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Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken |
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Preußischer Staatskanzler Fürst Hardenberg |
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Saarbrücker/St. Johanner Bürger sandten eine Dankadresse mit 142 Unterschriften an den Staatskanzler Hardenberg |
Als der Staatskanzler versprach, alles für die Erfüllung dieses Wunsches einsetzen zu wollen, wurde er spontan durch Huldigungen geehrt.
Am Tag nach seiner Abreise versammelten sich 343, überwiegend dem Mittelstand angehörende Bürger und richteten, stellvertretend für die Bewohner der abgetrennten Saarkantone, ein von allen unterzeichnetes Schreiben an die preußische Delegation, worin noch einmal ausdrücklich der Wunsch der Vereinigung mit Preußen bekräftigt wurde.
Von nun an kristallisierte sich als treibende Kraft für die Eingliederung des Saarbrücker Landes in den preußischen Staat die Person des Kaufmannes Heinrich Böcking heraus, der als Schwiegersohn des großen saarländischen Berg- und Hüttenunternehmers Friedrich Philipp Stumm weithin als angesehene und entschlossene Persönlichkeit galt. Er hatte im Hause seines Schwiegervaters und dessen Bruders Ferdinand Stumm Blücher, Gneisenau, Müffling, Stägemann, Wrede und deren Begleiter kennen gelernt, was die Bürger veranlasste, in ihm den richtigen Mann zur Vertretung ihrer Belange zu sehen.
Heinrich Böcking wurde am 1. Juli 1785 in Trarbach an der Mosel geboren und absolvierte in den Jahren von 1800 bis 1804 eine kaufmännische Ausbildung in Iserlohn um anschließend seinen Beruf in Holland auszuüben. Nach Aufgabe seines Geschäftes in Amsterdam ließ er sich in Saarbrücken nieder, heiratete hier 1809 die Tochter Stumms und widmete sich den städtischen Belangen. Am 1.Dezember 1815 wurde er General-Bergkassierer und nach der Organisation des Bergamts Rendant dieser Behörde. Am 11. Dezember 1832 wurde er zum Bürgermeister von Saarbrücken ernannt und übte diese Tätigkeit bis zu seiner Ernennung zum Bergrat am 30. Januar 1838 aus. Am 5. Oktober 1844 schied er mit dem Charakter eines Oberbergrats aus dem Staatsdienst aus, verlegte zunächst seinen Wohnsitz nach Berlin und später nach Bonn, wo er am 6. Mai 1862 starb. Sein Patriotismus und seine privaten archäologischen Studien brachten ihn in enge Berührung mit dem Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
Infolge eines Beschlusses der Bürgerschaft vom 11. Juli versammelte sich der Stadtrat und beriet, „ob dem Wunsche der gesamten Bürgerschaft, eine Deputation an die hohen verbündeten Monarchen nach Paris zu senden, zu willfahren sei.“ Im Ergebnis dieser Beratungen wurden Böcking und Lauckhard zu Deputierten ernannt und erhielten als Schwerpunkt den Auftrag:
„sich nach Paris zu begeben und den hohen Monarchen die Gesinnungen und Wünsche der Bewohner von Saarbrücken zu Füßen zu legen und untertänigst zu bitten, die Bewohner dieser Grafschaft als Deutsche zu behandeln und von den außerordentlichen Kriegslasten zu befreien, da es ungerecht wäre, sie den Franzosen gleichzuhalten, indem sie gegen ihren Willen und Wunsch an Frankreich abgetreten wurden.“
Die Sache der Deputierten wurde durch die von Böcking an Görres übersandte Denkschrift stark unterstützt, die dieser im „Rheinischen Merkur“ am 16. August 1815 veröffentlichte und somit weiten Kreisen zugänglich wurde. Am 10. August trafen Böcking und Lauckhard in Paris ein, wo sie während ihres zwei Monate dauernden Aufenthaltes große Aktivitäten bei der Verfolgung ihrer Ziele an den Tag legten. Sie richteten eine Vielzahl von Eingaben in Form von Bitt- und Denkschriften u.a. an den russischen Zaren, den Kaiser von Österreich, an Fürst Metternich, den Kronprinzen von Württemberg, insbesondere aber an den König von Preußen.
