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Großer Trauerzug am Hüttenberg |
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Zehntausende nahmen an den Trauerfeierlichkeiten teil |
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Die Explosionsgräber im Jahr 2003 |
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Gedenkbriefmarken an das Unglück 1933 |
Die Beisetzungsfeierlichkeiten
Am Dienstag, den 14. Februar wurden die Opfer der Neunkircher Gasometerexplosion auf dem Scheiber Hauptfriedhof beigesetzt. Bereits am frühen Morgen setzte ein lebhafter Verkehr ein. Auf dem freien Platz vor dem Bachschulhaus haben die Schreiner und Dekorateure bereits damit begonnen die Leichenwagen mit schwarzem Tuch zu umkleiden. Kurz nach acht Uhr marschierten 300 Landjäger vom Bahnhof durch die Brückenstraße. Die Häuser hatten trauerumflorte Fahnen ausgehängt. In der Notkirche Herz-Jesu fand das Requiem statt. Sie war die Pfarrkirche der Opfer von Niederneunkirchen und sie gehörte auch zu den Explosionsgeschädigten. Der gewaltige Luftdruck der Explosion hatte alle Fenster eingedrückt und das große Altarkreuz vom Postament gestürzt.
Unaufhörlich strömten weitere Besucher in die Stadt. Alles war streng geregelt. In den Seitenstraßen stellten sich die Feuerwehren der Kreise Ottweiler und St. Wendel, der pfälzischen Bezirke und aus dem restlichen Saargebiet auf. Sie bezogen ihre Posten den Hüttenberg hinauf am „Oberen Markt“ bis zum Scheiber Friedhof. Gegen 14.00 Uhr füllte sich der „Untere Markt“ mit den Gästen. Die Vereine stellten sich auf den ihnen zugewiesenen Plätzen auf. Die 48 evangelischen Pfarrer mit ihrem Generalsuperintendent Dr. Stoltenhoff aus Koblenz nahmen links von der Kanzel Platz, die 60 katholischen Geistlichen stellten sich um Weihbischof Dr. Mönch rechts neben der Kanzel auf.
Auf der mit grünen Lorbeerbäumen und Palmen geschmückten Kanzel waren fünf Lautsprecher und Empfangsgeräte für Rundfunk und Tonfilm angebracht. Auf den Dächern rings um hatten die Filmleute ihre Kameras postiert, alle Fenster waren mit Photographen besetzt. Der Südwestfunk hatte ein Fenster im alten Hause Weidig gemietet und hier stand auch der Sprecher, Dr. Laven, der über alle deutschen Rundfunksender Deutschland und die Welt an der Abschiedsfeier teilnehmen ließ.
Im Karl-Ferdinand-Haus versammelten sich die Ehrengäste, die Vertreter von Regierungen und Behörden: Bürgermeister Dr. Blank, Reichsvizekanzler von Papen mit Sohn, Reichsarbeitsminister Seldte, der französische Arbeitsminister Paganon, Freiherr von Maaß als Vertreter des Ministers Hugenberg, Graf Kageneck der Beauftragte des deutschen Exkaisers, die Minister der Regierungskommission, Botschafter von Schubert, Gräfin von Sierstorpff und die anderen Mitglieder der Familie von Stumm, der die Generaldirektoren des Neunkircher Eisenwerks, die Direktoren der anderen Saarwerke, die Vertreter der französischen Bergwerksdirektion, eine Abordnung der Stadt Straßburg mit dem ersten Bürgermeister Huber, eine Delegation der französischen Zollbeamten im Saargebiet, Delegierte aus Luxembourg und Belgien, Regierungsvertreter aus Bayern, Baden und Würtemberg sowie zahlreiche Reichstags- und Landtagsabgeordnete.
Nach den Traueransprachen von Dr. Stoltenhoff und Dr. Mönch setzte sich der Trauerzug zum Scheiber Hauptfriedhof in Bewegung. Vom „Unteren Markt ging es steil den Hüttenberg hinauf. Streng nach Konfessionen getrennt bildeten die Evangelischen die Spitze. Zwischen den Wagen der beiden Konfessionen hatte man die Vertreter der Regierungen und Behörden eingeordnet. Dann folgten die Wagen mit den katholischen Opfern. Der Vorbeizug des Trauermarsches dauerte fast eine Stunde. Auf dem Scheiber Hauptfriedhof war den Toten ein gemeinsames Grab bereitet worden, dass sich zum Teil auf den evangelischen und zum anderen Teil auf den katholischen Friedhof erstreckte. Die Beisetzungsfeier verlief ohne jede Störung. Der große ausgedehnte Grabhügel wurde über all die Jahrzehnte von der Stadtverwaltung gepflegt und in Ordnung gehalten.
