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Geschichte der Arbeiterbewegung | |||||
Kämpfe für soziale Demokratie und Verteilungsgerechtigkeit
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von Georg Jung - 2. Teil
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Das Ende der Revolutionsbewegung an der Saar kam bereits zwei Wochen nach ihrem Beginn. Am 21. November 1918 besetzten französische Truppen das Saargebiet, sie zeigten keinerlei Interesse an unklaren Verhältnissen. Jede Zusammenarbeit mit den Räten wurde abgelehnt und deren sofortige Auflösung angeordnet. Hermann Petry bat den Ottweiler Landrat bei den Besatzungstruppen auf eine Weiterarbeit des Volksrates als beratendes Gremium hinzuwirken, aber auch das blieb erfolglos. Die Franzosen drohten mit Internierung. In den folgenden Jahren gab es immer wieder in sozialen Fragen Auseinandersetzungen zwischen der saarländischen Arbeiterbewegung und den französischen Arbeitgebern. Bei den Wahlen zum Landesrat und zu den Kommunalparlamenten dominierte das katholische Zentrum als stärkste Partei. Die Arbeiterparteien etablierten sich auf hohem Niveau, allerdings zersplittert. Die SPD erzielte zwischen 18,4% und 9,9%, während die KPD zwischen 7,5% und 23,3% lag. Gesteigerte Mitgliederzahlen und die veränderten politischen Rahmenbedingungen hatten ein deutlich gestärktes Selbstbewusstsein der saarländischen Arbeiterbewegung zur Folge. Einzelne Unternehmen hatten der Einführung des 8-Stunden-Tages 1918 zugestimmt, darunter das Neunkircher Eisenwerk und die Druckerei der Neunkircher Volkszeitung. Doch Frankreich hatte eine gesetzliche Regelung verhindert. 1919 traten die Bergarbeiter für den 8-Stunden-Tag in den Streik. Wer nicht zur Schicht kam, wurde von den Franzosen mit Verhaftung und Ausweisung bedroht. Streikführer sollten vor ein Kriegsgericht gestellt und nach Militärgesetzen abgeurteilt werden. So brach die Streikfront rasch zusammen, nachdem 21 Bergleute vor Kriegsgerichten verurteilt und etwa 400 ausgewiesen worden waren. Im April 1919 eröffnete erstmals ein deutsches Metallarbeiterverbandsbüro in Neunkirchen in der Kaiserstraße 7 (heute Pasteurstraße) seine Pforten. Im Herbst 1919 erwarb das Ortskartell der freien Gewerkschaften, von Hermann Petry, Max Meier und Heinrich Dressing geleitet, ein früher der Schloßbrauerei gehörendes Anwesen in der Hüttenbergstraße, das den Beinamen „Zur Glashalle“ trug. Mit Hilfe zahlreicher Spenden wurde es in den nächsten Monaten umgebaut und im Herbst 1921 als Volkshaus eingeweiht. Es ist neben dem Rechtsschutzsaal in Bildstock das zweitälteste Gewerkschaftshaus im Saarland, dessen Verkauf bedauerlicherweise von der alten IG-Bergbau und Energie beschlossen und nunmehr von der IGBCE 2004 auch tatsächlich umgesetzt wurde. Plünderungen und Schiebereien überzogen das Land. Die Gewerkschaften riefen am 7. Oktober 1919 zu Betriebsversammlungen im Saalbau und im Prinz’schen Saal auf. Hermann Petry, Sekretär des Bergarbeiterverbandes, und Hermann Krein, SPD, hatten Mühe, in der erregten Atmosphäre ihre Reden zu Ende zu bringen. In einer Resolution wurden u. a. strenge Maßnahmen gegen Wucherer, Schieber, für Lohnaufbesserungen und ausreichende Belieferung mit billigen Kartoffeln und Kohlen gefordert. Aber auch politische Forderungen wurden aufgestellt, beispielsweise die Aufhebung des Passzwangs und die Freilassung gefangener Vertrauensleute. Noch am selben Abend trat die Bergbelegschaft in den Streik, am nächsten Morgen setzten massive Plünderungen ein, beginnend mit dem Kaufhaus Ww. Levy in der Stummstraße. Auch dies war im ganzen Saarland gleich. Überall wurden zuerst jüdische Geschäfte geplündert. Juden wurden als Kriegsgewinnler und Wucherer schlechthin angesehen, wie es jahrelang von antisemitischen Gruppen propagiert worden war. Die Krawalle endeten erst, als französische Truppen die Hauptstraßen sperrten. Die Militärverwaltung ging mit großer Strenge vor.
