Festungsbaumeister und Marschall von Frankreich unter Louis XIV. |
2. Teil |
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Bericht von Gerd Arnold
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Im kurzen Frieden von 1698 bis 1700 gab Vauban eine
Reihe von Studienschriften über die Befestigung der Nord- und der
Nordostgrenze heraus. Er baute die Festung Neu-Breisach im Südelsaß am
Rhein nach seinen genialen Plänen. Diese klassische Vaubanfestung ist
noch heute weitgehend erhalten. Man ernannte Vauban zum Ehrenmitglied
der französischen Akademie der Wissenschaften.
Spanischer Erbfolgekrieg 1701 bis 1713
Der
Anspruch des Roi soleil auf den spanischen Thron für seinen Enkel
Philipp, Herzog von Anjou, gemäß dem Testament Karls II. von Spanien,
dessen Enkel er ja ebenfalls war, führte erneut zum Krieg einer großen
Allianz gegen Frankreich, dem Spanischen Erbfolgekrieg von 1701 bis
1713. als Verbündete hatte Ludwig nur noch die Kurfürstentümer Bayern
und Köln (mit dem Bistum Münster). Vauban schrieb das grundlegende Werk
„Lehrbuch der Festungsverteidigung“, in dem er eine ganze Reihe von
architektonischen Verbesserungen vorschlug. Vauban erhielt die Würde
eines Marschalls von Frankreich. Er befehligte 1703 seine letzte
Belagerung, die von Alt-Breisach und nahm an der sich schwierig
gestaltenden Wiedereinnahme von Landau/Pfalz teil.
Man sprach jetzt allgemein von den drei Systemen Vaubans. 1705 gab er die drei Bände:
• Lehrbuch des Angriffs auf befestigte Plätze
• Lehrbuch der Festungsverteidigung
• Lehrbuch der Feldbefestigung
heraus.
Er hatte in seinem langen Soldatendienst bis dahin 33 Festungen neu
erbaut und die Befestigung von ungeführt 300 Städten erneuert bzw.
verbessert. Als Alterskommando, er war mittlerweile 73 Jahre alt,
erhielt er 1706 das Kommando über eine Reihe flandrischer Festungen.
Das letzte Lebensjahr
Vauban,
obwohl als Marschall eine höchsten Persönlichkeiten Frankreichs, war
zeit seines Lebens immer ein Mann des Volkes geblieben. Als einfacher
Landjunker fühlte er sich mehr dem Bauerntum als dem Herrentum
verbunden. Die Hofhaltung des Sonnenkönigs, der den Hochadel
absichtlich in Erinnerung an seine bösen Jugenderfahrungen mit der
Fronde um sich versammelt hielt, entsprach nicht dem Geschmack des
Höflinge verachtenden Militärs. Erschien doch schon seinen Zeitgenossen
dieser Hof als eine in Art Theater-Kostümierung aufgetakelte
Gesellschaft.
Seit langem sorgte sich Vauban um das Schicksal der
Armen im Lande. Seine vielen Reisen, besonders während der schrecklichen
Kriegsjahre 1693/1694, hatten ihm die Not des Volkes praktisch vor
Augen geführt. Neun Zehntel der Bevölkerung waren Bauern, die besonders
litten. In diesen Jahren verhungerten rund zwei Millionen Menschen oder
sie starben geschwächt von Krankheiten.
Das Volk wurde überwacht,
bei Gelegenheit gezüchtigt. Im Falle von Aufständen gegen die
Steuereinnehmer war die Unterdrückung unbarmherzig, man bestrafte die
aufrührerischen Köpfe mit der Galeerenstrafe. Die Städte unterstanden
sogenannten Intendanten. Paris mit seinerzeit 400.000 Einwohnern wurde
von 4000 Intendanten kontrolliert.
Vauban schrieb: „Aus meinen
Nachforschungen ergibt sich, dass der zehnte Teil des Volkes zum Betteln
verurteilt ist und in der Tat bettelt, dass von den anderen Zehntel
fünf nicht in der Lage sind, jenen Bettlern Almosen zu geben, so dass
drei der vier restlichen Zehntel unter Schulden und Prozessen darnieder
liegen und dass der Rest, nämlich Militär, Richter, Klerus und Adel
höchstens 100.000 Familien ausmacht.
