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Neunkirchen und seine Straßen | ||||||||||||||
Geschichte und Herkunft der Grubenstraße
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von Armin Schlicker
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Armin Schlicker vom Historischen Verein Stadt Neunkirchen trägt zur Zeit Informationen über Straßen, Plätze und Brücken in Neunkirchen zusammen. Er hat bisher 980 Straßennamen festgestellt, die in den letzten ca. 150 Jahren in Neunkirchen und seinen Stadtteilen Verwendung fanden. 569 dienen gegenwärtig der Orientierung in der Stadt, der Rest sind frühere Namen oder volkstümliche/inoffizielle Bezeichnungen für Straßen und Wege. Straßennamen gibt es in Neunkirchen seit der 2. Hälfte des 19. Jh. Einzelne Straßen hatten schon bis zu fünf verschiedene Namen. Alleine an den Namen verschiedener Straßen kann man die Geschichte der Stadt und der Region nachvollziehen. Schlicker erwähnt zu jeder Straße alle früheren Namen, einschließlich volkstümlicher Bezeichnungen, ihre Lage und ihren Verlauf, gibt Auskunft zu ihrer Geschichte und zur Herkunft des Straßennamens, beschreibt in der Straße vorhandene öffentliche oder sonst bedeutsame Gebäude und Einrichtungen und gibt Informationen über Namensgeber und deren eventuelle Beziehungen zu Neunkirchen. Wir werden in zwangloser Reihenfolge einzelne Straßen und ihre Geschichte vorstellen, heute die Grubenstraße in Neunkirchen-Heinitz. Der Verfasser ist für ergänzende Angaben von Lesern zu seinen Forschungen dankbar.
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Die Straße hieß vorher in Teilstrecken Chaussee, Heinitzer Weg, Riether Weg, Neunkircher Straße, Spieser Straße, Hauptstraße, Schlafhausstraße, Maria-Schnur-Straße. Lage und Verlauf: Die Grubenstraße ist die Hauptdurchgangsstraße durch den Stadtteil Heinitz. Aus Richtung Stadtmitte kommend führt sie nach Spiesen. Sie erstreckt sich von der Abzweigung Bildstocker Straße (früher Saarbrücker Straße) bis zur Stadtgrenze an der Autobahnbrücke. Informationen zum Namen und zur Geschichte der Straße: Auf den Grubenrissen von 1866 wurde die heutige Grubenstraße in Höhe Heinitz und Dechen einfach als „Chaussee“ bezeichnet. In späteren Stadtplänen hatte die heutige Grubenstraße auf Teilstrecken unterschiedliche Bezeichnungen: Der Abschnitt von der Bildstocker Straße (damals Saarbrücker Straße) bis zur Einmündung Boxbergweg hieß bis 1962 immer Heinitzweg oder Heinitzer Weg. Der Straßenteil vom Boxbergweg bis zur Einmündung der Moselschachtstraße (früher Brückenstraße) also in Dechen hieß in einer Grubenkarte von 1873 Riether Weg. Als Zielrichtung ist damit wohl der Flurbezirk „Auf’m Ried“ angesprochen. Die höchste Erhebung dieses Flurstücks ist auf anderen Karten auch mit Riedberg bezeichnet. In den Situationsplänen von 1891/92 wurde die Straße in Dechen Neunkircher Straße genannt. Nach dem 1. Weltkrieg erhielt sie dort den Namen Hauptstraße. Das nächste Teilstück ab der Moselschachtstraße im unteren Ortsteil von Heinitz hieß zunächst ebenfalls Riether Weg, wurde später aber Schlafhausstraße genannt. Der Abschnitt im oberen Ortsteil von Heinitz bis zum Butterberg in Spiesen (Café Klemann) hieß entsprechend seiner