Anteilnahme und Spenden
Die Tragödie von Neunkirchen fand weltweit große Anteilnahme. Bereits in der Nacht und am nächsten Tag setzte eine riesige Flut von Beileidstelegrammen und Briefen ein. Angefangen beim Reichspräsidenten von Hindenburg, der auch noch 100.000,- Mark zur ersten Linderung der Not an die Stadtkasse überwies, für die Reichsregierung schrieb der Außenminister Freiherr von Neurath an den Präsidenten der Regierungskommission, der Reichskanzler Adolf Hitler telegrafierte direkt an den Bürgermeister der Stadt Neunkirchen, Papst Pius XI hat dem Bischof von Trier sein Beileid ausgesprochen und für die Hinterbliebenen 5.000,- Mark gespendet. Der evangelische Oberkirchenrat hat der hiesigen Kirchengemeinde telegraphisch sein Beileid ausgesprochen und 3.000,- Mark zur Verfügung gestellt. Der Präsident der Regierungskommission Knox hat ein Beileidsschreiben an den Bürgermeister gerichtet und der Volkswohlfahrt einen Kredit zur Verfügung gestellt.
Auch die Länder Preußen, Bayern und Bremen haben ihre Anteilnahme ausgedrückt, dabei hat der Bremer Senat aus seinem Fond 5.000,- Mark zur Verfügung gestellt. Beileidtelegramme kamen vom Völkerbund, aus Österreich, Frankreich, Belgien, England, Spanien ja sogar aus Südamerika. Der Geschäftsträger von Guatemala veranstaltete einen zusammen mit anderen Gesandtschaften aus Südamerika einen Wohltätigkeitsball zugunsten der Opfer in Neunkirchen. Auch die Reichsbahn zeigte sich von ihrer großzügigen Seite und stellte 10.000,- Mark zur Linderung der Not zur Verfügung. Die Stadt Saarbrücken spendete 100.000,- Franken, Straßburger Bürger spendeten 10.000, Franken, gleichzeitig teilte die Stadt mit, dass sie 50 – 60 Kinder der Obdachlosen auf mehrere Wochen unentgeltlich unterhalte. Auch die Städte Berlin und Paris telegrafierten ihre Anteilnahme nach Neunkirchen. Der Exkaiser Wilhelm sandte sein Beileidstelegramm an die Gräfin von Sierstorpff.
Die Postverwaltung des Saargebietes gedachte der Opfer mit einer Briefmarkenausgabe. Am 1. Juni 1933 erschienen drei Wohltätigkeitsmarken zugunsten der Opfer des Explosionsunglücks am 10. Februar 1933 in Neunkirchen. Diese drei Marken mit dem selben Markenbild aber in verschiedenen Farben Portostufen und Zuschlagswerten zeigen die Unglücksstelle mit dem Werksgelände im Hintergrund. Die Inschrift lautet: Neunkirchen, 10. Februar 1933. Diese inzwischen recht gesuchten Briefmarken sind die einzigen Briefmarken die bisher mit einem Hinweis auf Neunkirchen erschienen sind.
Unter dem Vorsitz des Ministers Koßmann wurde ein Hilfswerk gebildet um den Opfern zu helfen. Rund 700 Personen waren obdachlos geworden. Für sie galt es schnellsten neuen Wohnraum zu schaffen. Eine neue Wohnsiedlung wurde auf Initiative der Gräfin Sierstorpff - Tochter des Karl Freiherr von Stumm – gebaut. Diese Siedlung ist heute noch unter dem Namen Explosionssiedlung bekannt. Die Häuser gehören heute zum Storchenplatz.
Die Ursache der Explosion
Die Ursachen der Explosion hat der Gewerberat Jacobi in seinem „Gutachten über die Entstehung und die Schuldfrage der Explosion des Gasbehälters des Neunkircher Eisenwerkes in Neunkirchen“ sehr detailliert und nachvollziehbar dargestellt.
Der Gasbehälter wurde durch Urkunde vom 3. Dezember 1930 vom Verwaltungsausschuss des Saargebietes genehmigt. Vorher stand an der gleichen Stelle ein anderer Gasbehälter mit einem Fassungsvermögen von 15.000 cbm.
Der explodierte Gasbehälter war ein Scheibengasbehälter von 120.000 cbm Fassungsvermögen zum Aufspeichern von Koksgas. Zur Zeit der Explosion war der Behälter mit 15.000 cbm Gas gefüllt. Der Behälter mit einem lichten Durchmesser von 48,69 m und einer Höhe von 71,5m bestand aus einem versteiften 4mm starken Blechmantel. Im Inneren befand sich eine dicht schließende, auf und ab bewegbare Scheibe. Die Dichtung dieser Scheibe gegen die Behälterwand erfolgte durch Teeröl. Oben hatte der Behälter zum Schutz gegen Regen und Schnee ein leichtes Dach. Durch einen auf den Seiten offenen Dachaufsatz stand der obere Raum des Behälters mit der Außenluft in Verbindung. Das gespeicherte Gas befand sich zwischen Behälterboden und beweglicher Scheibe. Die Gaszufuhr und die Gasabgabe erfolgten in je einem Rohr mit einem Durchmesser von 750 mm. Weiterhin war noch ein Umgehungsrohr mit einem Durchmesser von 650 mm vorhanden, das das Gaseintrittsrohr unter Umgehung des Behälters direkt mit dem Gasaustrittsrohr verband. Das Gasaustrittsrohr und das Umgehungsrohr lagen 3,7 m, das Zuführungsrohr 5m über dem Erdboden. Zur Zeit der Explosion befand sich das Umgehungsrohr außer Betrieb, da es gereinigt und ausgebessert werden sollte.
