Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

 Neunkircher Kaufhaus Joseph Levy Wwe.
 Vom Kaufhaus alter Tradition zu modernen Shopping-Centern
  1. Teil
   Bericht von Dr. Horst Wilhelm
 
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Lageplan der jüdischen Geschäfte
in der Stummstraße
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Bescheidener Beginn in Dudweiler
Quelle: Stadtarchiv Neunkirchen Saarbrücker zeitung vom 25.11.1928
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Werbeprospekt der Firma Levy damals noch Hüttenbergstraße,
die erst 1902 zur Stummstraße wurde. Quelle: Stadtarchiv Neunkirchen
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Kaufhaus Levy
 das auf mehrere Gebäude verteilt war
Quelle: Archiv HVSN
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Hauptgebäude des Kaufhauses Levy
Quelle: Archiv HVSN
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Stummstraße Blickrichtung Hüttenberg
Quelle: Archiv HVSN
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Lageplan der Synagoge am Oberen Markt
Quellenangaben:
1) Zeitschrift Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. 32, 1884: Arbeiterzahlen auf den o. g. Gruben: Dudweiler 3472, Altenwald 2662, Friedrichthal 1563, Reden 3304, Heinitz 3094, König 2088
2) Stadtarchiv Neunkirchen: Saarbrücker Zeitung Nr. 322 vom 25. 11. 1928
 
Großkaufhäuser, Warenhäuser, Einkaufscenter sind die modernen Kathedralen, die die Menschen in Massen anziehen. Der Begriff „Einkaufen“ hat dabei eine völlig neue Bedeutung erhalten. In früheren Zeiten setzte der mit Bedacht erstellte Einkaufszettel die Grenzen des Einkaufens, was rationell erledigt wurde. Heutzutage, wo man das Einkaufen „Shoppen“ nennt, lässt man sich Zeit. En passant kann man ja auch noch windows-shopping machen, dazwischen einen Kaffee trinken, Kontakte pflegen, ein Eis schlürfen, ein Restaurant besuchen, sich ein bisschen ausruhen.

All dies ist möglich geworden durch die Etablierung von Einkaufscentern, die die früheren Kaufhäuser ergänzt bzw. nach dem Vorbild der amerikanischen Malls oder der britischen Promenades ersetzt haben. Dabei zeigt sich gerade auch in Neunkirchen, dass das Kaufhaus in der alten Tradition nicht überflüssig geworden ist. Die hier stattgefundene Symbiose zwischen Kaufhaus alter Tradition und modernem Shopping-Center scheint gelungen zu sein. Dessen saarländischer „Urvater“, der wahrscheinlich aus Illingen stammende jüdische Handelsmann Joseph Levy, hatte vor nunmehr 160 Jahren den ersten Schritt zur Gründung eines solchen Großkaufhauses getan. Diese Herkunft aus Illingen ist im Familienbuch Illingen/ Gennweiler von Hugo Gerber allerdings nicht nachweisbar.
 
Das Kaufhaus Joseph Levy...
– und seine Bedeutung für die Arbeiterschaft des Kohle- und Stahllandes an der Saar-
Das Gründungsjahr fällt in die Anfangszeit des rapide ansteigenden industriellen Kohleabbaus und der expandierenden Eisen- und Stahlindustrie an der Saar. Die Folge dieser Entwicklung war eine schnell wachsende Zahl von Arbeitern, die vornehmlich aus den nördlichen, landwirtschaftlich geprägten, Gebieten zuwanderten. Diese hatten sich – zumeist nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einem der zahlreichen „Schlafhäuser“ – in neuen Siedlungen im Umkreis der an der Bahnstrecke nach Saarbrücken entstehenden Bergwerke Dudweiler, Jägersfreude, Hirschbach, Mellin,  Altenwald, Maybach, Reden, Itzenplitz, Heinitz oder Dechen, sowie dem Neunkircher Eisenwerk im eigenen Haus ansässig gemacht. Sie hatten dabei vom Prämienhaus-Programms“ des damaligen Bergamtsdirektors Leopold Sello profitiert.1