Zielrichtung Spieser Straße. Am 13. Januar 1935 fand im damaligen Saargebiet eine Volksabstimmung statt, in der die Bevölkerung zwischen einem Anschluss an Frankreich, der Beibehaltung des Status quo oder der Rückkehr nach Deutschland entscheiden konnte. Nachdem eine überwältigende Mehrheit von 90,73 % der Abstimmungsteilnehmer für die Rückkehr nach Deutschland votiert hatte, bestimmte der Rat des Völkerbundes bereits am 17.01.1935 die Wiedereinsetzung Deutschlands in die Regierung des Saarbeckens zum 1. März 1935. Noch vor diesem Datum beschloss der Stadtrat von Neunkirchen am 29.01.1935 die Änderung von Straßennamen zum 1. Februar 1935, um damit nationalsozialistische Größen oder verdiente Soldaten des 1. Weltkrieges zu ehren bzw. an Schlachtenorte des 1. Weltkrieges oder an Opfer der französischen Besatzung zu erinnern. Bei dieser Gelegenheit wurden die Hauptstraße, die Schlafhausstraße und die Spieser Straße durch Dechen und Heinitz zusammengefasst und nach der 1918 von französischen Besatzungssoldaten ermordeten Maria Schnur benannt. Ebenfalls in seiner Sitzung am 29.01.1935 (Sitzungsbuch der Stadt) beschloss der Stadtrat an der Maria-Schnur-Straße und an der Jakob-Johannes-Straße Erklärungsschilder anzubringen. Zur Begründung für die Namensgebung schreibt A. Bild in seiner Chronik von Heinitz:“ Am 21.12.1918 wurde die Studentin Fräulein Maria Schnur, 21 Jahre alt, wohnhaft im späteren Anwesen Grubenstraße 103, auf dem Wege nach Friedrichsthal, wo sie eine Freundin besuchen wollte, von französischen Soldaten überfallen. Sie wehrte sich tapfer gegen das beabsichtigte Sittlichkeitsverbrechen und bekam dabei mehrere Bajonettstiche in den Unterleib. Nach ihrer Auffindung ist Maria Schnur am Abend des selben Tages im St. Josefskrankenhaus in Neunkirchen an ihren Verletzungen verstorben“. Wohl auch, um die Besatzungsmacht nicht zu provozieren, nannte man die Straße 1945 unmittelbar nach Ende des 2. Weltkrieges in ihrer gesamten Länge ab dem Boxbergweg durch Dechen und Heinitz bis zum Butterberg (Café Klemann) Grubenstraße. 1962 wurde der Heinitzweg ebenfalls in die Grubenstraße einbezogen, so dass diese nun von der Saarbrücker Straße (heute Bildstocker Straße) durchgehend durch Dechen und Heinitz bis zum Butterberg ging. Seit der Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 liegt die Stadtgrenze zu Spiesen-Elversberg an der Autobahn. Im Zuge dieser Reform wurde der Teil der Grubenstraße von der Autobahnbrücke bis zum Butterberg nach Spiesen-Elversberg umgemeindet. Der straßenmäßige Ausbau des Weges von Heinitz nach Spiesen und Elversberg war im Jahre 1869 durchgeführt worden. Dabei handelte es sich jedoch allenfalls um eine geschotterte Strecke. 1939 wurde der Heinitzweg ausgebaut und mit einer Teerdecke versehen. Gleiches sollte mit der Maria-Schnur-Straße geschehen, wurde jedoch vermutlich wegen des Beginns des 2. Weltkrieges zurückgestellt. Geteert wurde die Straße dann erst nach Kriegsende. An der heutigen Grubenstraße liegt auch das Gelände der ehemaligen Grube Dechen mit den Dechenschächten I, II und III, deren erster Schacht 1854 abgeteuft worden war. Auf dem Grubengelände standen mehrere Wohngebäude der Grube und der Eisenbahn. Dort stand auch ein