Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

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Preußen und die Saar 1814/15
Der Weg der Eingliederung in den preußischen Staat
von Friedrich Strohm

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Besitzergreifungsdokument

Heinrich Böcking

Dankschreiben

Ergebenheitsadresse

Großer saarländischer Berg- und Hüttenunternehmer Friedrich Philipp Stumm
Situation und Bestrebungen im Vorfeld der Ersten Pariser Friedenskonferenz
Als der letzte Fürst von Nassau-Saarbrücken, Ludwig, am 2. März 1794 im Exil in Aschaffenburg starb, waren die Saarbrücker Lande bereits ein Jahr von französischen Revolutionstruppen besetzt. Erbprinz Heinrich war nach der Okkupation des Landes ebenfalls geflohen und in preußische Dienste getreten. Er starb als Oberst der Kavallerie ohne Nachkommen am 27. April 1797 infolge eines Reitunfalls in der Nähe von Kadolzburg bei Nürnberg.
In dem Friedensvertrag von Campo Formio 1797 wurde das Saarland zusammen mit den anderen linksrheinischen Gebieten Frankreich einverleibt.
Trotz der 21 Jahre dauernden Abtrennung ließ sich die überwiegende Mehrheit der Saarbevölkerung in ihrem oft durch Kundgebungen gezeigten Willen zur Rückkehr nach Deutschland nicht beirren. Drückende Kriegslasten, Repressalien und Zwangsrekrutierungen während der napoleonischen Herrschaft vertieften die Abneigung gegen das französische Regime trotz des damals eingeführten modernen und effizienten Rechts- und Verwaltungssystems, bekannt als Code Civile.
Als Napoleon vom Schlachtenglück verlassen wurde und am 5. und 6. Januar 1814 die Trümmer des Marmont´schen Corps, verfolgt vom Yorck`schen Korps der Armee Blüchers, durch Saarbrücken nach Frankreich zurückfluteten, wurden die preußischen Truppen als Befreier gefeiert. In der Ansprache Blüchers an die Bewohner des linken Rheinufers vom 1. Januar 1814 heißt es unter anderem:
„Ich habe die schlesische Armee über den Rhein geführt, damit die Freiheit und Unabhängigkeit der Nationen hergestellt, damit der Friede errungen werde.
Ich werde Euer Eigentum sichern. Jeder Bürger, jeder Landmann bleibe ruhig in seiner Wohnung, jeder Beamte an seinem Platz und setze ungestört seine Dienstverrichtungen fort.
Von dem Augenblick des Einrückens der verbündeten Truppen muss jedoch alle Verbindung mit dem französischen Reiche aufhören.“
Am 10. Januar traf der Feldmarschall auf dem Durchmarsch in Ottweiler ein, wo er sich in einer Ansprache, deren Wortlaut leider nicht mehr erhalten ist, an die auf dem Schlossplatz versammelten Bürger wandte. Diese historische Szene wurde später von dem Düsseldorfer Maler Prof. Franz Kiedrich in einem Gemälde, welches sich im Sitzungssaal des ehemaligen Landratsamtes Ottweiler befindet, nachgestellt.
An demselben und dem darauf folgenden Tag schlug Blücher sein Hauptquartier in Saarbrücken auf, wohnte im Haus von Ferdinand Stumm, und befahl als erste Maßnahme die Wiederherstellung der deutschen Verwaltung sowie des freien Verkehrs und Handels in die rechtsrheinischen Territorien.
Ende Januar wurde das linke Rheinufer dem Zentral-Verwaltungsdepartement für die eroberten Länder unterstellt und in vier Generalgouvernements eingeteilt. Das Gouvernement des Mittelrheins umfasste die drei Departements Rhein-Mosel, Donnersberg und Saar.
Es wurde dem russischen Staatsrat Justus von Gruner übertragen, welcher aus Osnabrück stammte, bis 1812 Direktor der preußischen Staatspolizei gewesen war und anschließend unter dem Freiherrn von Stein bei der Zentralverwaltung beschäftigt war.
Am 2. Februar richtete er einen Aufruf mit den folgenden Kernaussagen an die Bevölkerung:
„Gedenket des großen Reichsverbandes und der gemeinsamen Sprache, die Euch auf ewig mit uns verbindet. Beweiset Euch würdig, Deutsche zu sein, und Ihr werdet es bleiben.
Ich werde Recht und Sicherheit, Wahrheit und Ordnung unter Euch schützen. Strenge gegen jeden Verräter der guten Sache, wird jeder Gutgesinnte einen Vater und Bruder in mir finden. Mit Vertrauen biete ich Euch die Hand. Fasst sie mit Vertrauen, und lasst uns voll Mut und Eintracht gemeinschaftlich das hohe Ziel der Wiederherstellung Deutschlands und der Freiheit Europas zu erreichen streben.“
Als bekannt geworden war, dass sich einige französisch gesinnte Bewohner des Kreises mit einer Bittschrift an den französischen Minister Talleyrand gewandt hatten, um bei Frankreich zu bleiben, kam es zu Unruhen und Gerüchten, die Gruner zum Handeln veranlassten.
Am 17. April nahm er hierzu in Koblenz Stellung und erließ folgende Bekanntmachung:
„Übelgesinnte suchen das falsche Gerücht zu verbreiten, die Länder des Mittelrheins würden an Frankreich zurückfallen. Zur Beruhigung aller Ununterrichteten erkläre ich dasselbe offiziell für durchaus unbegründet. Wir haben keinen Krieg mit den Franzosen mehr, aber alle Deutschen werden mit Deutschland wieder vereinigt bleiben. So ist der Wille der hohen verbündeten Monarchen. Dafür ist das Blut unserer Brüder geflossen.“
Es zeigte sich jedoch bald, dass sich Preußen gegen die geschickte Diplomatie Talleyrands und die französischen Sympathien des russischen Zaren während der Pariser Friedenskonferenz nicht durchzusetzen vermochte.
Der Erste Pariser Friedensvertrag vom 30. Mai 1814 bestätigte die französischen Grenzen vom 1. Januar 1792 und bestimmte in Artikel 3, dass im Saardepartement die Kantone Saarbrücken und Arnual sowie ein Teil des Kantons Lebach bei Frankreich verbleiben sollen. Betroffen waren die Städte Saarbrücken und St. Johann mit den Bürgermeistereien St. Arnual, Kleinblittersdorf, Bischmisheim, Dudweiler, Völklingen und Ludweiler, somit der größte Teil der früheren Grafschaft Saarbrücken mit etwa 20.000 Einwohnern und der Mehrzahl der Kohlengruben sowie die Festungsstadt Saarlouis.
Die Kantone Blieskastel, Merzig, Ottweiler, St. Wendel und ein Teil von Lebach waren zusammen mit dem Hunsrück und der Pfalz provisorisch einer Kaiserlich-Königlich- Österreichischen und Königlich-Bayerischen gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Kommission mit dem Sitz in Bad Kreuznach unterstellt worden.
Dabei waren Kreise gebildet worden, denen Kreisdirektoren vorstanden, wobei der Kreis Ottweiler damals mit den Kantonen Blieskastel, Lebach, St. Wendel, Tholey, Waldmohr und Ottweiler eine enorme Flächengröße aufwies. Zu einer Neuaufteilung kam es erst Ende Juni 1816, als die Verwaltung der Landesadministration beendet und die Kreise aufgelöst worden waren.

