Hier ist man den Ahnen auf der Spur
von Elke Jacobi, SZ vom 10.10.2022

Serie Historische Vereine im Kreis Neunkirchen

„Schreiben Sie als Überschrift: „Gegründet im letzten Jahrhundert“, sagt Horst Schwenk und freut sich spitzbübisch. Wir sind zu Besuch beim Historischen Verein Stadt Neunkirchen in dessen Geschäftsräumen in der Neunkircher Irrgartenstraße 18. Präsident und Gründungsmitglied, Ex-OB Friedrich Decker, erinnert sich. „Das war dem Horst Schwenk ganz wichtig, dass wir das deshalb noch 1999 über die Bühne gekriegt haben.“ Beide gehörten damals ebenso wie der langjährige Geschäftsführer der Neunkircher Kulturgesellschaft, Peter Bierbrauer, der erste Vorsitzende des Vereins, Wolfgang Melnyk, Armin Schlicker, Günter Schwinn, Klaus Dufner, Heinz Gillenberg und Gerd Meiser zum ersten Vorstand des Vereins. Decker von Anfang an als Präsident.

Zuvor bereits hatten die Herren ihr Interesse an der Neunkircher Historie regelmäßig gepflegt. Im Nebenzimmer des mittlerweile abgerissenen Hallenbades traf man sich zum Stadtgespräch unter dem Mantel der Volkshochschule. Bei Doris Schmelzer mit „den scheene Gefillde“. Den Anstoß zum Gesprächskreis hatte Horst Schwenk gegeben. Ziel seit dem ersten Treffen am 4. November 1998: das Geschichtsbewusstsein der Neunkircher zu fördern. Aus dem Gesprächskreis einen Verein zu gründen war ein logischer nächster Schritt.

Tag der offenen Tür

Gründungsversammlung war dann am 10. September 1999 in der Stummschen Reithalle. 63 Personen waren gekommen, 43 von ihnen traten noch an diesem Abend dem Verein bei. Heute hat der Verein 165 Mitglieder, darunter auch komplette Vereine und Institutionen. Leider plagt den Verein aber dasselbe Problem wie die meisten Vereine: die Überalterung. „Es fehlt ganz einfach der Nachwuchs“, sagt Decker beim Gespräch im Vortragssaal.

Deshalb hat man mit einem Tag der offenen Tür schon öfter und nun endlich wieder Einblick in Geschäftsräume und Arbeit gewährt, wollte neugierig machen. Die Arbeit des Vereins kann sich durchaus sehen lassen. Zeugnis davon legen schon die Geschäftsräume ab, mit reichhaltigem Archiv, jeder Menge Fachliteratur und viel zu gucken und zu staunen an den Wänden des Vortragsraumes.

Auf die Fahnen geschrieben hat sich der Verein die Förderung historischer Forschungen, der Heimatkunde und -pflege sowie der Namens- und Familienforschung. Dazu muss man sich keineswegs ein Stöbern in verstaubten Archiven vorstellen. Die Mitglieder des Vereins sind digital gut dabei. Das gilt vor allem für den Bereich Familienforschungen.

Eine Arbeitsgruppe unter Hiltrud Müller erfasst hier seit einigen Jahren Standesamtsurkunden in einer speziellen Datenbank, dem Ortsfamilienbuch Neunkirchen.  123.000 Personen und über 53.000 Familien sind hier mittlerweile schon erfasst. Menschen mit Wohnsitz in Neunkirchen, aber auch hier in den Krankenhäusern Verstorbene oder in den Gruben und im Eisenwerk zu Tode gekommene Arbeiter. „Etliche Anfragen zur persönlichen Familiengeschichte konnten bereits positiv beantwortet werden“, sagt die aktuelle Vorsitzende Marie-Luise Becker. Um das Wissen um die Ahnenforschung, die Genealogie, weiterzugeben, fand auch ein Seminar unter Leitung von Markus Kalina statt.

Tag der offenen Tür

Eine weitere Arbeitsgruppe „Bunker Katzenberg“ ist in Sachen Grube König aktiv.

Regelmäßig – natürlich auch hier durch Corona unterbrochen – finden Vorträge statt. Immer jeden Donnerstag im Monat, manche auch in Zusammenarbeit mit der VHS. Wer einen spannenden Vortrag mal verpasst: Fast alle gibt es im Nachgang als gedrucktes Heft in der Geschäftsstelle zu erwerben. Die hat im Übrigen jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr geöffnet, über die warmen Monate bis Oktober auch montags von 10 bis 12 Uhr. Dort liegen auch jede Menge weitere Bücher über Neunkirchen aus. Beispielsweise das umfangreiche und im Saarland einmalige Straßenlexikon, ein Buch über Sütterlin, über die Geschichte der Energie- und Wasserversorgung und und und.

Den jährlich erscheinenden Wandkalender nicht zu vergessen.

Die Mitglieder können aber nicht nur schreiben, forschen und reden. Sie können auch aktiv werden in vielerlei Hinsicht. Ist nicht gerade Pandemie, dann präsentiert sich der Verein auf dem Scheiber und dem Neunkircher Weihnachtmarkt und beim Stadtfest. Immer wieder gibt es Bilder-Ausstellungen, so zu 100 Jahre NVG, 175 Jahre Schlossbrauerei oder 25 Jahre Saarpark-Center. Zehn Stück seit Gründung. Aktiv hat sich vornehmlich der zweite Vorsitzende Horst Schwenk für den Karcher Tierbrunnen am Oberen Markt und die große Tafel zum ehemaligen Schloss am Aldi in Neunkirchen eingesetzt.

Die Vorträge halten nicht nur Vereinsmitglieder. Immer wieder gerne kommen auch namhafte Historiker zum HVSN. Große Vortragsthemen der vergangenen Jahre drehten sich um Bergbau, die Hütte, das Schloss, die Straßenbahn und die Stumm-Familie.

Der Renner: Schwenks Vorträge über das zerbombte Neunkirchen mit Vorher-Nachher-Fotos.

Bereits im März 2013 hatte der langjährige Vorsitzende Wolfgang Melnyk von bis dahin fast 175 Vorträgen mit insgesamt 7.000 Menschen gesprochen. Bis zum 20-jährigen Jubiläum – und Corona – kam man auf fast 250 Veranstaltungen mit fast 10.000 Interessentinnen und Interessenten. Auch Werner Fried gehörte zum HVSN, den Historiker kennen die Neunkircher vor allem durch den Bau seiner historischen Gebäude mittels Streichhölzern. Oder Günther Gensheimer, der sich durch Führungen und Beschilderungen im Kasbruch und im Grenzsteinweg verdient gemacht hat.

Um junge Menschen auf die Arbeit neugierig zu machen, hat man sich, wie Schriftführer Jürgen Cornely erzählt, auch schon an Schulen gewandt. Leider, so sagt Schwenk, sei die Resonanz darauf eher mager. „Dabei hätten wir Geschichte aus erster Hand zu erzählen, könnten Weltgeschichte am Beispiel der eigenen Heimat deutlich machen.“ Für diesbezügliche Wünsche, betont Vorsitzende Becker, ist man nach wie vor offen. Auch kann jederzeit in der Geschäftsstelle recherchiert werden, sei es für eine Arbeit an Schule oder Uni oder einfach aus Interesse.

Einfach an einem Donnerstag vorbeikommen oder aber auch gerne anrufen und einen Termin ausmachen. Die Mitglieder helfen jederzeit gerne, teilen ihr Wissen oder geben Tipps für die Recherche.

Tag der offenen Tür