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Am 9.5.1916 erließ die Polizeiverwaltung Neunkirchen eine Verordnung über das Verhalten bei Fliegergefahr.
Darin
heißt es: Damit feindlichen Fliegern bei nächtlichen Angriffen kein
Ziel geboten wird, wird mit sofortiger Wirkung bekanntgegeben, dass bei
Fliegeralarm sofort das Abblenden der Fenster zu erfolgen hat. Die
Straßenbeleuchtung ist aus demselben Grunde bereits eingestellt. Es wird
darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht genügt, wenn lediglich die
Gardinen zugezogen werden, vielmehr ist zum mindesten noch ein
besonderer Vorhang aus dichtem Stoff zum Abblenden nötig. Auch die
Fenster der Fluren, Treppen usw. müssen mit besonderen Vorhängen
versehen werden, damit das Licht der Flur- und Treppenbeleuchtung nicht
nach außen dringt. Auch die Wirtschaften und Ladenlokale haben sich
hiernach zu richten und besondere Vorkehrungen zu einer vollkommenen
Verdunkelung zu treffen.
Der erste feindliche Flieger über
Neunkirchen warf im Laufe der Nacht vom 12. zum 13.11.1916 mehrere
Bomben ab, die jedoch in dem weichen Wiesengrunde außer riesigen
Trichtern keinen Schaden anrichtete.
Am 15.11.1916 erließ der Bürgermeister von Neunkirchen folgende Bekanntmachung:
I.
Wegen der zunehmenden Fliegergefahr ist die Verstärkung der hiesigen
freiwilligen Feuerwehr dringend geboten. Es wird daher nochmals gebeten
der Wehr auf Kriegsdauer beizutreten und sich baldigst bei
Branddirektor Gleitz zu melden.
II. Bei
unmittelbarer Fliegergefahr am Tage wird künftig die Hüttensirene fünf
mal kurz und bei Beendigung der Gefahr fünf mal kurz und ein mal lang
ertönen.
III. Beim Abwerfen von Bomben durch
feindliche Flieger ist in letzter Zeit die Wahrnehmung gemacht worden,
dass die Bomben mit stark riechenden Gasen gefüllt waren. Es empfiehlt
sich beim Abwerfen von solchen Bomben umgehend die Häuser in denen
Bomben explodiert sind, zu verlassen und erst nach Entfernung der
Sprengstücken und gründlicher Durchlüftung durch mit Schutzmitteln
versehende Rettungsmannschaften die Häuser wieder zu betreten.
Wissenswertes über Brandbomben
Da
in letzter Zeit über verschiedene Orte des Saargebietes von feindlichen
Fliegern Brandbomben in größerer Zahl abgeworfen wurden, in der
Absicht, durch entstehendes Feuer Werte zu vernichten und besonders die
eingebrachte Ernte zu zerstören, sei folgendes bemerkt.
Die
Brandbomben werden in Bündeln zu mehreren Stücken geschleudert und
entzünden sich beim Auftreffen auf harte Bedachung, die glatt
durchschlagen wird. Die vierteiligen, aus Weißblech hergestellten
Brandbomben haben eine Länge von 155 mm sowie einen Durchmesser von
23,5
mm. Am unteren Teil der kleinen Bombe ist der massive Amboss mit dem
Schlagstift, über dem sich die Patrone und das in diese eingeführte
Zündhütchen befindet. Beide Teile sind mit einer Blechhülse verbunden,
über der mit vier Flügeln ausgestattete Stabilitätskörper angeordnet
ist. Die Füllung der Patrone besteht wahrscheinlich aus Thermit. Beim
Aufschlagen der Bombe auf einen harten Gegenstand trifft der Schlagstift
das Zündhütchen, das durch eine Stichflamme die Patronenfüllung zu
Brennen bringt, was mit großer Hitzeentwicklung vor sich geht und
geeignet ist Brände zu verursachen.
Das Aufschlagen der Bombe ist nur
schwer hörbar. Die Entzündung des Zündhütchens geschieht mit Schwachem
Knall. Der Patroneninhalt kann einem Eimer Wasser gelöscht werden.