In dem Schreiben an König Friedrich Wilhelm III. vom 25. August 1815 heißt es u.a.:
„Die 20.000 Einwohner der Stadt Saarbrücken und ihrer Umgebung, welche das Unglück hatten, durch den Frieden von Paris an Frankreich abgetreten zu werden, erflehen untertänigst von der Gnade Ew. Majestät die Befreiung von Frankreich und die Wiedervereinigung mit ihrem deutschen Vaterlande. Durch Sprache, Sitte und Religion den Preußen verwandt, würden sie sich besonders glücklich fühlen, unter die Untertanen Ew. Majestät zu gehören.“
Neben dem Staatskanzler Hardenberg setzten sich in besonderem Maße Blücher, Gneisenau, der preußische Finanzminister von Bülow sowie der geheime Rat Staegemann persönlich bei den verbündeten Monarchen und Diplomaten in Paris für das Anliegen der Deputierten ein. Varnhagen von Ense vermerkte in seinen Notizen vom September 1815, dass die Saarfrage „für Preußen eine Ehrensache geworden sei“
Am 17. Oktober 1815 kehrten Böcking und Lauckhard von ihrer Mission erfolgreich nach Saarbrücken zurück, indem sie den Bürgern die Zusicherung von Fürst Hardenberg überbrachten, wonach „wir das Glück haben fernerhin dem preußischen anzugehören und dass unsere untertänige Bitte in Betracht gezogen sei, unsere Gegend unverzüglich militärisch in Besitz zu nehmen, wozu die in Longwy befindlichen königlich preußischen Truppen bereits den Befehl erhalten hätten. Des Herrn Generalleutnant Grafen von Gneisenau Exzellenz hatten die Gnade, mich des nämlichen zu versichern.“ Am 20. November 1815, nach Abschluss des Zweiten Pariser Friedens, gingen die Hoffnungen der Saarbevölkerung in Erfüllung: Die Kantone Saarbrücken, St. Johann, St. Arnual, Saarlouis und Rehlingen werden an Preußen abgetreten.
Die klare Willensentscheidung der Saarbrücker Bürger, geprägt von dem damals herrschenden allgemeinen deutschen Patriotismus in Verbindung mit der unermüdlichen Tätigkeit ihrer gewählten Vertreter Böcking und Lauckhard lenkte letztlich das Interesse der Verbündeten auf das kleine Grenzland im Südwesten Deutschlands und erreichte dieses Ergebnis. Daneben sind zweifellos auch nassau-saarbrückischer Partikulargeist, altprotestantische Gesinnung und wirtschaftliche Interessen unterschiedlicher Art seitens der Bevölkerung in die Entscheidung zur Eingliederung in den preußischen Staat eingeflossen. Am 25.11.1815 sandten die Saarbrücker/St. Johanner Bürger eine Dankadresse mit 142 Unterschriften an den Staatskanzler Hardenberg. Als dieser am 26. November auf der Rückreise durch Saarbrücken kam, wurde ihm ein begeisterter Empfang bereitet, ihm zu Ehren wurden Freudenfeuer angezündet und ein Festball in der illuminierten Stadt ausgerichtet.
In dem Besitzergreifungspatent vom 27.11.1815 erteilte der Staatskanzler Fürst Hardenberg dem Appellationsrat Mathias Simon die Vollmacht, die durch den Zweiten Pariser Frieden an Preußen gefallenen Teile Saarbrücken/St. Johann und Saarlouis in Besitz zu nehmen. Im Gebiet der früheren Grafschaft Ottweiler stellte sich die Lage nach dem Friedensvertrag zunächst anders dar:
Der königlich-bayerische Generalleutnant Graf Karl von Pappenheim war im alten deutschen Reich Reichserbmarschall gewesen und sollte für den Verlust dieser Würde mit einem Gebiet mit 9.000 Einwohnern in der Gegend von Ottweiler entschädigt werden. Der Graf verzichtete jedoch nach längeren Verhandlungen mit dem preußischen Staat gegen eine einmalige Zahlung von 750.000 Talern auf seine erworbenen Ansprüche, so dass auch dieser Landesteil sieben Monate später, am 1. Juli 1816, zu Preußen kam. Die feierliche Besitzergreifung des Saarbrücker Landes durch die preußische Krone fand am 30. November 1815 statt, wobei Dankgottesdienste abgehalten wurden und die Bevölkerung ihrem neuen König huldigte. Am 1. Dezember heißt es in den Anfangszeilen des „Intelligenzblattes“ von Saarbrücken über die Vereinigung mit Preußen: „Den festlichsten und glücklichsten Tag ihres Lebens feierten gestern die treuen und deutschgesinnten Bewohner der Mittelsaar.“
Auf die Dankadresse des Magistrats von Saarbrücken vom 17. Januar 1816 an König Friedrich Wilhelm III. antwortete dieser am 7. Februar : „Ich bin von den treuen Gesinnungen versichert, welche der Magistrat von Saarbrücken im Namen der Stadt Mir bezeugt und werde das Vertrauen, mit dem ihre Einwohner bei der Vereinigung mit Meinen Staaten Mir entgegengekommen sind, durch Meine Fürsorge für die Wohlfahrt der Stadt und des Landes erwidern.
Ich versichere den Magistrat Meines Wohlwollens und trage ihm auf, seinen Mitbürgern dieses in Meinem Namen zu erkennen zu geben.“
Die Eingliederung der Saarbrücker Lande in den preußischen Staat war im Gegensatz zu den anderen Territorien der Rheinprovinz nicht von Diplomaten diktiert worden, sondern wurde durch das das eindrucksvolle Bekenntnis der Bevölkerung unter widrigen Umständen selbst herbeigeführt.
Es handelt sich dabei um einen in der preußischen Geschichte einmaligen, historisch zu nennenden, Vorgang, dass ein Land durch Plebiszit in dem kargen Vernunftstaat Aufnahme fand.