Vauban hatte viel über die
Fehler des monarchischen Gesellschaftssystems nachgedacht und
Überlegungen zum Thema Wiederherstellung des allgemeinen Wohlstandes
angestellt. Er suchte nach Gründen des Desasters. Seine Gedanken
veröffentlichte er heimlich ohne Druckerlaubnis 1707 unter dem Titel
„Projet d’une Dime royale“ (Projekte einer Steuer Königlicher Zehnter),
was einen großen Skandal auslöste. Die privilegierten Klassen liefen
Sturm dagegen. In anderen politischen Schriften erwies sich Vauban als
Vorläufer Montesquieus, wenn er den Staat für das Wohlergehen aller und
ihren Schutz verantwortlich machte. Der Staat habe kein Recht Polizei
und Armee zu verringern, um mit dem gesparten Geld Schlösser zu bauen
und Arbeitsunwillige zu verwöhnen.
Vauban hat also eine Steuerreform
vorgeschlagen, die alle Einkommen und Personen gleichmäßig besteuern
sollte. In seiner Schrift „Dime royale“ konkretisierte er seine
Vorstellungen einer direkten persönlichen Steuer bei Abschaffung vieler
indirekter Abgaben. Insbesondere die Steuerfreiheit der Geistlichkeit
und des Adels, sogar des Königs, sollte aufgehoben werden.
Schon 1694
hatte Vauban solche Reformpläne dem Finanzminister diskret
vorgeschlagen. Tatsächlich befahl der König 1695 eine Steueränderung in
dieser Art, aber die allermeisten Privilegierten konnten sich ihr
entziehen und es blieb alles beim alten.
Ein solches
Steuerreformprojekt war revolutionär und unmöglich durchzusetzen. Es
stellte die Monarchie, selbst die Gesellschaftsordnung des Ancien Régime
in Frage, die gerade auf Ungleichheit und Privilegien der einzelnen
Personen beruhte.
Das Erscheinen der Schrift Vaubans missfiel dem
König natürlich, obwohl er um die unerträgliche Last der Steuern wusste,
die den einzig produktiven Bevölkerungsgruppen, den Bauern und
Handwerkern aufgebürdet war und er selbst bereits einen Reformversuch
unternommen hatte.
Die Schrift „Die royale“ wurde verboten, die
greifbaren wenigen Exemplare beschlagnahmt. Man sprach in Hofkreisen
davon Vauban ins Gefängnis zu werfen. Es wurde eine Hausdurchsuchung bei
ihm durchgeführt. Aber entgegen der Legende starb der verzweifelt
Vauban nicht in königlicher Ungnade quasi an gebrochenem Herzen, sondern
an einem akuten Lungenleiden am 30. März 1707 im74. Lebensjahr nach 52
Dienst- und 40 Jahren auf Inspektionsreisen. Der König hatte ihm noch
seinen eigenen Leibarzt zu Hilfe geschickt.
Der Krieg Ludwigs XIV.
gegen seine übermächtig gewordenen Feinde der großen Allianz dauerte
weiter an bis zu den Friedensschlüssen von Utrecht und Rastatt 1713 und
1714. Im Innern Frankreichs tobten die Aufstände der Hugenotten, der
Waldenser und Camisarden, die sich dem mit grausamster Gewalt
verfochtenen Dogma des Königs „Ein katholischer Glaube, ein Gesetz, ein
König“ nicht beugen wollten.
Ludwig XIV. hatte ein reiches
befriedetes Frankreich mit der größten Bevölkerungsdichte Europas,
gefestigten Grenzen und internationalem Ansehen geerbt. Er hinterließ
bei seinem Tode 1715 ein zwar territorial vergrößertes Frankreich, aber
ein völlig verarmtes, ja verelendetes Land. Die Zahl der in den Kriegen
des Sonnenkönigs gefallenen französischen Soldaten betrug 1.200.000, die
Zahl der Kriegsinvaliden ist unbekannt, die Zahl der Verhungerten wird
auf zwei bis vier Millionen geschätzt, das waren 20 % der Bevölkerung.
Die
Nachricht vom Tode des Königs rief in Frankreich einen ungeheuren Jubel
aus, man tanzte vor Freude auf den Straße, die Pariser bespuckten den
Sarg des Königs.
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Ende des 2. Teils, Fortsetzung folgt
Erläuterungen und Quellenangaben
folgen im letzten Teil |
Ein Bericht von Gernd Arnold |
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