Fliegerangriffe
In
der Nacht vom 12. zum 13. November 1916 wurde das Neunkircher Eisenwerk
zum ersten Mal bombardiert. Vier Bomben fielen in unmittelbarer Nähe
der Elektrizitäts-Zentrale am Lämmerhof, ohne besonderen Schaden
anzurichten.
Der nächste Luftangriff erfolgte in der Nacht vom 27.
auf den 28.12.1916 mit zwei französischen Luftschiffen. Eines der
Luftschiffe stürzte bei erneutem Anflug auf Neunkirchen am 23.02.2010
bei Voellerdingen ab.
Ein Augenzeuge berichtet über den Angriff auf Neunkirchen folgendes:
Kurz
vor 3.00 Uhr nachts ertönte plötzlich auf dem Eisenwerk die Sirene und
meldete Fliegeralarm. Gleichzeitig warnten auch die Sirenen der nahen
Gruben, sowie diejenige der Schlossbrauerei. Doch noch ehe sich die
Arbeiter in die Unterstände begeben konnten, begann bereits das
Bombardement, das längere Zeit intensiv fortgesetzt wurde und beinahe
alle Abteilungen bestrich. Der Angriff dauerte beinahe eine Stunde und
richtete bedeutenden Materialschaden an, da die abgeworfenen Bomben eine
unheimliche Durchschlagskraft und Splitterwirkung hatten. Noch lange
Jahre nach dem Kriege konnte man in den damals bombardierten Werksteilen
die Splitterwirkung, die die starken Eisenbahnschienen und Träger wie
Siebe durchlöchert hatte, bestaunen. Außer einem Treffer in ein
Maschinenhaus im Walzwerk wurde auch die Windleitung zum Thomaswerk
zerstört, so dass der Betrieb vorübergehend stillgelegt werden musste.
Der Gegner bestrich systematisch die Werksanlagen und sogar noch darüber
hinaus das Gebiet der nahen Staatsbahn. Zwei schwere Bomben fielen auch
ins Südwerk in unmittelbare Nähe des Hauptbüros.
Der
Stahlwerksarbeiter Wilhelm Müller von Wiebelskirchen wollte sich noch im
Gebläsehaus in Sicherheit bringen, als in unmittelbarer Nähe eine Bombe
auf einen Kessel fiel. Ein Splitter traf Müller am Bein derart schwer,
dass das Bein amputiert werden musste. Ein weiterer Splitter verwundete
die Arbeiterin Katharina Steiner aus Bexbach am Rücken. Der Kranführer
Wilhelm Trautmann wurde auf dem Ofenkran an der rechten Hand verletzt.
Im Felde bereits schwer verwundet, doch wieder genesen und nun in der
Rüstungsindustrie beschäftigt, ward er an diesem Fliegerangriff so
unglücklich getroffen, dass durch die Wunde das Blut vergiftet wurde.
Nach mehreren Operationen starb er und wurde auf dem Ehrenfriedhof
begraben.
Dieser Angriff hatte gezeigt, dass man auf dem Eisenwerk
noch nicht genügend geschützt war. Es wurde sofort mit dem Bau von
weiteren und besser geschützten Unterständen in Angriff genommen. Im
Südwerk wurden die Kanalräume der alten Puddel- und Walzwerke als
Deckung benutzt. Diese Räume waren groß und geräumig und fassten
hunderte von Menschen, schützten jedoch nur gegen Splitterwirkung. Auch
wurden im Südwerk Deckungen unter den mit Blöcken gefüllten Öfen
geschaffen, die jedoch sehr zweifelhafter Natur waren. Im Nordwerk
wurden auch die Kellerräume des Eckersberger Schützenvereins als Deckung
genutzt. Außerdem wurden auch im Thomaswerk zwei neue Unterstände
gemauert, die jedoch ebenfalls nur gegen Splitter sicherten.
Eine
vollkommene Deckung bot der Unterstand im Schienenlager. Man führte im
Zickzack einen tiefen und breiten Graben durch das ganze Lager und
überdeckte ihn kreuz und quer mit schweren Schienen, dass auch die
schwerste Bombe nicht hätte durchschlagen können. So versuchte man auf
dem Eisenwerk die Arbeiter zu schützen. Doch für die verängstigte
Zivilbevölkerung standen nur die Keller in den Häusern zur Verfügung.
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