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Der nächste Fliegerangriff auf Neunkirchen fand vom 6. zum 7.7.1917 statt. Augenzeugen berichten folgende Einzelheiten:
Gegen
12.00 Uhr nachts wurde durch Ertönen der Sirene Fliegergefahr
angezeigt. Da die durch die erfolgten Angriffe auf das gesamte
Heimatgebiet die Abwehrbatterien in äußerster Feuerbereitschaft waren,
konnten die gemeldeten Flugzeuge sogleich unter verheerendes Feuer
genommen werden. Zuerst griff die Batterie von Bexbach an, dann folgte
die Flak am Ziehwald und zum Schluss setzte auch die oberhalb der
Hermannstraße stehende Batterie ein. Es war ein wahres Höllenkonzert,
und die Bewohner von Neunkirchen hatten infolge der niedergehenden
Sprengstücke und Blindgänger beinahe soviel Angst als vor den Fliegern
selbst. Ganze Dächer und Fensterläden wurden beschädigt, Äste und Zweige
von den Bäumen abgeschossen.
Der Nachtkampf hoch in den Lüften bot
aber auch wirklich ein grandioses, schauerliches schönes Bild. Überall
platzende Schrapnells, dazwischen die suchenden Lichtstrahlen der
Scheinwerfer und dabei das fortgesetzte Brüllen der Geschütze, vermischt
mit dem dumpfen Motorengeräusch der Flugzeuge.
Trotz dieser starken
Abwehr ließ der Gegner sich nicht so leicht von seinem Vorhaben
abbringen und, da er durch die Abwehrbatterien gehindert wurde, die
industriellen Anlagen zu erreichen, so warf er wahllos auf den
friedlichen Ort selbst seine Bomben ab. In der Steinwaldstraße Nr. 43
(heute Friedrichstraße), Eigentümerin Witwe Neumann, durchschlug eine
Bombe das ganze Haus und blieb im Keller ohne zu explodieren liegen.
Eine zweite Bombe fiel im selben Haus auf ein Sofa und explodierte
ebenfalls nicht. Eine dritte Bombe traf den Giebel des Hauses, riss ihn
total ein und zerstörte einen Teil des Treppenhauses. Verletzte gab es
zum Glück in diesem Hause nicht.
Im Nachbarhause Nr. 41, Eigentümer
Martin Hoffmann, sollte es leider ohne Opfer nicht abgehen. In diesem
Hause wohnte eine Familie Müller. Der Mann war pensionierter
Hüttenarbeiter und arbeitete noch in der nahen Sandgrube von Fritz
Arnold. Der Mann hatte sich gerade, als der Angriff einsetzte, zu Bett
begeben, und seine Frau war von einer Hamsterfahrt zurückgekommen. Sie
packte gerade die mitgebrachten Taschen aus, als plötzlich eine Bombe
vor dem Bett explodierte. Ein Sprengstück riss dem Mann einen Arm ab, so
dass er sogleich verblutete. Auch die Frau war auf der Stelle tot. In
den Garten neben dem Haus Nr. 33, damaliger Eigentümer Fritz Krämer,
fiel ebenfalls eine Bombe und riss mehrere Obstbäume mit den Wurzeln
heraus und schleuderte sie weit fort in eine Wiese. Eine ganze Anzahl
Bomben, zum Teil gebündelt, fiel noch in die nahe Sandgrube, jedoch ohne
zu explodieren. Die Blindgänger wurden am folgenden Tage von Pionieren
gesprengt.
Unterm 12. Juli 1917 schreibt die „Neunkircher Zeitung“ folgendes:
Unter
außerordentlich starker Beteiligung der Bevölkerung wurden gestern die
beiden Opfer des jüngsten Fliegerangriffes auf dem Ehrenfriedhof
beigesetzt. Es waren dies der pensionierte Hüttenarbeiter Friedrich
Müller und seine Ehefrau Margarete geb. Spies. Beide getöteten hatten
das 60. Lebensjahr überschritten. Sie sind die ersten Blutopfer, die die
Zivilbevölkerung Neunkirchen dem Kriegsmoloch darbringen musste. Die
ruchlose Tat war ein Verbrechen, wie der Geistliche am Grab ausführte,
mag sie in Mutwillen oder aus Unvorsichtigkeit begangen worden sein,
denn die Opfer, die sie verlangte, wohnten abseits im friedlichen Ort,
inmitten von Gärten und Feldern. Mögen es die letzten Opfer sein, die
von Neunkirchens Bürgern gefordert werden.
Da während des ganzen
Monats Februar 1918 fast täglich Angriffe auf das Heimatgebiet
erfolgten, sah sich die Behörde wegen der in der Zivilbevölkerung
allmählich um sich greifenden Gleichgültigkeit beim Abblenden gezwungen,
unterm 20. Februar 1918 abermals einen scharfen Erlass über Verhalten
bei Fliegerangriffen und richtiges totales Abblenden zu veröffentlichen.
Bei Unterlassung wurde eine Strafe von 60 Mark, Entziehung von Gas,
Wasser und Strom sowie Veröffentlichung der Namen angedroht.
(Neunkircher Zeitung)
In der Nacht vom 27. zum 28. Mai 1918 wurde
Neunkirchen abermals angegriffen. Durch gut liegendes Sperrfeuer der
Abwehrbatterien wurde der Angriff abgewiesen. Ein abgeworfener
französischer Lufttorpedo richtete keinen Schaden an. Am 13. Juni 1918
näherten sich vormittags gegen 8.45 zwölf feindliche Flugzeuge
Dillingen. Durch starkes Abwehrfeuer wurde das Luftgeschwader gezwungen
abzudrehen um im weitem Bogen als nächstliegendes Ziel Neunkirchen
anzufliegen. Zwar gelang es dem Gegner die Sperrkette im Saartal zu
durchbrechen, doch als es sich Neunkirchen und den Grubenanlagen
näherte, wurde es unter wirksames Abwehrfeuer genommen. Es gelang dem
Gegner bis dicht an die Industriegebiete heranzukommen, doch zum
Bombenabwurf kam es nicht. Nach dem dritten Angriff zog sich der Gegner
unter starker Flakabwehr in Richtung Kohlhof zurück. Besonders die
Batterie auf dem Kuchenberg setzte ihm hart zu. Großen Schaden richtete
ein zu tief explodierendes Artilleriegeschoß auf dem Brückweilerhof
an. Es gab einen Toten und zwei Verletze. Der tödlich getroffene Karl
Breit, wollte auf der Straße spielende Kinder in Sicherheit bringen. Ein
Mädchen, Ella Born, erhielt einen Splitter in die Lunge und ein Junge,
Hans Appel, eine erhebliche Beinverletzung.
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Französisches Brégnet-Bombenflugzeug fü̈r Nachtflü̈ge.
Das Flugzeug ist mit zwanzig Bomben und einem
drehbaren Maschinengewehr ausgerüstet
und geriet durch Notlandung in deutsche Hand. |
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7,7 cm Sockelflak von Krupp |
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Bombentrichter in der Adjustage |
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