Die Hohlstraße – eine der ältesten Straßen in Neunkirchen |
3. Teil |
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Bericht von Armin Schlicker
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Den Vornamen Walrad gab es schon im Hause Nassau dem Fürstenhaus zu
dessen Herrschaftsgebiet unsere Heimat gehörte. Im 17. Jh. hinterließ
Graf Wilhelm Ludwig drei Söhne, die am 31. März 1649 eine Teilung des
nassauischen Gebietes vornahmen: Johann Ludwig erhielt die Grafschaft
Ottweiler, Gustav Adolf die Grafschaft Saarbrücken und Walrad erhielt
Usingen. Walrad erlangte 1688 beim deutschen Kaiser gegen den Protest
seiner Brüder die Fürstenwürde, die später auch auf das Haus
Nassau-Saarbrücken überging (10). Von daher bestand in unserem Raum
schon eine gewisse Affinität zu diesem Vornamen.
Der Name Schmidt ist
in verschiedenen Akten aus dem 16. Jh., die Neunkirchen betreffen,
nachzuweisen. Bis zum Jahr 1611 lässt sich die Geschichte der Sippe
Schmidt/ Walrad dann aber lückenlos zurückverfolgen. In der von Dr.
Fürst veröffentlichten Kirchenrechnung (Ältestes Einwohnerverzeichnis
des ehemaligen Oberamtes Ottweiler) für das Jahr 1611 ist unter den
Einnahmen der Kirche zu Spiesen ein „Fabian Schmidt zu Neunkirchen”
aufgeführt. Noch einmal begegnen wir diesem Namen in der amtlichen
Häuserbeschreibung, die den Besitzstand für 1634, nach den für
Neunkirchen schlimmsten Jahren des 30-jährigen Krieges darlegt (11).
Unter den Unbefreiten (d.h. nicht von der Fron freien) Häusern ist dort
aufgeführt: „Welschen Webers Behausung, Schmidts Fabian selig Erben
gehörig”. Wo diese Unterkunft stand, wissen wir nicht. Dem Text nach
hatte sich hier in der Kriegszeit vorübergehend ein ausländischer Weber
niedergelassen. In dessen Hütte haben sich dann Fabians Nachkommen, die
wahrscheinlich während der Kriegswirren in die Wälder geflohen waren
und ihr altes Heim zerstört vorgefunden hatten, zunächst einrichteten.
Zwei
Jahre nach dem Westfälischen Frieden heiratete Fabian Schmidts Sohn
Hans Vollmar am 19. November 1650 in der Ottweiler Kirche Christina,
„des Schu Kuntzen Tochter”, also in eine der ältesten und reichsten
Landwirtsfamilien Neunkirchens ein, reich wenigstens für die damalige
arme Zeit. Am 7. August 1651 wurde ihr Sohn Hans Nickel geboren, der
einziges Kind blieb. Hans Vollmar ist 1665 in einer anderen
Fräuleinsteuerliste aufgeführt und zwar mit 25 Albus Umlage (1 Gulden
hatte 30 Albus). Hans Vollmar starb am 6. Dezember 1685 und drei Jahre
später auch seine Frau am 18. November. Sohn Hans Nickel hatte das von
beiden Eltern ererbte Gut schon vorher übernommen. Im Zuge der
französischen Reunionspolitik unter Louis XIV. hatten französische
Truppen unser Land Ende des 17. Jh. zeitweise besetzt (12). Eine in
dieser Zeit 1684 für den französischen König verfasste Landbeschreibung
berichtete in einer Übersetzung zu den Vermögensverhältnissen in
Neunkirchen, das halb verwüstet und verödet nur 11 Familien zählte. In
dieser Beschreibung ist auch der Hans Nickel Schmidt mit seinem
spärlichen Vermögen aufgeführt.
Hans Nickel trat nebenbei noch als
Jäger bzw. Förster in herrschaftliche Dienste am Neunkircher Schloss,
dem zeitweiligen Wohnsitz der nassauer Grafen.
Und hier beginnt nun
das Schicksal seine Fäden zu spinnen. Die gräfliche Schwester Anna
Katharina war mit dem Rheingrafen Johann Philipp zu Dhaun bei
Martinstein im Hunsrück verheiratet, so dass enge Beziehungen zwischen
Dhaun und Neunkirchen bestanden. Man besuchte sich häufig. Sicher ist
Hans Nickel Schmidt, der Jäger, auch oft mit dem Grafen nach Dhaun
geritten, denn anders wäre es nicht zu erklären, dass er sich von dort
seine Frau geholt hat. Er war schon 38 Jahre alt, als er am 16. Mai 1690
die Anna Julianna Deinert aus Dhaun zum Altar führte. Zwei Töchter und
sechs Buben schenkte ihm die Hunsrückerin.