Schlafhaus, das während des 2. Weltkrieges zeitweise als Unterkunft für Kriegsgefangene diente. Dieses Gefangenenlager wurde später noch durch 2 Baracken erweitert. Die Gebäude auf dem Grubengelände wurden bis 1970 alle abgerissen. Heute stehen Wohngebäude nur noch auf der dem Grubengelände gegenüber liegenden südöstlichen Straßenseite. Die vom preußischen Bergfiskus 1872/74 in Heinitz gebauten Schlafhäuser 3 und 4, um 1900 umbenannt in Schlafhäuser 2 und 3, standen zu beiden Seiten der Grubenstraße auf der Höhe des heutigen Hans-Krämer-Platzes in der Ortsmitte von Heinitz. Sie wurden in den 1930er Jahren zu Bergarbeiterwohnungen umgebaut. Der nach dem Abbruch der Schlafhäuser (1967) entstandene heutige Hans-Krämer-Platz wurde zunächst wegen der roten Erde, mit der der Platz bedeckt war, als roter Platz bezeichnet. 1887/88 wurden als erste Wohnhäuser zwei doppelte Beamtenwohnhäuser an der Spieser Straße beim damaligen Schlafhaus 4 errichtet. Während bis zum 1. Weltkrieg ausschließlich die Grubenverwaltung und vereinzelt die Reichsbahn Wohngebäude in Heinitz erstellte, wurden nach dem 1. Weltkrieg und verstärkt nach dem 2. Weltkrieg dann auch Häuser auf privater Basis in der Grubenstraße erstellt. Lange Jahre verlief größtenteils unmittelbar neben der Straße ein Gleis der Straßenbahnlinie Neunkirchen-Stummdenkmal nach Spiesen-Butterberg. Diese Linie war am 09. 04. 1927 in Betrieb genommen worden und wurde wegen eines Schadens am Gleiskörper nach einem Brand im Januar 1964 eingestellt. Seither gibt es regelmäßigen Busverkehr nach Heinitz und von dort weiter nach Spiesen und Elversberg. Öffentliche oder sonst bedeutsame Gebäude in der Straße: Grube Dechen 1854 wurde westlich des bereits 1847 angehauenen Heinitzstollens mit dem Abteufen eines Schachtes begonnen. Er wurde nach dem Direktor des Oberbergamtes in Bonn Dr. Heinrich von Dechen benannt. Die neue Anlage war zunächst an die Grube Heinitz angebunden. Nachdem sie ihre Selbständigkeit erreicht hatte, behielt sie diese bis 1963. Mit Wirkung vom 01.01.1964 wurde sie mit der Grube König zu einem Verbundbergwerk zusammengelegt. Dieses Verbundbergwerk wurde am 31.03.1968 stillgelegt und die Anlagen abgerissen. Von dem Bergwerk, das von der Innenstadt her am Ortseingang nordwestlich der heutigen Grubenstraße lag, sind kaum noch Relikte vorhanden. Kath. Kirche St. Barbara. Die Kath. Kirche St. Barbara wurde 1957/58 gebaut, und 1966/67 wurde nebenan ein Pfarrhaus erstellt. Die Kirche und ein im Kellergeschoss befindlicher Pfarrsaal werden seit 1972 bzw. seit 1992 von beiden christlichen Konfessionen gemeinsam genutzt. Es handelt sich um die Grundschule von Heinitz, die 1955/56 erbaut und am 12.07.1956 eingeweiht wurde, nachdem der Schulbetrieb in dem Gebäude vorher schon am 09.01.1956 aufgenommen worden war. In das zweiflügelige Schulgebäude war das kath. System mit 5 Klassen in den vorderen Teil und das evang. System mit 4 Klassen in den hinteren Gebäudeflügel eingezogen. Seit 1970 ist in dem Gebäude nur noch eine Grundschule untergebracht. Außerdem befindet sich in dem Gebäude das Staatliche Studienseminar für das Lehramt an Real- und Gesamtschulen. |
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Armin Schlicker |