Infolge des Kohlemangels wurden die Hochöfen der Stahlwerke stillgelegt. Allein Mitte März entließ das Neunkircher Eisenwerk etwa 1000 Arbeiter. Eine öffentliche Unterstützung erhielten die Betroffenen nicht. Die Streikfront hielt bis Mitte Mai 1923. Am 15. Mai wurde die Arbeit schrittweise wieder aufgenommen. In dieser Zeit gab es Wirtschaftskrisen und soziale Not. Wiederholt versuchten die Arbeitgeber die die Lasten des wirtschaftlichen Niedergangs durch Lohnkürzungen an die Beschäftigten weiter zu geben. Mitte 1921 z.B. wurden die Löhne der Hüttenarbeiter zum 1. Juni und zum 1. Juli um jeweils 5% gekürzt und zum 1. August noch einmal um 10%. Es kam zu Proteststreiks, die aber erfolglos blieben. Aufgrund anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde Ende 1924 vom Neunkircher Eisenwerk mehrere 100 Arbeitsplätze abgebaut und die Akkorde überprüft, also gesenkt. Versuche, mit Protestmaßnahmen das zu verhindern, blieben erfolglos. Angesichts der Entlassungen richtete die Stadt Notstandsarbeiten ein, beispielsweise die Kanalisierung der Blies entlang der Süduferstraße und Erdarbeiten an der Brunnen- und der Haspelstraße.
Nachfolger von Franz Melzer als Bevollmächtigter des Metallarbeiterverbandes in Neunkirchen wurde am 1. Januar 1930 Hermann Henneicke, SPD, ein gelernter Schlosser, der als Werftarbeiter in Wilhelmshaven beschäftigt war und dem dortigen Arbeiter- und Soldatenrat angehört hatte. Er gestaltete in den nächsten Jahren gemeinsam mit Hermann Petry vom Bergarbeiterverband, ebenfalls Mitglied der SPD, die Gewerkschaftspolitik in der Hüttenstadt. Dies allerdings bedeutete nicht, dass die KPD bedeutungslos geworden wäre. Die revolutionäre Gewerkschaftsorganisation RG, die Ende der 20er Jahre als eigene Gewerkschaftsrichtung der KPD etabliert werden sollte, blieb zwar insgesamt ohne großen Einfluss, konnte aber bei den Arbeiterausschusswahlen im Eisenwerk Anfang Juni 1929 auf Anhieb 12 Sitze erringen, während sich der Deutsche Metallarbeiterverband und der Christliche Metallarbeiterverband mit jeweils 5 und der Stumm’sche Gewerkschaftsverein mit 2 Sitzen begnügen mussten. 1934 – 1935 – Gemeinsam gegen Hitler Ein Ergebnis der Weltwirtschaftskrise war das Aufkommen des Nationalsozialismus, wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber dem übrigen Reich. Erstmals stellte sich die NSDAP bei den Gemeinderatswahlen im November 1929 den saarländischen Wählern und eroberte u.a. 2 Mandate im Kreis Ottweiler. Als die NSDAP 1930 bei den Reichstagswahlen hinter der SPD zur zweitstärksten Fraktion wurde, war die Situation an der Saar noch anders. Von einer schlagkräftigen Organisation, die dem katholischen oder linkspolitischen Milieu hätte Konkurrenz machen könnte, konnte keine Rede sein. Bei den Landtagswahlen 1932 erhielt die NSDAP dann 6,7% der Stimmen und zog mit zwei Abgeordneten in den Landesrat ein. In Neunkirchen warb u.a. Gustav Staebe für die Nazipartei, der zuvor in Braunschweig als NSDAP-Geschäftsführer tätig war. Nach der Wahl vom 13. November 1932 besetzten die Nationalsozialisten dann 4 Plätze im Stadtrat der Hüttenstadt und zwar mit Werner Fritz, Wilhelm Diehl, Heinrich Klinger und Kinderarzt Dr. Göbel. Am 30 Januar 1933 erfolgte in Deutschland die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Die NSDAP baute danach ihre Macht aus; KPD-Verbot, Zerschlagung der Gewerkschaften, Bücherverbrennungen und Einrichtung der ersten KZ’s sind die bekanntesten Stationen dieses Prozesses. Der Widerstand formierte sich zumeist nur in Aufrufen von einzelnen.
Wichtig aber waren die Kontakte, die der entscheidende Mann der DSVP, der Industrielle Hermann Röchling zu Hitler knüpfte. In einem Strategietreffen am 15. Mai 1933 nahmen außer Röchling auch die Deutsche Nationale Volkspartei, die bürgerliche Mitte des Zentrums und natürlich die NSDAP teil. In der Delegation des Zentrums befanden sich auch Vertreter der christlichen Gewerkschaften. An vorderster Front standen Hermann Röchling und der christliche Gewerkschaftssekretär Peter Kiefer. Es folgte die Konstituierung der deutschen Gewerkschaftsfront. In Neunkirchen war es vor allem der Sekretär der christlichen Gewerkschaft Grundmann, der den Zusammenschluss „Deutsche Front“ vorantrieb. Ende Oktober 1933 konstituierte sich in der Hüttenstadt dann die Deutsche Front als geschlossene Rechtspartei, in der mittlerweile alle verbliebenen bürgerlichen Parteien und Organisationen aufgegangen waren. Am 1. Dezember folgte der erste Auftritt der Deutschen Front im Stadtrat. Die einzig noch verbliebenen Organisationsfraktionen der SPD und der KPD zogen demonstrativ aus der Sitzung aus. So fiel an diesem Tag der Beschluss des Stadtrates, Hitler und Hindenburg die Ehrenbürgerschaft anzutragen, einstimmig aus. – Ende des 2. Teils Fortsetzung folgt |
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von Georg Jung
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