Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.

hvsn_kopf_01


Sagen erzählen von Neunkirchen
Die wohl älteste Sage ist die Hirschbergsage
von Günther Gensheimer
Überall dort, wo Menschen zusammen leben, beieinander wohnen, ereignen sich eine Vielzahl von Ereignissen, Besonderheiten, die lange in Erinnerung bleiben. Solche eindrucksvollen Vorgänge, Persönlichkeiten, Naturereignisse wurden dann durch Gespräche der Betroffenen und ihrer Nachfahren lange in Erinnerung gehalten, aber auch verändert.
Lange bevor Besitztausch- und Prozessurkunden, Geschichtsschreiber, Stadtschreiber und Heimatforscher diese Ereignisse schriftlich fest halten konnten, wurde das Geschehene nur mündlich weiter getragen, mit Grenz-, Grabsteinen und Bauwerken als Erinnerungshilfen.
Dort, wo nur wenige Menschen beieinander lebten, ruhige Zeiten und gute Grundherren, Grafen und Fürsten walteten, fielen wenige solcher bemerkenswerten Vorgänge an, überlebten nur wenige solcher Erzählungen (Sagen). Selbst die Maltitz-Sage aus Neunkirchen findet sich als äußerst ähnliche Parallele am Littermont wieder.
So gilt das kleine Dorf Neunkirchen (Ersturkunde von „Nonkirke“ 1281, 1580 mit 32 Einwohnern nahe des Renaissance-Jagdschlosses, 1800 erst 762 Bewohnern nahe des Eisenwerkes an der Blies) arm an Sagen. Das 1234 erstmals urkundliche erwähnte und 1534 bereits niedergegangene Waldrodungsdorf Forbach (Furtbach) wird nur in einer Sage erfasst und mit der Hirschbergsage (Erwähnung des Kasbruch) kommt gar der angrenzende pfälzische Raum um Bexbach ins Spiel.
Überall dort, wo Besiedlungen gestört (30-jähriger Krieg), unterbrochen (ausgelaugte Ackerböden) wurden, bricht oft lange, zu lange vor der Zeit schriftlicher Aufzeichnungen die Erinnerung an „Gesagtes“ ab, Sagen gehen verloren. Die wohl älteste Sage aus unserem Raum ist die Hirschbergsage.

Eine Walpurgisnacht
Notiert von Lehrer Wilhelm A. Gensheimer 1942
Am Südostrand des Neunkircher Stadtgebietes befinden sich der kleine und der große Hirschberg, Bexbacher Bann, auf dem sich in mittelalterlicher Zeit die nachfolgenden Ereignisse vollzogen haben sollen:
Vor vielen, vielen hundert Jahren herrschte ein mächtiger Fürst an der Blies. Auf einer Jagdstreife lernte er einst am Hirschberg ein wunderschönes Köhlermädchen kennen, das er unendlich lieb gewann.
Da ihm aber die Gesetze seines Hauses verboten, eine solche Geliebte zu seiner Gattin zu machen, so baute er ihr auf dem Gipfel des Hirschbergs ein stattliches Schloss und machte sie zu einer mächtigen Gräfin. Er hielt sie hoch in Ehren und besuchte sie häufig. Einst kehrte er in finsterer Frühlingsnacht von einer Jagd zurück, die ihn bis ins Glantal geführt hatte.
Als er am Hirschberg vorbeikam, sah er die Fenster des Schlosses hell erleuchtet. Schon von weitem hörte er von oben wildes Getöse. Überrascht stieg er den Berg hinauf und blickte durch eines der Fenster in das Innere des Schlosses. Da gewahrte er im Rittersaale eine große Tanzgesellschaft – lauter Hexen und Teufel.
In ihrer Mitte drehte sich ein junges schönes Weib in dem Armen eines jungen Teufels in wirbelndem Tanze. Es war die Gräfin – und es war Walpurgisnacht.
Entsetzt wankte der Unglückliche nach dieser furchtbaren Entdeckung den Berg hinab.
Am nächsten Tag ließ er die als Hexe erkannte Geliebte des Landes verweisen. Er hörte künftig je nichts mehr von ihr. Das Schloss auf dem Hirschberg ließ er dem Erdboden gleichmachen und erbaute an derselben Stelle eine Hütte, in der er bis an sein Lebensende hauste.
Von der Stätte seines einstigen Glückes aus vergoss er viele blutige Tränen. Die rannen in Strömen zu Tal, färbten die Felsen rot, sickerten in den Boden und wurden zu Wasser. Daher die roten Sandsteinfelsen im Kasbruch und der große Wasserreichtum dieses lieblichen Waldtales.
Alljährlich aber, in der Walpurgisnacht reiten noch immer Hexen und Teufel des Blieslandes zum Hirschberg, geführt von einer jungen schönen Hexe. Ein geisterhaft bleicher Mann pflegt von fern ihren wilden Tänzen zuzuschauen, wehklagend und flehend die Hände ringend, damit das geliebte Weib vom höllischen Spiel lasse. – Aber die Schöne bleibt kalt und ungerührt.