Die Ereignisse an der Saar bis zum Zweiten Pariser Frieden
Die Nachricht von der, nach Gruners Erklärung für unmöglich gehaltenen, Abtretung des Kernbereiches des ehemaligen Fürstentums Nassau-Saarbrücken löste bei dem Großteil der Bevölkerung starke Enttäuschung aus und führte zu öffentlichen Unruhen.
In Zusammenkünften wurden Beratungen abgehalten und der Beschluss gefasst, eine Deputation an den Generalgouverneur nach Mainz zusenden.
Als Führer der Abordnung wurde der Kaufmann J. Philipp Fauth gewählt, der 1821 in einem Brief die damalige Situation schilderte:
„Durch den Pariser Frieden fiel Saarbrücken unter französische Herrschaft. Dies verursachte bei den Bewohnern Saarbrückens, besonders im Mittelstande, eine solche Bestürzung und solchen Unwillen, dass es einer Empörung glich; überall bildeten sich Versammlungen und Beratungen, wie das Unglück abzuwenden sei, und es wurde noch denselben Tag beschlossen, eine Deputation an den Generalgouverneur Herrn Justus Gruner nach Mainz zu senden, und ich wurde von dem Bürgerstande hierzu als General-Deputierter erwählt und bevollmächtigt.
So wenig ich auch Hoffnung hatte, dass an der einmal getroffenen Übereinkunft der hohen Alliierten etwas abgeändert werden würde, so unternahm ich doch diesen Auftrag, hauptsächlich um die erhitzten Gemüter etwas zu besänftigen und von Exzessen zurückzuhalten, auch um nichts unversucht zu lassen. Ich zog mir dadurch aber nicht wenig Hass der Franzosen und ihrer Anhänger zu, welcher mir auch mancherlei Verfolgungen zugezogen hat.“
Erwartungsgemäß konnte die Delegation keinen Erfolg erzielen. Frankreich ergriff wieder Besitz von dem Saarbrücker Land, vereinigte es mit dem Moseldepartement und unterstellte es dem Unterpräfekten in Saargemünd. Die bisher zusammengehörenden Gebiete der früheren Grafschaften Ottweiler und Saarbrücken wurden nun durch eine Landesgrenze und Zolllinie getrennt.
Neue Hoffnungen lebten bei den Saarländern auf, als der Friedensvertrag von Napoleon selbst durch dessen Flucht von Elba gebrochen worden war und nach erfolgreichen Kampfhandlungen der Verbündeten die Aussicht auf eine Revision der Ergebnisse aus den Verhandlungen während der Pariser Friedenskonferenz bestand.
Bereits am 26. Juni 1815 hatten sich Bürgerausschüsse gebildet mit dem Ziel, die Wiedervereinigung mit Deutschland zu betreiben. Es wurden Denk- und Bittschriften erstellt und namhaften Persönlichkeiten, wie dem am 3. Juli in Saarbrücken eingetroffenen russischen Feldmarschall Barclay de Tolly und dem sich am 10. Juli auf der Durchreise nach Paris befindlichen preußischen Staatskanzler Fürst Hardenberg zugeleitet.
Hardenberg wurde von einer Abordnung von 20 Bürgern, angeführt von Heinrich Böcking und Philipp Fauth, feierlich empfangen und dabei der Wunsch geäußert, mit Deutschland und zwar mit Preußen vereinigt zu werden, wobei auf die Vorteile, die sich daraus für Preußen ergeben würden, ausdrücklich hingewiesen wurde. Die Petition lautete in ihrem Kern wie folgt:
„Die Einwohner finden in dem Glück der Anwesenheit Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht eine Vorbedeutung ihres zukünftigen besseren Schicksals und in dem unbegrenzten Vertrauen auf den Mann, den die Vorsehung zur Stütze der preußischen Monarchie erkor, hoffen sie, dass die den Preußen durch Sitten, Sprache, Religion und Gesinnungen so verwandten Saarbrücker eines allergnädigsten Blicks des besten der Könige gewürdigt werden.“

Fortsetzung folgt
Friedrich Strohm