Historischer Verein
Stadt Neunkirchen e.V.

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Sébastien le Préstre de Vauban      
Festungsbaumeister und Marschall von Frankreich unter Louis XIV.     3. Teil und letzter Teil
 
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         Bericht von Gerd Arnold
Die militärgeschichtliche Bedeutung Vaubans
Vauban war ein sehr vielseitiger Mann: Stratege, Festungsspezialist, Mathematiker, Landwirt, Wirtschaftspolitiker und Reformpoli­tiker. Sein ohne Zweifel bedeutendster und dauerhaftester Beitrag zur Geschichte seines Landes ist sein Festungswerk, der „eiserne Gürtel“ rund um Frankreich. Der Großteil seiner Festungen wurde bis 1870 genutzt.
Der französische Sprachbegriff „Hexagon“ für das Land Frankreich als eine festungsumgürtete Landfläche rührt daher. Als Symbol eines solchen Empfindens sieht man z.B. heute an französischen Autos oft das Nationalkennzeichen in Form einer als Silhouette gestaltete Landkartenplakette mit dem „F“. Dieses strategische Denken der Militärs in Festungslinien hat bis in die neueste Zeit fortgewirkt. Die französischen Festungswerke der Ostgrenze mit ihrer Bedeutung im Ersten Weltkrieg –Stichwort Verdun- sowie die ­Maginotlinie und der Westwall im Zweiten Weltkrieg zeugen davon. Der Ruhm Vaubans Festungen überdauerte sein Zeitalter. Zu ­seinen Lebzeiten war er hoch berühmt, bedeckt mit der „Gloire“ wegen seiner Belagerungskunst.
Bei allen Belagerungskriegen, und das waren die Kriege Ludwigs XIV. vornehmlich, war die Artillerie das Rückgrat der Armee. Wenn die Einnahme einer Festung das Ziel der Operation darstellt, wurde die Artillerie zur entscheidenden Waffe, sie allein überwand Befestigungswerke aller Art. Bei Einsatz der Artillerieverwendete Vauban gekonnt das überkreuzende Feuern und ganz Militäringenieur veranlasste er die waffentechnische Entwicklung von Kanonenkugeln mit Sprengladung, Explosivgranaten. Bei der Belagerung von Philippsburg 1688 erfand er das Riskoschießen, das Abprallschießen, heute jedem Artilleristen bekannt. Vauban war zwar nicht der Erfinder, aber der grandiose Anwender der Laufgrabenparallelen, eine Praxis der Belagerungstechnik, die es möglich machte, einen Sturmangriff aus Bereitstellungsgräben in nächster Nähe der Festungsanlagen auszuführen.
1679 wurde durch seinen Einfluss die erste Kompanie Mineure aufgestellt, die der Artillerie unterstand.
In dieser Zeit begann auch der Bau von Kasernen. Die Unterbringung  großer Einheiten von Soldaten in Zivilhäusern, die Einquartierung, hatte zu vielerlei Ärgernis geführt. In der Festungsstadt Saarlouis entstanden mit die ersten Kasernen der Neuzeit. Der Minister Colbert förderte den schnellen Bau dieser Kasernen. Vauban entwickelte die Standardisierung der Baupläne, die „Kasernen á la Vauban“. Als weitere Neuerung wurden Lazarette gebaut z. B. das Hotel des Invalides in Paris.
Von 1667 bis 1710 waren die Plätze der Grenzbefestigungen riesige Baustellen. Ganze Regimenter schufteten gegen Soldzulage. Die Fertigstellung einer so großen Zahl von Festungen in so kurzer Zeit stellte eine großartige Leistung dar. Die Festung Saarlouis
z.B. wurde unter Mitwirkung des Regiment ­Picardi Infanterie erbaut. Die französischen Familiennamen im Saarland zeugen noch davon (es handelt sich dabei nicht nur, wie oft angenommen wird, um ausgewanderte Hugenotten).
Stellt man also am Ende des 17. Jahrhunderts bei den Franzosen eine bemerkenswerte Entwicklung der militärischen Bautätigkeit fest, so geschah dies gleichzeitig auf dem Gebiet der Waffentechnik. Vauban führte die Verwendung von mobilen Pontons zum schnellen Bau von schwimmenden Brücken ein. Bei der Vervollkommnung der Infanteriehandfeuerwaffe der Zeit, der Muskete zum Gewehr, wirkte er mit. Ab 1699 gab es im französischen Heer nur noch Gewehre mit Flintenschloss (Feuerstein). Auch bei der Entwicklung des Bajonetts vom Aufsteckbajonett zum Drehverschlussbajonett arbeitete Vauban mit. Wurden 1679 die Piken der französischen Infanteriebataillone abgeschafft und durch Bajonettmusketen ersetzt, so gab es ab 1700 allgemein nur noch das moderne Drehverschlussbajonett.
Dieses ganze Geschehen spielte sich im Rahmen der gründlichen Erneuerung der Armee Ludwigs XIV. ab, dessen Hauptarchitekten der Kriegsminister Michel le Tellier und nach ihm sein Sohn Francois Michel Marquis de Louvois waren. Die ständigen Kriege erzwangen eine Änderung der Heeresverfassung. Es wurde ein stehendes Heer mit Gliederung und Organisation in Regimentern geschaffen, die allgemeine Uniformierung der Truppe eingeführt und die Käuflichkeit der unteren Dienstgrade abgeschafft. Die eigentliche Neuerung der Armee aber war die Schaffung spezieller Waffengattungsarten, wie Artillerie, Dragoner und Pioniere. Ein regelmäßiger Sold und stets geregelte Verpflegung wurden sichergestellt. Das Heer betrug bei Beginn der Kriege Ludwigs XIV. rund 30.000 Mann, am Ende rund 440.000 Mann.