Weiter im Nordwesten an der Furt im Bach war das um 1400 ansehnliche Dorf mit Pfarrkirche Forbach (Furpach) der Grafen von Saarwerden niedergegangen und 1521 nur noch als Hof der Grafen von Saarbrücken (durch Erbheirat Saarwerden/Saarbrücken) mit einem Lehnsmann erhalten. Von 1565–1664 erfolgt keinerlei Nennung mehr. Nach den Verwüstungen des 30-jährigen Krieges wird überall im Land von den Grundherren der Wiederaufbau vorangetrieben. Schweizer Einwanderer errichten als Hofleute der Grafen von Saarbrücken zu dieser Zeit wieder einen Hof Forbach. Davon könnte die nachfolgende Sage handeln:

Die Teufelssage von Furpach
Vor vielen hundert Jahren kam eines Tages ein Fremder in das menschenleere, verwilderte Dorf Furpach. Mit Genehmigung der Grafen von Saarbrücken wollte er dort einen Hof gründen.
Er baute mit seinen paar Knechten strohbedeckte Ställe und ein einfaches Wohnhaus. Sein Geld war bald aufgebraucht. Recht und schlecht plagte er sich, aber mit der Wirtschaft ging es nicht vorwärts. Er trug sich schon mit dem Gedanken, heimlich wieder den Hof zu verlassen. Da trat plötzlich eine große Veränderung ein: Handwerker kamen, rissen alle Ställe ab, bauten größere Gebäude und deckten sie mit Schiefer wie sonst nur eine Kirche. Das abgemagerte alte Vieh wurde fortgeführt. Handelsleute brachten eine stattliche Herde von 100 Stück Milchkühen. Die nassen Wiesen wurden durch Gräben trockengelegt, Tag- und Nachtweide ordentlich eingezäunt. Ja der ganze Hofbann erhielt einen kräftigen Wildzaun.
Den Nachbarn bliebt der Mund offen vor Staunen. Was ging hier vor? Als dann auch noch ein prächtiges Herrenhaus mit kunstvollen Steinhauerarbeiten erstellt wurde, ein Park mit Weiher dazu kam und das Gerücht aufkam, der Pächter habe das Land und den Wald dazu als Eigentum erworben, das sagten selbst die Gutmütigsten: „Das geht nicht mit rechten Dingen zu“.
Und es ging auch nicht mit rechten Dingen zu auf diesem Hof, der nun zu den schönsten weit und breit gehörte. Das Geheimnis des plötzlichen Wohlstandes aber wäre wohl nie herausgekommen, hätte nicht eine alte Magd, die vor dem Umschwung auf dem Hof Wirtschafterin war, geplaudert. Verschwiegenen Leuten erzählte sie in ihren alten Tagen von dem furchtbaren Erlebnis in einer dunklen Frühjahrsnacht, als ihr Herr zu ihr sagte: „Richte zwei Zimmer, ich erwarte für heute Abend Besuch“!
Das eine Zimmer musste sie weiß decken und die Fenster weiß verhängen, das andere schwarz und die Fenster mit schwarzen Tüchern zuhängen.
Am Abend hieß er die Magd zeitig schlafen zu gehen, aber sie konnte nicht einschlafen. Stunde um Stunde lag sie mit klopfendem Herzen wach. Dann, es mochte wohl Mitternacht gewesen sein, hörte sie Stimmen in den beiden gedeckten Zimmern. Die Magd stand leise auf, warf ein Kleidungsstück über und schlich auf nackten Sohlen durchs dunkle Haus bis an die Zimmertür.
Dort spähte sie vorsichtig durch’s Schlüsselloch: Auf dem weiß gedeckten Tisch brannten 7 Kerzen, ein aufgeschlagenes Buch lag davor und ihr Herr redete aufgeregt mit einem schwarz gekleideten hageren Mann. Als der dann plötzlich aus dem Schatten ins Kerzenlicht trat, zog er ein Schriftstück aus der Tasche und sagte mit meckernder Stimme: „Hier unterschreibe – dann ist alles in Ordnung“! Die Magd erschrak, als sie dem seltsamen Besucher ins Gesicht sehen konnte: schiefstehende stechende Augen, pechschwarze Haare, ein spitzes Kinn mit dünnem Spitzbart, und auf der linken Schulter lag ein geringelter schwarzer Schweif.
Vor lauter Entsetzen schlug die Magd ein Kreuz, was den schwarzhaarigen Besucher leicht zusammenzucken ließ. – Es war der leibhaftige Teufel, den sie da erkannt hatte.- Der aufgeregte Pächter merkte davon nichts, trat an den Tisch, ritzte mit einem kleinen Messer die Haut am Arm, fing das rote Blut auf seinem Gänsekiel auf und schrieb damit seinen Namen unter den Pakt. Der Besucher ging mit dem Papier in das schwarz gedeckte Zimmer, wo nur eine Kerze brannte und unterschrieb dort das Schriftstück.