Die Existenz dieser neuen industriellen Anlagen sorgte während mehr als 150 Jahren durch gesicherte Arbeitsplätze und regelmäßiges Einkommen im Land für eine gewisse Prosperität. Diese führte bei den zu Bergleuten und Eisenwerkern gewordenen ehemaligen Bauernsöhnen neben dem eigenem Hausbesitz zu einem stärkeren Selbstbewusstsein und einem neuen Lebensgefühl, trotz mancher, durch den „Kulturwechsel“ bedingten Unbilden. Bisher nie gekannte Probleme im neuen Leben mussten bewältigt werden. Zum Beispiel die schnell auftretenden „Bergschäden“ an den neuen Häusern, die Lohnstreitigkeiten mit der Grubenverwaltung, die „Maulkorbpolitik“ der Grubenverwaltung, die unbotmäßige Bergleute in Beleidigungsprozesse verwickelte und mit „Ablegung“ drohten. So war es dem Vorsitzenden des „Rechtsschutzvereins“, dem Bergmann Nikolaus Warken, genannt „Eckstein“, ergangen. Er hatte um „Freiheit, Brot und Gerechtigkeit“ und konkret um den 8-Stunden-Tag im Bergbau gekämpft und wegen seiner kämpferischen Einsätze schließlich seinen Job verloren. Ähnlich handelte auch der Eigentümer des Neunkircher Eisenwerkes Karl Ferdinand Stumm. Die Gerichte standen dazumal stets auf der Seite der „Herren“ – und das waren insbesondere Grubenchefs und der oberste Bergbauchef an der Saar, Hilbich und eben Stumm. Und selbst die Presse hatte häufig mit Strafandrohung einen „Maulkorb“ verpasst bekommen, wie das Beispiel des Chefs der Neunkircher Zeitung Ludwig Lehnen zeigt, der mehrere Male wegen seiner kritischen Berichte mit einer Geldstrafe belegt wurde.
Immerhin! Der Neu-Bergmann und der Hüttenmann hatte sein regelmäßiges Einkommen – zum ersten Mal in seinem Leben. Wenn auch ein Großteil davon zur Abzahlung des Hausbau-Darlehns wegging. Die Ehefrauen konnten in den neuen gemeinnützigen Konsum-Läden Waren für den Alltagsbedarf einkaufen. Neu war, dass man auch preiswerte Manufakturwaren wie Wohnungsausstattung und Wäsche, sowie Konfektions-Kleidung kaufen konnte.
 
Neue Kleider braucht der Mensch
Bislang wurde in den Arbeiterhäusern Kleidung zumeist als „Eigenproduktion“ auf der eigenen Nähmaschine – eine der wichtigsten Anschaffungen in jungen Haushalten – hergestellt. In der Regel half dabei ein „Hausschneider“, der während mehrerer Tage bei freier Kost Schneiderarbeiten verrichtete. Hemden – sogenannte „Schmisettscher“ (vom franz. Chemisette) – und der Hochzeit-Frack (vorne kurz, hinten lang) wurden beim Schneider in Auftrag gegeben. Der Zylinder – (Chapeau claque) – wurde bei der Hutmacherin erstanden. Beides war Pflicht für alle Sangesbrüder – und das waren fast alle Bergleute und Eisenwerker. Und es gab viele Feste, zu denen man seine „gudde Kläder“ mit Stolz trug. Die Grubenverwaltung bot den jungen Ehefrauen neben Kochkursen auch Kurse zum Schneidern an, die stets gut besucht wurden. Den mit festem Einkommen steigenden Bedarf an Arbeits-, Alltags- und Festkleidung ausnutzend war für zahlreiche pfiffige Kaufleute Anlass zur Gründung von Kaufhäusern mit „Rund-um“-Angeboten. Angesichts der neuen Einwohnerzahlen (1875) in den 16 Grubenstandort-Dörfern zwischen Dudweiler und Friedrichsthal-Maybach und von Göttelborn über Reden und Kohlwald bis Neunkirchen von rund 18.000 Beschäftigten im Bergbau und dem Eisenwerk, schienen Investitionen für Voll-Sortiment-Kaufhäuser lohnenswert zu sein.
 
Joseph Levy ergriff die Chance
Der aus Illingen stammende Kaufmann Joseph Levy ergriff die Chance und gründete im Jahr 1853 zusammen mit seiner Frau Sarah geb. Levinger in Dudweiler ein „Manufaktur-Waren-Geschäft“ – zunächst, lt. Saarbrücker Zeitung noch „ein recht bescheidenes Unternehmen in einem kleinen (einstöckigen) Häuschen, das sich  jedoch schon bald als zu klein erwies..…Der Ankauf des größeren Nachbarhauses stellte bereits den ersten Anlauf dar zu dem ständigen Aufschwung der Firma bis zu ihrer heutigen Größe und Bedeutung.“2
 
Josef Levy Wwe.
Nach dem Tod des Gründers Josef Levy im Jahr 1873 übernahm seine Witwe zusammen mit ihren Söhnen Gustav und Lazarus die Leitung der Firma, die sie unter dem Namen Josef Levy Wwe. weiterführte. Die positive wirtschaftliche Entwicklung im damaligen Saargebiet erlaubte der Firma schließlich, sich auch auf andere Landesbereiche auszudehnen.
 
Die Großfamilie Levy
Stammfamilie:
Joseph Levy oo Sara Levinger
Söhne:
Gustav oo Clementine geb. Herzberger;
Lazarus
Geschwister von Clementine Herzberger
Else – Julius – Alfons - Hermann
Letzter Chef der Firma:
Arnold Levy, Sohn von Gustav u. Clementine





















Ende des 1. Teils,
Fortsetzung folgt
Dr. Horst Wilhelm