Die sternförmig angelegten Festungen des Sébastien le Prétre de Vauban hatten meist folgende systematische Aufgliederung:
• Bastion: Vorspringendes Bollwerk der sternförmigen Vaubanfestung in Form einer Spitzzunge
• Cavalier: Innerste Wallbastion der Festung
• Contre-Garde: Kontergarde, wie Halbmond
• Demi-Lune: Halbmond
• Eskarpe: Innere Wallgrabenböschung der Festung
• Glacis: Hindernisfreies Schussfeld
• Halbmond: Vorgeschobenes, rückwärts ­offenes Dreieckbollwerk
• Kontreescarpe: Äußerster, gedeckter Gangwall
• Kutine:

Verbindungsgang zwischen zwei Bastionen
• Lunette: Kleines Erdwerk mit Spitze, vorgeschobenes Ravelin
• Parapet: Brustwehrmauer
• Poterne: Ausfallpforte
• Ravelin: Halbmondförmige Schanze zwischen zwei Bastionen
• Rempart: Festungswall, Festungsmauer
• Sappe: Laufgraben
• Tenaille: Zangenbollwerk
• Travers: Quermauern auf der Kotreeskarpe als Feuerschutz

Quellen:
Hugo Christensen: Die Zinnfigur Hans F. Helmolt: Das Buch vom Kriege
Heinrich Wolf: Weltgeschichte der Lüge
Franz Mehring: Zur Kriegsgeschichte und Militärfrage
Carl von Clausewitz: Vom Kriege

Erläuterungen:
Marschall Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne war zu dieser Zeit Eigentümer des späteren 1. Kürassier-Regimentes durch das er 1674 in unserer Region die Befestigung der Stadt St. Wendel schleifen ließ. Der Zufall wollte es, dass dieses 1. Kürassier-Regiment, heute ein Teil einer Panzerdivision, nach dem 2. Weltkrieg innerhalb der französischen Besatzungsmacht in St. Wendel bis zum Ende des Jahrhunderts stationiert war.

Seit 1679 eignete sich Ludwig XIV. Städte und Dörfer im Elsaß und in Lothringen gewaltsam an, die von französischen Sondergerichtshöfen (sog. Réunionskammern) aufgrund zweifelhafter historischer Ansprüche der franz. Krone zugesprochen wurden (insges. ca. 600). 1681 wurde Straßburg, 1684 Luxemburg und Trier besetzt. Durch die Belagerung Wiens durch die Türken 1683, die durch Ludwig XIV. gefördert wurde, war der deutsche Kaiser gebunden und erkannte deshalb im Regensburger Stillstand 1684 die Réunion auf 20 Jahre an. Im Frieden von Rijswijk 1697 musste Frankreich schließlich auf alle Réunionen außerhalb des Elsaß verzichten, ebenso auf die rechtlich unhaltbaren pfälzischen Erbansprüche. Lothringen wurde endgültig restituiert (also herausgerückt), allerdings behält Frankreich ein Durchmarschrecht.
 
 
                                                                                                                                                                                          
 
Bitsch: Luftaufnahme mit Blick
auf die alles überragende Festungsanlage
Quelle: Wikipedia
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Fest. Hohenburg HOM
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Minister Jean-Baptiste Colbert
Quelle: Wikipedia
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Musketier im 17. Jahrh.
 
Ende des 3. und letzten Teils
Ein Bericht von Gerd Arnold