Über die erste Einwanderungen in Deutschland
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5. Teil |
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Bericht von Wolfgang Melnyk
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Im Jahre 1921 berichtet die Neunkircher Volkszeitung über ein Spende der
Firma Josef Levy Witwe in Höhe von 200 000 Mark zur Förderung des
Kleinwohnungsbaus. Im selben Jahr hat auch die Familie Herzberger 200
000 Mark zur Beschaffung von Baugelände für den Kleinwohnungsbau zur
Verfügung gestellt, nachdem bekannt geworden war, dass in Neunkirchen
790 Familien eine Wohnung suchten.
Nur wenige Jahre später kam Adolf
Hitler an die Macht und fortan waren die Juden keine geachteten
Mitbürger mehr. Bereits 1923 verkündete Hitler: Zwei Hauptfeinde habe
ich zu bekämpfen, die Juden und die Marxisten“. Seine Machtergreifung
warf ihre dunklen Schatten auch auf das noch vom Deutschen Reich
abgetrennte Saargebiet. Der immer stärker werdende Terror führte dazu,
dass einige Juden bereits vor der Rückgliederung das Land verließen.
1935 verließen viele jüdische Bürger ihre Heimatstadt. Der Textilhändler
Soesmann hatte sein Geschäft bereits 1934 abgegeben, das Schuhgeschäft
Karl Voos schloss 1935 und auch das Kaufhaus Josef Lewy Witwe gelangte
in den Besitz der Neunkircher Kaufhaus AG.
So schreibt Dieter
Wolfanger im Neunkircher Stadtbuch auf Seite 406: „In der
Synagogengemeinde Neunkirchen, die vor der Rückgliederung durch den
Anschluss der Spieser Judenschaft zunächst gestärkt worden war,
herrschte unter dem Eindruck der rasch sinkenden Zahl der
Gemeindeglieder bei den Zurückgebliebenen bald eine Panikstimmung. Hatte
es allein in Neunkirchen Mitte 1935 immerhin noch 142 Juden gegeben, so
verringerte sich deren Zahl in den folgenden Monaten so dramatisch,
dass die zuständigen Gremien der Synagogengemeinde befürchteten, ihren
Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können und am 18.
September 1936 den Verkauf der Synagoge beschlossen, wozu es dann
allerding nicht mehr kam. Da aber Vorstand und Repräsentantenversammlung
infolge der weiteren Abwanderung ihre Handlungsfähigkeit verloren,
wurde auf ihren Antrag hin Ende März 1936 der ehemalige Kantor Nathan
Heinemann zum kommissarischen Verwalter bestellt.
Ein weiterer
Schritt der Neunkircher Judenschaft, um als Gemeinde zu überleben,
bestand darin, dass sich die Synagogengemeinden Neunkirchen, Illingen
und Merzig zusammenschlossen und sich am 25. November 1936 das Statut
der Vereinigten Synagogengemeinde gaben. Wahrscheinlich infolge des
Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusgemeinden vom
März 1938, das den Synagogengemeinden den öffentlich rechtlichen Status
entzog, zerfiel die neue Gemeinde wieder in ihre Teile.“
Eine neue
Phase der Judenverfolgung in Deutschland wurde mit der so genannten
Reichskristallnacht eingeleitet. Das Attentat eines jungen polnischen
Juden auf einen deutschen Diplomaten in Paris wurde von den
Nationalsozialisten zum Anlass genommen, planmäßig und gezielt jüdische
Geschäfte und Büros zu plündern und Synagogen in Brand zu stecken. Die
folgenden Übergriffe bezeichnete Reichsminister Goebbels als spontane
Reaktion des deutschen Volkes. Mitglieder der SA und des NSKK – des
nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps zeigten sich bei diesen
Aktionen in vorderster Linie.
Ein Großteil der Informationen über
die Zerstörung der Synagoge wurde den Aufzeichnungen eines Vortrages
„Die Reichspogromnacht in Neunkirchen und der Prozess gegen die
Brandstifter“ von Markus Krämer, gehalten am 31.10.1988 in der
Kreisrealschule Neunkirchen entnommen.
In den frühen Morgenstunden
des 10. November 1938 wurde der NSKK-Führer alarmiert und beauftragt
sofort weitere Mitglieder des NSKK zu benachrichtigen, dass auf dem
Oberen Markt anzutreten sei. Der NSKK-Sturmführer beauftragte einzelne
Männer seiner Formation mit der Verhaftung jüdischer Mitbürger, nachdem
er ihnen gesagt hatte, wegen der Ermordung des Gesandten von Rath sei
eine Großaktion im Gange, die Synagoge müsse weg und die Juden sollen
verhaftet werden. Die NSKK-Männer begaben sich in die Heizengasse um das
jüdische Ehepaar Herz zu verhaften.
Herr Herz hat 1947 die Umstände
seiner Verhaftung detailiert geschildert: „In der Nacht gegen 5 Uhr
morgens wurde meine Wohnung durch drei Nazibanditen aufgebrochen und
demoliert. Meine Frau und ich wurden aufgefordert aufzustehen. Die drei
Nazis hatten es nicht einmal für nötig befunden, das Zimmer solange zu
verlassen, bis meine Frau sich angekleidet hatte.“
Nachdem die
Geschäftseinrichtung teilweise zerstört war, wurde das Ehepaar Herz von
den NSKK-Männern dann auf das Polizeipräsidium Neunkirchen gebracht.
Unterwegs wurde Frau Herz geschlagen. Der Hinweis von Herrn Herz auf
seine hohen Kriegsauszeichnungen nützte nichts. Auf dem Polizeipräsidium
schaltete sich sofort die Gestapo ein, die den Weitertransport der
Verhafteten nach Saarbrücken veranlasste.
In der selben Nacht wurde
noch das jüdische Geschwisterpaar Meyer, ein jüdischer Bergmann und der
„Judengünstling“ Fritz Ruffing verhaftet.
Zur gleichen Zeit versuchte
der NSKK-Sturmführer mit dem größten Teil seiner Leute in die Synagoge
einzudringen, um diese zu zerstören. Die Eingangstüre hielt den
Axthieben jedoch stand. Mittlerweile waren andere NSKK-Männer durch die
Seiteneingangstüre in die Synagoge eingedrungen und zerstörten
systematisch das Inventar. Da die Synagoge bereits seit 14 Tagen ohne
Strom war, wurde der Fahrer der städtischen Kehrmaschine aufgefordert,
mit dem Scheinwerfer der Kehrmaschine das Innere der Synagoge
auszuleuchten. Wegen des großen Lärms in der Synagoge wurden die
unmittelbaren Nachbarn wach. Frau Roth ging entschlossen auf die Straße
und stellte den Ortsgruppenleiter zur Rede. Dieser beruhigte sie jedoch
mit den Worten „ihrem Haus werde nichts geschehen.“
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Jüdische Zeitung 1865 |
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Einkaufstüte Kaufhaus Levy Wwe. |
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Ausgebrannte Synagoge 1938
(Archiv Schwenk). |
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Ende des 5. Teils, Fortsetzung folgt
Text: Wolfgang Melnyk
Quellenangaben folgen im letzten Teil |
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