In diesen Jahren kamen
die Dhauner Rheingrafensöhne oft nach Neunkirchen geritten, nicht allein
der Jagd wegen, sondern auch wegen ihrer Kusinen im Schloss. Der
nassauer Graf hatte nur Mädchen, der Dhauner nur Buben. So kam es dass
die Gräfin Dorothea ihren Vetter den Wild- und Rheingrafen Walrad von
Dhaun zum Manne nahm. Und dieser Graf war es, der sich, als der Storch
wieder einmal bei Hans Nickels Türe anklopfte, dem beliebten Jäger als
Pate zur Verfügung stellte. Am 15. Februar 1695 wurde Walrad Nicklaus,
einer der Söhne des Jägers in Neunkirchen getauft. Paten waren Walrad
Graf zu Dhaun, der Huf- und Waffenschmied Johann Nicklaus Schwengel, der
Hans Nickel Huartt und die Ehefrau des Neunkircher Pfarrers Eva
Margareta Beltzerin. Der Name Walrad, der etwa Kampfberater bedeutet und
außerhalb der herrschaftlichen Häuser nur selten war, prägte sich mit
dem denkwürdigen Ereignis der gräflichen Patenschaft so tief in das
Gedächtnis der Mitwelt ein, dass der Vorname bald zum Beinamen der Sippe
wurde.
Auch Hans Nickels Nachkommen blieben so kinderreich wie er.
Er starb 1734, 15 Jahre nach seiner Ehefrau, aber das Geschlecht
Schmidt-Walrad begann sich mächtig auszubreiten. Sechs Kinder waren die
Regel, in Einzelfällen stieg die Zahl auch schon mal auf elf. Der
Vorname Walrad findet sich nur noch einmal bei dem ältesten Sohn von
Hans Nickel Christoph, dem 1720 geborenen Johann Walrad, der auch Jäger
war.
Der erste Träger des Namens Walrad Nicklaus, heiratete am 1.
April 1723 die Anna Elisabeth Gräßer aus Neunkirchen, geb. am 17. April
1701, gest. am 1. November 1746 an der stechenden Krankheit
(Lungenentzündung). Nach dem Bannbuch von 1740 wohnte er in dem Haus,
das schon an der Stelle stand, wo auch das letzte Haus der Familie
später entstand. Damals war es das letzte Haus vor dem Heusnersweiher.
Die Tabelle der Meyerei Neunkirchen aus dem Jahr 1741 (13) gibt als
Größe für das gesamte Land des Walrad Nickel rund 28 Morgen an, außerdem
besaß er vier Ochsen. Sein Vermögen wird als mittelmäßig bezeichnet.
Hinzugefügt war noch, dass er 50 Gulden Schulden hatte.
Als 1736 ein
Johann Christian Russy der Witwe Anna Maria Gräßer, geb. Schäfer ein
Eheversprechen gab, unterschrieb der Walrad Nickel im Kirchenbuch als
Zeuge mit der gut lesbaren Unterschrift „Wallradt Schmidt”.
1766
übergab Walrad, der sieben Kinder hatte, an seinen am 4. April 1734
geborenen Sohn Johann Christian, der von Beruf Leinenweber und im
Nebenberuf auch Landwirt war. Er hatte am 10. Januar 1758 die Maria
Elisabeth Schley aus Wiebelskirchen, Tochter des Kirchenzensors Michael
Schley, geheiratet. Johann Christian, der auch Kirchenzensor wurde,
starb am 2. April 1804, seine Frau war schon 1783 gestorben. Nachfolger
im Eigentum waren seine Söhne Johann Adam und Wilhelm. Von dem ersteren
führt die Linie der Familie Schmidt-Walrad wie folgt weiter:
- Johann
Adam Schmidt, geb. 6. Januar 1762, gest. 25. Dezember 1833. Er war
verheiratet seit dem 12. Mai 1781 mit Susanna Catharina Wolfanger aus
Wellesweiler .
- Georg Christian Schmidt, Ackerer, geb. 15. Juli
1785, gest. 31. Oktober 1855. Er war verheiratet mit der Anna Maria
Ullrich aus Neunkirchen. Er baute 1819 das Haus in der Hohlstraße, den
Familiensitz für die nächsten 160 Jahre. Von seinem Bruder Wilhelm
Andreas, geb. 2. Juni 1791 stammt die Brauerfamilie (Schloßbräu) ab.
-
Friedrich Christian Schmidt, Ackerer, geb. 1. Mai 1816, gest. 11. April
1887 war verheiratet mit Luise Rohrbach aus Wellesweiler.
-
Friedrich Christian Schmidt, Ackerer und Wirt, geb. 21. Januar 1857,
gest. 25. Oktober 1900. Er heiratete am 21. April 1885 beim Standesamt
in Limbach die Katharina (Katche) Schott vom Bliesberger Hof bei
Limbach. Sie ist am 25. Juni 1861 geboren und am 18. Juni 1939
gestorben.