Mit heiserer Stimme fragte der Gutspächter: „Bekomme ich nun Geld soviel ich brauche?“ „Ja, ja“ grinste der Teufel, „morgen früh liegen hier an dieser Stelle 100 000 Gulden. Und brauchst du mehr, rufe nach mir!“ „Ist das auch wirklich wahr?“ hauchte der Pächter. „Das ist so wahr, wie deine Magd draußen am Schlüsselloch steht und lauscht“, wurde ihm zur Antwort gegeben. Wie von einer Nadel gestochen sprang der Pächter zur Tür und sah nur noch flatternde helle Röcke im Dunkel des Flurs verschwinden. Am nächsten Morgen verließ die zu Tode geängstigte Magd mit ihrem Kleiderbündel den Hof.
Nachdem die Magd den Hof verlassen hatte, nahm alles seinen Lauf.
Die Bewirtschaftung des Gutshofes blühte sichtlich auf. Die Nachbarn sahen diesen Wohlstand und sprachen von Glück. Nur der Pächter und die Magd wussten, was der Herr dafür hingegeben hatte.
Vierzig Jahre vergingen. Der Gutsherr war alt und grau geworden, aber er ritt noch über seinen Hofbann wie ein Junger. Als das Frühjahr anbrach, ließ er eines Tages wieder zwei Zimmer decken, genau so wie damals vor vierzig Jahren und schloss sich darin ein. Als der Verwalter ihn am Abend noch einmal sprechen wollte, bekam er auf sein Klopfen keine Antwort. Er spähte durchs Schlüsselloch und sah seinen Herrn mit fürchterlich verzerrtem Gesicht an einem schwarz gedeckten Tisch sitzen, zwei Pistolen vor sich.
In dieser Nacht brach dann das erste Frühlingsgewitter los. Die Donner rollten fürchterlich, das Vieh brüllte in den Ställen. Da zuckte ein besonders greller Blitz vom Himmel und schlug in die Stallungen ein. Knechte und Mägde eilten zu den Ställen, um das Vieh zu retten. Doch sie konnten die Stalltürken nicht mehr öffnen.
Da fuhr eine feurige Kugel vom Himmel krachend laut ins Herrenhaus. Eine haushohe Flamme schlug empor, und ein gellendes höhnisches Gelächter schrillte durch die Sturmesnacht. Da war nichts mehr zu retten! Entsetzt floh das Gesinde vom Hof weg aufs Feld. Als der Verwalter noch einmal zurückschaute, glaubte er in dem Rauch der Feuersbrunst die Gestalt seinen Herren in der Luft über dem Hof ringen zu sehen mit einer anderen schwarzen Gestalt.
Später meinte er, er könne sich vor lauter Aufregung auch getäuscht haben. Haus und Hof brannten restlos nieder. Vom Herrn fand man nicht mehr. Das herrenlos gewordene Gut zog der Graf von Saarbrücken wieder an sich. Lange konnte er keinen neuen Pächter finden. Viele meinten, es sei nicht geheuer bei dem Forbacher Hof.
Dann aber kamen Ansiedler aus der Schweiz, die von alledem nichts wussten. Sie bauten den Hof wieder neu auf. Von dem stolzen Hof aber war nichts mehr übrig als ein paar behauene Steine, die noch lange Zeit zerstreut im Park umherlagen.

Das kleine Dorf Neunkirchen mit seiner neuen St. Barbara – Kapelle (Namensgeberin „Neue Kirche“) lebt in starker Bindung an die Jagdschlösser der Herren von Saarbrücken von 1580 (Renaissanceschloss) und 1753 (Schloss Jägersberg). Zwischen 1753 und 1793 muss wohl die Neunkircher sage ihren Zeithintergrund haben.
Der allgewaltige, überall den Bauern Schrecken einjagende Oberhofjägermeister der Fürsten von Saarbrücken, Herr von Maltitz forderte von den Untertanen eine Vielzahl von Frondiensten , vor allem aber häufige Treiberdienste für die zahlreichen Jagdgesellschaften des Schlosses Jägersberg in den ringsum liegenden Wäldern. Er reglementierte sogar durch einen Hundeverbots-Erlass das eben der Neunkircher Bauern bis in den Hof hinein. Dies alles; Wut, Angst und Schadenfreude der Untertanen spiegeln sich wie überall im Lande in der nachfolgenden Sage wider:

Die Sage von Maltitz, dem wilden Jäger
Notiert von Lehrer Wilhelm A Gensheimer 1941
Es war vor vielen, vielen Jahren. Zwischen Blies und Wälderkranz klangen Adventglocken.
Bei ihrem Schalle machten sich die auf der Scheib wohnenden Bauern auf, um dem Gottesdienst beizuwohnen.
Als sie bis an die roten Felsen der Hohl gekommen waren, da begegnete ihnen vom Neunkircher Schloss kommend, ein Jagdzug. Den führte der fürstlich Nassau-Saarbrückische Oberjägermeister Maltitz an. Mit Donnerstimme herrschte dieser die auf dem Kirchgang befindlichen Bauern an, sie mussten mitkommen und treiben.
Da sie zögerten, befahl er seinen Reitknechten, die Bauern mit peitschen zur Umkehr zu zwingen. So mussten die armen Scheiber Bauern in sonntäglichem Aufzuge an ihren Häusern vorbei mit in den Wald ziehen.
Ein wüstes Treiben begann. Vom Hirschberg bis nach Spiesen hin hallten die Wälder wieder von Hörnerklang und Hundegebell.
Ganze Scharen von Hirschen und Wildschweinen wurden zur Strecke gebracht. Am Erlenbrunnen war der Sammelpunkt für die Jagdgesellschaft. Dort war ein Jagdzelt aufgeschlagen und aus der Nahen Lakaienschäferei hatte man Tische und Bänke, Geschirr und Kochgerät herbeigeschafft.
Als das letzte Halali verklungen war, da prasselte unter den mächtigen Bratspießen bereits das Feuer und ein leichter Rauch stieg empor zu den Erlenwipfeln.
Nach und nach stellten sich die Jäger ein und von allen Seiten schleppten die Scheiber Fronbauern die Jagdbeute herbei und legten die Strecke.
Als letzter erschien Maltitz selber. Vor ihm her trug man eine gewaltige Wildsau, die er selbst erlegt hatte. Sie sollte die Hauptzierde der Jagdtafel bilden.
Er befahl sogleich, sie bratfertig zu machen. Kaum hatte er diesen Befehl erteilt, da geschah etwas Unerhörtes. Das tote Tier bewegte sich, richtete sich auf, sprang auf Maltitz zu und unterlief ihn. Rücklings kam der Oberjägermeister auf der Sau zu sitzen. Mit dem sich verzweifelt Wehrenden stürmte diese durch das Dickicht davon.
Vor den Augen der entsetzten Jagdgenossen flammten während dieses Geschehens seltsame Lichter auf und ein schwefeliger Geruch drohte sie zu ersticken. Starr über das Geschaute machten sie sich doch nach einiger Zeit auf, um den Entführten zu suchen.
Aber sie fanden keine Spur von ihm. Die am Jagdzelt zurückgebliebenen Bauern aber, die das Rachewalten einer höheren Gewalt erkannten, zündeten das Zelt an, warfen alles Gerät in die Flammen und vernichteten alles, was an die jäh unterbrochene Jagdherrlichkeit erinnerte. Dann machten sie sich auf, zogen auf die Scheib und erzählten ihren staunenden Weibern und Kindern das Geschehnis.

Diese harten Zeiten der Abhängigkeit der Menschen vom Grundherren wurden durch die französische Revolution gebrochen.
Dörfliche Gemeinschaft und gesellschaftliches Miteinander veränderten sich durch die aufkommende Industrialisierung. Andere berufliche und industrielle Ereignisse standen nun im Mittelpunkt des Alltags. Pausen- und Thekengespräche lösten die Erzählrunden der Spinnabende, am Dorfbrunnen, auf dem Marktplatz ab. Der Faktor Zeit trat stärker ins Legen der Menschen.
Schreiber ersetzten die Sagen-Erzähler, aber schon das Sprichwort sagt: „Eine Schreibe ist keine Rede“! Ursprünglichkeit (Originalität), persönliches Erleben (Betroffensein) treten nun leider zurück zugunsten sachlicher Geschichtsschreibung. Das Sagenhafte wird nur noch „gebunden“ (als Buch) erhalten.
Die sprudelnde Quelle aber ist versiegt. Nur noch gelegentlich blitzen leider nur noch in örtlichen Anekdoten Originalität und Kreativität auf wie bei uns in Neunkirchen bei der „Luwis vom Scharfe Eck“, dem „Sense Eduard“ oder beim „Wiham unn seim Nattche“.
Günther Gensheimer