fünf Söhne und drei Töchter. Als er 1820 starb, hatte er seine Werkstatt schon lange an seine Söhne übergeben, von welchen Georg Christian (1780–1855) unsere beschriebene Linie weiterführt. Er heiratete 1806 Dorothea Schwendler aus dem benachbarten Wiebelskirchen. Das Paar hatte zwei Söhne, Georg Christian (1806 – unbekannt) und Johann Friedrich (1809–1850), die beide der Tradition folgend Schreiner und Blasbalgmacher waren. Johann Friedrich heiratete 1832 Katharina Karoline Wohlfahrt, deren Vater durch Erbschaften und Käufe ein recht wohlhabender Mann war. Über seine Arbeiten ist leider nichts bekannt, da viele Dokumente der Familie Anschütz durch die Zerbombung des Wohnhauses in der Heizengasse im ersten Weltkrieg und in der Hohlstraße 31 im zweiten Weltkrieg verloren gingen. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter. Karl Friedrich wurde Schreiner, sein Bruder Friedrich Christian Bäcker. Beide wurden Meister in ihrem Handwerk. Friedrich Christian wanderte 1865 nach USA aus und holte Frau und Kinder 1866 nach. Sein Nachkomme Jonathan Anschütz hat mit dem Schreiber dieser Zeilen regen Kontakt und freut sich über die Informationen zu seinen Vorfahren. Karl Friedrich heiratete 1857 Karoline Schmidt, die ihm acht Kinder gebar. Er führte die Tradition dieser alten Schreinerfamilie fort, an Neubauten, Ausbauten, Einrichtungen und Reparaturen evangelischer Kirchen und kirchlicher Gebäude mitzuwirken. Der mündlichen Überlieferung nach hat er die Holzarbeiten im Innenbereich der alten Pauluskirche 1868 sowie in der Christuskirche 1869 ausgeführt. Das Bild zeigt die alte Pauluskirche, die so bis 1866 bestand. 1888 wurde der letzte Blasbalg in der Werkstatt für das Eisenwerk repariert. Die Rechnung und ein Bild des Blasebalgs zu dieser Reparatur sind noch erhalten. Karl Friedrich starb 1906 im Stammhaus der Anschütz in der Heizengasse 4. Seine Frau Karoline folgte ihm sechs Jahre später. Sie erlebten noch, dass ihr Sohn Wilhelm als Schreinermeister in der Marktstraße einen neuen Betrieb eröffnete und sein unverheirateter Bruder Philipp die alte Werkstatt weiter betrieb. Wilhelm heiratete 1895 Maria Katharina Eisenbeis, die auch aus einer alten Neunkircher Familie stammte, die schon vor den Anschütz aus Thüringen hier einwanderten. Die Ehe blieb kinderlos, doch übertrug er sein Wissen an seinen Neffen Ludwig, den Sohn seines Bruders Ludwig, der bei ihm das Handwerk erlernte. 1906 verstarb Katharina nach langer Krankheit und Wilhelm heiratete 1912 Anna Worst aus Hassel. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Viele Unterlagen über die Familie kamen so von Wilhelm zu Ludwig Karl Anschütz (1905–1978). Nach seiner Lehre hielt es Ludwig Anschütz nicht lange in Neunkirchen und er ging, wie es damals noch üblich war, auf Wanderschaft, auf die Waltz. So zog er von Neunkirchen bis zur Nordsee und von da bis zur Schweiz. Nach fünf Jahren kam er zurück, machte seinen Meister und gründete 1930 seinen Betrieb, mit dem er 1935 in die Hohlstraße 31 umzog. Begünstigt durch den guten Namen der Schreiner Anschütz erhielt er schon 1930 den Auftrag in der Pauluskirche die Schreinerarbeiten an der zu erweiternden Orgel auszuführen. Der Orgelbauer selbst kam aus Straßburg. Er machte eifrig Reklame, um seine Frau Auguste geb. Emich und seine Kinder Dorothee(1932) und Siegfried (1933) zu ernähren. Der Krieg brach aus und Ludwig Anschütz wurde eingezogen. Seine Frau führte den Betrieb notdürftig weiter, doch bald kam Ludwig sehr krank zurück und half, so gut es ging. Sieben Wochen vor der Geburt seiner zweiten Tochter Bärbel am 4.11.1944 wurde das Wohnhaus durch eine Fliegerbombe zerstört. In einer Notunterkunft hinter dem Trümmergrundstück erlebte die Familie das Kriegsende. Ludwig und Auguste Anschütz fingen wieder bei Null an. Doch nicht genug Leid, durch einen explodierenden Leimtopf brannte 1948 die Werkstatt nieder. Mit viel Gottvertrauen, Fleiß, Durchhaltevermögen und Unterstützung aus der Verwandtschaft wurde die Werkstatt und 1953 auch das Wohnhaus wieder aufgebaut. In diese Zeit fiel auch ein wichtiger Auftrag. Die 1945 schwer beschädigte Christuskirche wurde 1948 wieder hergerichtet und Ludwig fertigte die Kanzel mit Baldachin und die Haupteingangstür. 1947 begann sein Sohn Siegfried seine Lehre im elterlichen Betrieb und war nach seiner Lehrzeit Stütze und verlässlicher Partner seines Vaters. Bei dem Neubau der zerstörten Pauluskirche 1955 am Schlossberg und später beim Anbau eines Gemeindesaales 1962/63 schreinerte er die Türen, die Wand-vertäfelung und die zehn Meter hohe Holzdecke. 1958/59 wurde auf der Scheib die Friedenskirche gebaut. Hier konnte Meister Ludwig Anschütz das Kircheninnere mit Kanzel, Bänken, Holzvertäfelung und Heizkörperverkleidungen ausgestalten. Viele Arbeiten in evangelischen Krankenhäusern, Kindergärten, Gemeinde- und Pfarrhäusern wurden von ihm und immer mehr auch seinem Sohn Siegfried durchgeführt, so auch in der evang. Kirche in Quierschied 1958 und auch die Akustikdecke im Martin-Luther-Haus 1962. Siegfried Anschütz war ebenso wie sein Vater eine stadtbekannte Persönlichkeit, allseits geachtet seines Fachverstandes und seiner Hilfsbereitschaft wegen. Er heiratete 1962 Helga Eisenbeis aus der schon genannten alten Eisenbeis-Familie. Seine Arbeiten sind in Privathäusern, Geschäften, Gaststätten, im Palottihaus und in der evang. Kirche auf dem Kohlhof zu sehen. Seine erstgeborene Tochter Annedore schenkte ihm vier Enkel, von welchen niemand das Schreinerhandwerk erlernte. Seine zweite Tochter, Christine, wurde Krankenschwester. Seine Schwester Dorothee blieb ihr Leben lang zuerst im elterlichen und später im gemeinsamen Betrieb mit ihrem Bruder Siegfried. Bärbel, die Schwester der beiden, zog mit ihrem Mann über Frankfurt nach Düsseldorf, wo auch ihre Tochter Juliane geboren wurde. Sie ist heute Sozialarbeiterin. Niemand konnte das alte Unternehmen weiterführen. So erlosch mit dem Tode von Siegfried Anschütz (1998) die Tradition der Schreiner Anschütz in Neunkirchen. Doch ein kleiner Teil bleibt, denn das Beerdigungsinstitut Anschütz gibt es noch und die Familie ist daran beteiligt. Wer weiß, vielleicht wird in einer kommenden Generation ein junger Schreiner die alte Tradition fortführen.
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