Da ihr Ehemann im Alter von 43 Jahren, also 39 Jahre vor
ihr, verstorben ist, betrieb sie die Gastwirtschaft jahrzehntelang
alleine, um sich und ihre insgesamt 9 Kinder zu ernähren. Ihr Spitzname
übertrug sich schließlich auf die Gaststätte (Walrad’s Katche). Diesen
Namen trug die Schankwirtschaft über ihren Tod hinaus bis zur ihrer
Schließung 1981 auch noch unter ihrer Tochter Emma. Bei den 9 Kindern
des Ehepaares handelt es sich um:
1. Lina Sophia Schmidt, geb. am
09.02.1886 in Neunkirchen, verheiratet mit Peter Jacob Martin
Oberhoffer, beide wohnhaft in der Talstraße.
2. Richard Andreas Schmidt, geb. am 04.05.1887 in Neunkirchen, verheiratet mit Lina
3
Emma Luise Schmidt, geb. am 16.03.1889 in Neunkirchen, unverheiratet,
sie wurde die Nachfolgerin ihrer Mutter als Wirtin der Gaststätte.
4. Ida Katharina Schmidt, geb. am 12.09.1890 in Neunkirchen,
verheiratet mit Karl Werner, Bäcker, in der Zweibrücker Straße 1.
5. Sophie Luise, geb. am 15.05.1892 in Neunkirchen, verheiratet mit Richard Schleppi, Fuhrunternehmer in der Marktstr.
6. Karl Friedrich Schmidt, geb. am 01.01.1894 in Neunkirchen, verheiratet mit Helma, beide wohnhaft in der Brunnenstraße
7. Albert Christian Schmidt, geb. am 20.08.1895, gefallen im 1. Weltkrieg
8. Frieda Maria Schmidt, geb. am 28.01. 1897 In Neunkirchen, verheiratet mit Georg Stummbillig
9.
Paul Schmidt, geb. am 20.03.1899 in Neunkirchen, Friseur, verheiratet
mit Alma Schneider aus der Georgstraße. Sie hatten eine Tochter,
Lieselotte, geb. 1940. Da beide Eltern der Liselotte früh verstorben
sind, ist sie als Waise im Haushalt ihrer Tante Emma im Stammsitz der
Sippe, in Walrad’s Wirtschaft, aufgewachsen.
Nach einem
notariellen Testament, das die Katharina Schmidt geb. Schott vor ihrem
Tod 1939 verfasste, erbte die Tochter Emma sämtliche Mobilien und hat
nach dem Tod der Mutter auch den Betrieb der Gaststätte übernommen. Sie
war lange Jahre die älteste Wirtin in Neunkirchen und weithin mit dem
Namen ihrer Mutter als „Walrad’s Katche” bekannt.
Bei den Recherchen zu dem Vortrag ist mir der Beiname der Familie Schmidt in unterschiedlichen Schreibweisen begegnet:
1. Walrad – bei der Taufe am 15.2.1695 (ev. Kirchenbuch)
2.
Wallradt Schmidt – 1736 als Zeuge mit gut lesbarer Unterschrift beim
Eheversprechen von Johann Christian Russy und der Witwe Anna Maria
Gräßer, geb. Schäfer
3. Wallrad Schmid – in der Tabell der Meyerey NK von 1741
4. Wallrad – im Artikel der STZ vom 1.2.1941
5. Wallrath – in zwei Urkunden der Schloßbrauerei 1971 + 1974
6. Wallrath – in der SZ 1971
7. Walrath – in der SZ 1974
8. Walrad – in Bernhard Krajewski: Heimatkundl. Plaudereien Nr. 4, S. 19
9. Wallrad – in Werner Raber: Scheiber Nachrichten Nr. 22/1991
Ich denke, man sollte bei der ursprünglichen Schreibweise „WALRAD” bleiben.
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Emma Schmidt als Mädchen, als junge Frau
und im reiferen Alter. Quelle: L. Klein |
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Heiratsurkunde von Friedrich Christian Schmidt
und Katharina (Katche) Schott |
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Emma Schmidt bei der Ehrung
zu ihrem 90. Geburtstag am 16. März 1979 |
Quellen: |
- 10. Kurt Hoppstädter: Die Grafschaft Saarbrücken,
in: Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes,
Band 2, S 311 f., Saarbrücken 1977
- 11. Amtliche Häuserbeschreibung von 1634,
LArchiv Saarbrücken, Bestand N-S II 2456
- 12. Hans-Walter Herrmann: Die Reunion,
in: Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes,
Band 2, S. 444 f., Saarbrücken 1977
- 13. Tabell der Meyerey Neunkircher:
LArchiv Saarbrücken, Bestand N-S II 2317
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Ende des letzten Teils |
Armin Schlicker |
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