Um das Umgehungsrohr von den Gasleitungen abzusperren, war am Gaseintrittsrohr ein dort befindlicher Schieber geschlossen worden, während am Gasaustrittsrohr eine 5 mm starke Absperrscheibe, eine so genannte Blindscheibe eingezogen worden war. Nach Beendigung der Ausbesserungsarbeiten wurden die bearbeiteten Teile am Tag vor dem Unglück wieder eingebaut. Nachträglich mussten noch einige Arbeiten an dem wieder geschlossenen Umgehungsrohr ausgeführt werden. Die dazu erforderlichen Schweißarbeiten in der Nähe der Blindscheibe wurden am Unglückstag von der Frühschicht ausgeführt. Die Arbeiten sollten durch die Mittagsschicht fertig gestellt werden. Eigentlich waren nur noch drei Flanschanschlüsse zu schließen. Es stellte sich jedoch heraus, dass eine Flanschdichtung durch die vorhergehenden Reinigungsarbeiten mit Dampf schadhaft geworden war. Die Arbeiter der Mittagschicht beschlossen die Dichtung auszuwechseln.
Nach dem Öffnen der Flanschverbindung zeigte sich, dass die beiden Rohrenden eine Höhendifferenz aufwiesen, die vorher nicht aufgefallen war. Es gelang den Arbeitern weder die Flanschverbindung zu schließen noch das waagerechte Teilstück entsprechend anzuheben. Als musste das andere gebogene Teilstück abgesenkt werden. Dies verhinderte jedoch eine Rohrstütze in unmittelbarer Nähe. Die Arbeiter versuchten dann denn Bügel der Rohrstütze wegzunehmen und das Rohr direkt auf dem Stützenkopf zu lagern. Dabei stießen sie jedoch auf Schwierigkeiten Der Bügel ließ sich nicht so ohne weiteres entfernen. Dabei wurden starke Klopfarbeiten an dem Bügel durchgeführt, die sich auf dem kurzen Rohrstück sicher bis zu dem nahen Schieber fortgepflanzt haben. Als man so den Bügel nicht entfernen konnte, beschloss man den Bügel abzubrennen.
Bei diesen Arbeiten kam es zu einer Explosion im Umgehungsrohr. Diese Explosion war eine Vorexplosion, die die spätere Explosion des Gasbehälters zur Folge hatte. Herr Jakobi führte zu den Ursachen der Vorexplosion folgendes aus. Durch die starken Klopfarbeiten in unmittelbarer Nähe des Absperrschiebers kurz vor der Explosion ferner durch die Entspannung, die das anfangs schräg stehende Rohr durch das Lösen von dem höher liegenden Krümmer erfahren hatte, kann der Schieber undicht geworden sein.
Infolge dieser Undichtigkeit hat sich in dem Umgehungsrohr ein explosives Gas-Luft-Gemisch gebildet. Dieses Gas-Luft-Gemisch ist entweder bei den Brennarbeiten oder durch die Hammerschläge – hier lagen widersprechende Zeugenaussagen vor – entzündet worden.
Diese Explosion zeigte ihre Hauptwirkung nicht an der Stelle, an der sie entstanden war, sondern an der Stelle wo der Druck den geringsten Wiederstand fand. Dies war der Rohrkrümmer am Gasaustrittsrohr. Der Rohrkrümmer und die dort eingespannte Blindscheibe wurden nicht mehr aufgefunden. Durch diese Erschütterungen wurde das Gasaustrittsrohr etwa 2 m über der Austrittstelle aus dem Erdschacht abgerissen. Dadurch konnte das Gas aus dem Behälter ungehindert ausströmen.
Durch die beim Abreißen des Rohres entstandenen Funken entzündete sich dieses ausströmende Gas. Infolgedessen schlug eine gewaltige Flamme an der Außenwand des Behälters empor. Die Flamme loderte 4 bis 5 Minuten mehrere Meter breit über die volle Höhe des Gasbehälters. Durch die große dabei entstehende Hitze verdampfte das Dichtungsöl zwischen Behälterscheibe und Behälterwand. Dadurch wurde die Dichtung unwirksam und das unter Überdruck stehende Gas strömte in den nicht unter Überdruck stehenden Luftraum über der Scheibe. Das dadurch entstehende Gasluftgemisch entzündete sich an der glühend gewordenen Behälterwand und es kam zur Explosion.